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E-Book

Gruppen- und Teamcoaching

AutorChristine Thornton
VerlagJunfermann
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783955714703
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis25,99 EUR
Komplexe gruppendynamische Prozesse so einfach und nachvollziehbar darzustellen, dass sich konkrete Handlungsmöglichkeiten ableiten lassen: Dieses Ziel verfolgt Christine Thornton mit ihrem Buch. Coachs finden hier Anregungen für die praktische Arbeit mit Gruppen und Teams. Wesentlich ist dabei, welche Ziele eine Gruppe verfolgt, in welchem Umfeld sie agiert und wie die Mitgliederstruktur beschaffen ist. Je eingehender ein Coach sich mit diesen Faktoren beschäftigt, desto besser kann er seine Interventionen gestalten. Doch auch Führungskräften liefert das Buch Denkanstöße für Veränderungen in Unternehmen. Einer Untersuchung zufolge sind überhaupt nur 30 Prozent aller Veränderungsprozesse erfolgreich. Warum das nicht so bleiben muss und welche Maßnahmen wirklich Erfolg bringen, wird ebenfalls beleuchtet.

Christine Thornton ist nach einem Studium der Psychologie seit mehr als 25 Jahren als Beraterin und Coach tätig. Sie hilft Teams und Unternehmen, Veränderungsprozesse in einer immer komplexer werdenden Welt konstruktiv zu gestalten.

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Leseprobe

2. Lernen, Halten und Austausch


Überblick

Das Kapitel beginnt mit einer Vorstellung der Grundbausteine aller Kommunikationsprozesse sowie der emotionalen und sozialen Intelligenz: „implizites Wissen“, „Projektion“ und „Übertragung“. Es geht um das Thema Lernen, wobei zwei Gedanken besonders hervorgehoben werden: „das Halten“ – die Herstellung eines Gefühls der Sicherheit – und „der Austausch“ – die Möglichkeit der Begegnung mit etwas Neuem. Da diese nicht nur fürs Lernen wichtig sind, sondern auch fürs Coaching, werden sie in den Zusammenhang mit Gruppencoaching gestellt.

2.1 Die Gruppe als Archetyp


Die Erkenntnis, dass man in der Gruppe besser lernt und dass Gruppen Veränderungen herbeiführen, wird zwar meist als selbstverständlich betrachtet und akzeptiert, doch kaum wirklich nachvollzogen. Warum Gruppen diese Wirkung haben und wie das kommt, das ist für viele Menschen irgendwie ein Rätsel.

„Vor dem Individuum kommt die Beziehung“18 – vermutlich ist die Lernerfahrung in der Gruppe deswegen so prägend, weil wir selbst, als Lebewesen Mensch, nur im kooperativen Zusammenleben der Gruppe überleben konnten. Dieser notgedrungen soziale Kontext des Lernens wurde von vielen Seiten wissenschaftlich belegt.19 In der Gruppe ist der Mensch immer schon in seinem Ursprungselement; in einer gut funktionierenden Gruppe fühlt man sich wohl und behütet. Umgekehrt graust es einem vor schlechten Gruppenerfahrungen. Meist reagiert der Mensch in der Gruppe automatisch, aus dem Bauch heraus, weil er sich an die unbewusste, nonverbale Gruppenkommunikation angepasst hat und sie versteht. Neurowissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge ist unser Gehirn tatsächlich so konstruiert, dass wir auf andere reagieren. Daniel Goleman, der sein Konzept der „emotionalen Intelligenz“ um das der „sozialen Intelligenz“ erweitert hat,20 legt beispielsweise nahe, dass gute Führungskräfte unbedingt die Fähigkeit brauchen, die Stimmung und das Erleben anderer Menschen zu beeinflussen.

2.2 „Implizites Beziehungswissen“


Daniel Stern vereint in seinen Schriften entwicklungspsychologische und psychoanalytische Erkenntnisse und spricht vom impliziten Beziehungswissen – unserem nonverbalen, nicht symbolisch kodierten, prozeduralen Bewusstsein:

„Wir spüren es in Körper und Psyche gleichzeitig. Obendrein können wir sogar spüren, was in Gruppen vorgeht. Unser Nervensystem ist so konstruiert, dass es vom Nervensystem anderer Menschen ‚verstanden‘ werden kann ... Potenziell steht uns eine Art emotionaler Pfad offen, der direkt in den Anderen hineinführt; wir nehmen an seinem Erleben teil und lassen es in uns widerhallen, und umgekehrt gilt das Gleiche.“21

In der Gruppe können diese unbewussten Wissensanteile besonders gut in den bewussten Bereich transportiert werden, weil die große Perspektivenvielfalt der verschiedenartigen Mitglieder die Kommunikation „amplifiziert“ und der gegenseitigen Realitätsüberprüfung dient.

