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E-Book

Grundriss der Psychologie

Vollständige Ausgabe

AutorWilhelm Wundt
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl454 Seiten
ISBN9783849625290
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Wundts Werk, hier die Ausgabe aus dem Jahr 1914, gehört nach wie vor zu den großen Referenzbüchern der Psychologie. Inhalt: Einleitung. § l. Aufgabe der Psychologie. § 2. Allgemeine Richtungen der Psychologie. § 3. Methoden der Psychologie. § 4. Allgemeine Übersicht des Gegenstandes. I. Die psychischen Elemente. § 5. Hauptformen und allgemeine Eigenschaften der psychischen Elemente. § 6. Die reinen Empfindungen. A. Die Empfindungen des allgemeinen Sinnes. B. Die Schallempfindungen. C. Die Geruchs- und Geschmacksempfindungen. D. Die Lichtempfindungen. § 7. Die einfachen Gefühle. II. Die psychischen Gebilde. § 8. Begriff und Einteilung der psychischen Gebilde. § 9. Die intensiven Vorstellungen. § 10. Die räumlichen Vorstellungen. A. Die räumlichen Tastvorstellungen. B. Die räumlichen Gesichtsvorstellungen. a. Wechselseitige Orientierung der Elemente einer Gesichtsvorstellung. b. Orientierung der Gesichtsvorstellungen zum vorstellenden Subjekt. c. Beziehungen zwischen der wechselseitigen Orientierung der Elemente § 11. Die zeitlichen Vorstellungen. A. Die zeitlichen Tastvorstellungen. B. Die zeitlichen Gehörsvorstellungen. C. Die allgemeinen Bedingungen der zeitlichen Vorstellungen. § 12. Die zusammengesetzten Gefühle. § 13. Die Affekte. § 14. Die Willensvorgänge. III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde. § 15. Bewußtsein und Aufmerksamkeit. § 16. Die Assoziationen. A. Die Verschmelzungen. B. Die Assimilationen. C. Die Komplikationen. D. Die sukzessiven Assoziationen. § 17. Apperzeptionsverbindungen A. Die einfachen Apperzeptionsfunktionen. B. Die zusammengesetzten Apperzeptionsfunktionen. § 18. Psychische Zustände. IV. Die psychischen Entwicklungen. § 19. Die psychischen Eigenschaften der Tiere. § 20. Die psychische Entwicklung des Kindes. § 21. Die Entwicklung geistiger Gemeinschaften. A. Die Sprache. B. Mythus und Religion. C. Sitte und Kultur. D. Allgemeiner Charakter der völkerpsychologischen Entwicklungen. V.

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Leseprobe

B. Die Schallempfindungen.


 

    9. Wir besitzen zwei voneinander unabhängige, aber infolge der Mischung der Eindrücke in der Regel verbundene Systeme von Schallempfindungen: das der Geräusch- und das der Tonempfindungen.

 

    Einfache Geräuschempfindungen können wir nur unter Bedingungen hervorbringen, unter denen die gleichzeitige Entstehung von Tonempfindungen ausgeschlossen ist: so namentlich, wenn Schallwellen während zu kurzer Zeit auf das Ohr einwirken, als daß eine Tonempfindung entstehen könnte. Die auf solche Weise erzeugten einfachen Geräuschempfindungen können sich nach ihrer Intensität beträchtlich unterscheiden. Dagegen scheinen sie qualitativ relativ gleichförmig zu sein. Zwar ist es möglich, daß geringe Qualitätsunterschiede je nach den Entstehungsbedingungen des Geräusches existieren; doch sind sie jedenfalls zu klein, als daß sie durch Unterschiede der Bezeichnung fixiert werden könnten. Die gewöhnlich so genannten Geräusche sind Vorstellungsverbindungen, die aus jenen einfachen Geräuschempfindungen und aus sehr zahlreichen und unregelmäßigen Tonempfindungen zusammengesetzt sind. (Vgl. § 9, 7.) Das gleichförmige System der einfachen Geräusche ist nun wahrscheinlich entwicklungsgeschichtlich das ursprünglichere. Die einfachen, mit Otolithen versehenen Gehörbläschen der niederen Tiere können schwerlich andere als solche einfache Geräuschempfindungen erzeugen. Viele dieser Organe haben aber entweder gleichzeitig oder sogar ausschließlich die Bedeutung innerer Tastorgane, sogenannter tonischer Sinnesorgane, welche Empfindungen vermitteln, die mit den Stellungen und Bewegungen des Körpers veränderlich sind. Bei den höheren Wirbeltieren und dem Menschen scheiden sich dann diese Funktionen: der Vorhof mit den Bogengängen des Labyrinths funktioniert hier wahrscheinlich nur noch als tonisches Organ (vgl. § 10, 12), die Schnecke nur als Gehörorgan. Diese Verhältnisse weisen zugleich deutlich auf den genetischen Zusammenhang des Gehörs mit dem Tastsinne hin.