Daher ist die Gruppe in Bezug auf das Zwischenmenschliche allen anderen Arten der beruflichen Weiterbildung haushoch überlegen. Zwar erhält man auch im Einzelcoaching nützliche Rückmeldungen, doch ist die Spannbreite der Wahrnehmungen und Reaktionen im Gruppencoaching natürlich weitaus größer. Fazit: Wer seine zwischenmenschlichen Fähigkeiten verbessern möchte, fährt in einer gut geleiteten Gruppe am besten.

2.3 Projektion


In der Psychologie ist die Projektion ein Abwehrmechanismus, bei dem man anderen Menschen Teile von sich selbst zuschreibt. Dabei handelt es sich um Eigenschaften, die man an sich selbst nicht mag, ablehnt und lieber nicht wahrnimmt. Da der Prozess unbewusst abläuft, merkt man nicht, dass die projizierten Eigenschaften die eigenen sind.

Beispiele für Projektion

  • Ich halte mich nicht gerne für arrogant, also verleugne ich meine Arroganz und finde jemand anderes arrogant.
  • Ich bin treulos und unterdrücke meine Schuldgefühle, mache mir aber gleichzeitig Sorgen, ob mein Partner mir wirklich treu ist.
  • Ich mag mich selbst nicht und stelle mir daher vor, dass andere mich nicht mögen.

In meinen Augen ist es der andere Mensch, der mit der von mir abgelehnten Arroganz, Treulosigkeit oder Zurückweisung behaftet ist. Möglicherweise hat er genau die Eigenschaften, die ich bei mir selbst ablehne, und projiziert sie dann auf mich, sodass wir einander für die gleichen Dinge kritisieren. Im gruppenanalytischen Denken benutzt man dafür den Begriff „negatives Spiegeln“ (vgl. Kapitel 3).

Doch nicht alle Projektionen sind negativ: Man kann auch positive Aspekte projizieren, zum Beispiel dass der Gruppencoach oder eine Vorgesetzte „superkompetent“ ist, man selbst dagegen „nicht den blassesten Schimmer“ hat. Egal ob der Inhalt positiv oder negativ ist – Projektion verhindert, dass man sich seiner selbst ganz bewusst ist.

Projektion kann als extremere Form eines alltäglichen psychischen Prozesses betrachtet werden. In der Kommunikation vergleicht man sich ständig mit anderen, man begreift sich gegenseitig über unzählige kleine Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Unsere Wahrnehmung wird immer von früheren Erfahrungen beeinflusst und manchmal auch verzerrt: Nie sieht man hundertprozentig scharf.

2.4 Übertragung


Die Übertragung ist eine besondere Art der Projektion, ein aktuelles Verhaltensmuster, das von Projektionen früherer Beziehungsmuster beeinflusst wird. Durch die Wiederholung in der Gegenwart kommt es zu sich selbst bewahrheitenden Beziehungsfehldeutungen. Starke Gefühle im Hier und Jetzt werden auf frühere Erfahrungen bezogen, sodass die Vergangenheit durch etwas, das in der Beziehung passiert, in der Gegenwart wieder auflebt. Dieser Prozess läuft unterhalb der Bewusstseinsgrenze ab, vergleichbar mit einem Geruch, der eine starke Erinnerung wachruft.

Beispiele für Übertragung

  • Mich überkommt gerade das Gefühl, dass mein Chef genauso ist wie mein Vater, den ich sehr liebe.
  • Ich empfinde für jemandem aus meinem Team dasselbe wie für meinen Bruder, der für mich immer ein Rivale war.
  • Meine derzeitige Arbeitssituation erinnert mich total an eine traumatische Phase als Teenager in der Schule.

Das Verhalten gegenüber dem Menschen, der Objekt der Übertragung ist, wird in diesem wahrscheinlich ein Verhalten provozieren, das mit der Übertragung „zusammenpasst“ und den Übertragenden in seiner Annahme bestärkt.