 

    10. Das System der einfachen Tonempfindungen bildet eine stetige Mannigfaltigkeit von einer Dimension. Wir bezeichnen die Qualität der einzelnen einfachen Tonempfindung als Tonhöhe. Die eindimensionale Beschaffenheit dieses Systems findet darin ihren Ausdruck, daß wir von einer gegebenen Tonhöhe aus stets nur nach zwei einander entgegengesetzten Richtungen die Qualität ändern können: in der Richtung der Erhöhung und in der der Vertiefung des Tons. In der wirklichen Erfahrung ist uns eine einfache Tonempfindung niemals vollkommen rein für sich allein gegeben, sondern teils verbindet sie sich mit andern Tonempfindungen, teils auch mit begleitenden einfachen Geräuschempfindungen. Aber indem diese begleitenden Elemente nach dem früher (§ 5) gegebenen Schema beliebig wechseln können und in vielen Fällen im Vergleich mit einem einzelnen Ton verhältnismäßig schwach sind, ist schon die praktische Anwendung der Tonempfindung in der Kunst der Musik zur Abstraktion der einfachen Tonempfindungen gelangt. Mit den Symbolen c, cis, des, d usw. bezeichnen wir einfache Töne, obgleich die Klänge musikalischer Instrumente oder der menschlichen Singstimme, mittels deren wir diese Tonhöhen hervorbringen, immer noch von andern, schwächeren Tönen und häufig auch von Geräuschen begleitet sind. Da sich übrigens die Bedingungen der Entstehung solcher Begleittöne willkürlich derart variieren lassen, daß sie sehr schwach werden, so ist es auch der akustischen Technik gelungen, wirklich einfache Töne in nahezu vollendeter Reinheit herzustellen. Das einfachste Mittel dazu besteht darin, daß man Stimmgabeln in Verbindung mit Resonanzräumen bringt, die auf die Grundtöne der Stimmgabeln abgestimmt sind. Da der Resonanzraum nur den Grundton verstärkt, so sind beim Ausklingen der Stimmgabel die sonstigen begleitenden Töne so schwach, daß man die Empfindung in der Regel als eine einfache, unzerlegbare auffaßt. Untersucht man die einer solchen Tonempfindung entsprechenden Schallschwingungen, so entsprechen diese zugleich der einfachsten überhaupt möglichen Schwingungsbewegung, nämlich der pendelartigen Schwingung, so genannt, weil dabei die Oszillationen der Luftteilchen nach demselben Gesetz erfolgen, nach welchem die Schwingungen eines in sehr kleinen Amplituden sich bewegenden Pendels stattfinden. Daß diese relativ einfachen Schallschwingungen einfachen Tonempfindungen entsprechen, und daß wir sogar aus Verbindungen solcher Empfindungen einzelne heraushören können, läßt sich auf Grund der Einrichtungen des Schneckenapparats aus den Gesetzen des Mitschwingens ableiten. Da nämlich die die Schnecke durchziehende Membran, in der die Endigungen des Hörnerven sich augbreiten, die "Grundmembran" (membrana basilaris), von unten nach oben stetig in ihrer Breite zunimmt, so kann man annehmen, daß sie in ihren verschiedenen Teilen auf verschiedene Tonhöhen abgestimmt sei. Nach dieser zuerst von Helmholtz aufgestellten "Resonanzhypothese" wird demnach, wenn eine einfache pendelartige Schallschwingung das Ohr trifft, nur der auf sie abgestimmte Teil mitschwingen; und wenn dieselbe Schwingungsgeschwindigkeit in irgendeiner zusammengesetzten Schallbewegung vorkommt, so wird jene nur den auf sie abgestimmten Teil, die übrigen Bestandteile der Schallbewegung werden aber andere, ihnen in gleicherweise entsprechende Abschnitte der Grundmembran mitschwingen lassen. (Vgl. § 9, 7a.)