Projektion und Übertragung haben beide mit dem „Spiegeln“ in Gruppen zu tun, das in Kapitel 3 erläutert wird. Da wir jede neue Erfahrung auf der Basis früherer Erfahrungen bewerten, sind kleinere Projektionen und Übertragungen aber durchaus normal und verbreitet – beispielsweise wenn wir etwas, das uns neu ist, entweder wohlwollend oder ablehnend begegnen oder wenn wir sagen: „Du bist genau wie meine Freundin Jane.“

Dass eine Übertragung problematisch ist, merkt man am Grad ihrer Intensität und Angemessenheit: Fällt eine emotionale Reaktion unverhältnismäßig stark aus oder wirkt sie in der augenblicklichen Realität unangemessen, handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Übertragung.

In einer Coachinggruppe geht es in erster Linie darum, Menschen zu helfen, ihre augenblickliche Situation wieder in den Griff zu bekommen, was im Gruppenfeedback oft am besten gelingt. In der Gruppe können kleinere projektive Missverständnisse – je besser man einander „kennenlernt“ – immer wieder geklärt werden, manchmal sogar ohne darüber zu sprechen. Hartnäckigere Missverständnisse, die die persönliche Leistung oder die der Gruppe beeinträchtigen, erfordern vom Coach eine aktive Haltung.

2.5 Die zwei Grundprinzipien des Coachings: Halten und Austausch


Die Grundlage des Coachings ist immer eine entwicklungsfördernde Beziehung, die sicher genug ist für die Begegnung mit neuer Information – von Gregory Bateson als „Nachricht von einem Unterschied“ definiert.22 Das Gefühl der Sicherheit entsteht durch das „Halten“, die dadurch ermöglichte Begegnung mit dem Neuen im „Austausch“.

2.5.1 Halten

Die wichtigste Fähigkeit in jeder Art von Coaching, wie überhaupt in allen entwicklungsfördernden Beziehungen, ist das sogenannte Halten:23 Klienten, die gehalten werden, fühlen sich sicher genug, um Neues zu lernen. Den Begriff „Halten“ prägte Donald Winnicott in seiner Forschung zur Mutter-Säugling-Beziehung: die erste Lernbeziehung im Leben des Menschen. Halten bezeichnet nicht nur das physische Halten des Kindes, sondern dessen ganze Versorgung durch die Umwelt. Im Gehaltenwerden findet der Säugling zu seinem wahren Ich und macht die Erfahrung, „in Gegenwart der Mutter allein zu sein“.24 Wird das Kind ausreichend gehalten, kann ein Austausch erfolgen.

Eng mit dem Halten verbunden ist ein weiteres Konzept der frühkindlichen Entwicklung, das „Containing“.25 Der Unterschied zwischen beiden ist weithin eine Frage der Perspektive: Halten bezieht sich mehr auf die Gesamterfahrung, Containing auf einen Teil, nämlich die Umwandlung von Frustration oder Unwohlsein zum Zweck des Denkens. Im Gruppenkontext sind beide Prozesse eng mit der Idee der „Gruppenmatrix“ verbunden (siehe Kapitel 3); die Gruppe wird als Sicherheitsnetz betrachtet, das den einzelnen Menschen „hält“ und dessen Erfahrungen „aushaltbar“ macht, sodass er für...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Inhalt8
Geleitwort10
Vorwort: Was dieses Buch bewirken soll12
Danksagung14
Teil I16
1. Einführung: Was ist Gruppencoaching?18
Teil II34
2. Lernen, Halten und Austausch36
3. Einblicke in das geheime Leben der Gruppe56
4. Acht Gruppenfaktoren in Lern- und Veränderungsprozessen76
Teil III96
5. Systemdenken: das Verständnis von Organisationen, Gruppen und Teams98
Teil IV124
6. Teamcoaching126
7. Lerngruppen154
8. Supervisionsgruppen170
Teil V194
9. Strategien für problematische Verhaltensweisen196
10. Problematische Gruppen: Wie man dysfunktionale Verhaltensmuster versteht und anpackt216
11. Anfang, Mitte und Ende der Gruppe: Die Kunst des Zeitmanagements236
Nachwort252
Anhang254
Weiterführende Literatur256
Häufig gestellte Fragen258
Literaturhinweise und Quellenangaben260
Index268

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