 

    11. Das System der Tonempfindungen erweist sich als eine stetige Mannigfaltigkeit, da man von einer bestimmten Tonhöhe c zu irgendeiner andern c1 stets durch kontinuierliche Empfindungsänderung gelangen kann (Fig. 3). Daß die Musik aus diesem Kontinuum einzelne Empfindungen herausgreift, die durch größere Intervalle getrennt sind, und auf diese Weise die Tonlinie durch die Tonskala (c d e f g ...) ersetzt, beruht auf willkürlichen Feststellungen, die aber allerdings ihren Grund in Verhältnissen der Tonempfindungen selbst haben, auf die wir später (§ 9) bei der Betrachtung der aus diesen Empfindungen entstehenden Vorstellungsgebilde zurückkommen werden.

 

 

Fig. 3, Tonlinie und Tonskala (G-Dur-Skala).

 

    Bei den verschiedenen Tonleitern unserer Musiksysteme fallen übrigens die Intervalle der Töne jedesmal wieder mit andern Punkten der stetigen Tonlinie der Empfindungen zusammen. Unsere Instrumente mit fester Stimmung der Einzeltöne, wie z. B. das Klavier, suchen daher durch die Einschaltung der fünf halben Töne in die Oktave zwar nicht ganz, aber annähernd den Wechsel zwischen den verschiedenen Tonleitern unseres Musiksystems (C-Dur, H-Moll, B-Dur usw.) zu ermöglichen (sogenannte Stimmung nach gleichschwebender Temperatur).

 

    Die ganze Tonlinie hat schließlich zwei Endpunkte, die physiologisch durch die Grenzen der Reizbarkeit des Gehörapparats bedingt sind: den tiefsten und den höchsten Ton, von denen jener einer Schwingungsbewegung von 12–16, dieser einer solchen von 40000–50000 Doppelschwingungen in der Sekunde entspricht. Doch ist die letztere Grenze einigermaßen zweifelhaft, da ebensowohl die subjektive Erkennung der Intervalle wie die objektive Bestimmung der Schwingungszahlen tönender Körper (Stimmgabeln oder Pfeifen) in dieser Höhe unsicher wird. In den mittleren Lagen der Tonlinie (zwischen 200 und 1000 Schw.) können wir sukzessiv angegebene Töne schon bei einem Unterschied von etwa 1/5 Schw. in der Sek. nach ihrer Höhe unterscheiden, und dabei bleibt zugleich in diesem Falle der absolute Betrag dieses Unterschieds innerhalb der angegebenen Grenzen bei den verschiedenen Tonhöhen der gleiche. Damit stimmt überein, daß, wenn wir nach dem unmittelbaren Eindruck der Tonhöhen irgendeine Tonstrecke t h halbieren, also zu dem tieferen Ton t und dem höheren h denjenigen mittleren Ton m bestimmen, der gleichweit von beiden entfernt zu sein scheint, bei allen, auch bei ganz unharmonischen Intervallen, der Ton m nach seiner objektiven Schwingungszahl in der Mitte zwischen t und h liegt. Doch sind solche Vergleichungen, wie bei allen Empfindungen, nur möglich, solange die Distanzen nicht allzu groß sind; bei Tönen z. B. dürfen sie den Umfang einer Oktave nicht erheblich überschreiten. Bei tieferen und noch mehr bei höheren Tönen nimmt übrigens die Unterschiedsempfindlichkeit beträchtlich ab. Ebenso ist sie für die Intensität von Tönen und Geräuschen eine sehr unvollkommene. Sie ist aber hier auch insofern eine abweichende, als die Empfindlichkeit nicht für gleiche absolute, sondern für gleiche relative Unterschiede der Schallstärke konstant ist, indem jeweils die eben unterscheidbare Differenz zweier sukzessiv gehörter Schalleindrücke etwa = 1/10 der objektiven Schallstärke gefunden wird.

 
 

 

C. Die Geruchs- und Geschmacksempfindungen.


 

    12. Die Geruchsempfindungen bilden ein mannigfaltiges System von bisher noch unbekannter Anordnung. Wir wissen nur, daß es eine sehr große Anzahl verschiedener Geruchsqualitäten gibt, zwischen denen sich alle möglichen stetigen Übergänge vorfinden. Hiernach ist es zweifellos, daß das System eine mehrdimensionale Mannigfaltigkeit ist.

 

    12a. Als ein Hinweis auf eine dereinst vielleicht mögliche Reduktion der Geruchsempfindungen auf eine kleinere Anzahl von Hauptqualitäten läßt sich die Tatsache betrachten, daß man die Gerüche in gewisse...

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