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E-Book

Gruppenunterricht und kooperatives Lernen. Methoden, praktische Beispiele

AutorJörg Wegner
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl85 Seiten
ISBN9783656801139
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Akademische Arbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Psychologie - Lernpsychologie, Intelligenzforschung, Note: 1,0, Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Schulunterricht und dessen Methoden werden immer wieder von Firmen und Unternehmen kritisiert. Gleichzeitig wird die Forderung nach einer umfassenden Kompetenzvermittlung an die Schule gestellt. In Folge dessen werden 'neue' Unterrichtsmethoden wie z.B. Gruppenunterricht und kooperative Lernformen zur Kompetenzvermittlung und -förderung verlangt. Diese Methoden sind nicht erst in heutiger Zeit auf Drängen der Wirtschaft entstanden und erfunden worden, sondern sind in der Geschichte der Pädagogik wiederzufinden. Dennoch müssen die heutigen Unterrichtsmethoden neu überdacht werden. Dazu greife ich die Rahmenrichtlinien und Bildungsverordnungen heraus und betrachte den heutigen Unterricht, unter den Gesichtspunkt, ob dieser den Ansprüchen der Wirtschafts- und Arbeitswelt genügt. In diesen Bezug werden unterschiedliche Betrachtungen von Unterricht, Lernen und Unterrichtsgestaltung mit einbezogen. Der Gedanke vom kooperativen Lernen ist nicht erst in der heutigen Zeit entstanden. Man muss beim Rückblick in die Geschichte den Begriff des kooperativen Lernens weiter fassen und auch Kleingruppenarbeit und Gruppenunterricht betrachten. Schon in den Reformschulen wurde Gruppenunterricht gehalten. Dies geschah meist, um einen Lehrermangel auszugleichen. In dieser Unterrichtsform wurden die Klassen in kleine Gruppen aufgeteilt und ältere Schüler übernahmen die Beaufsichtigung und belehrten jüngere Schüler. Ähnliche Aufteilungen findet man auch an Jesuitengymnasien, in denen die Klassen in 10er Gruppen eingeteilt wurden. Auch hier übernahmen ältere Schüler Aufgaben des Lehrers. Im 18./19. Jahrhundert wurde Gruppenunterricht meist aus organisatorischen Gründen betrieben. Bell und Lancaster kombinierten in Großbritannien leistungsstärkere und leistungsschwächere Schüler, um ein Helferprinzip aus arbeitsökonomischen Gründen zu schaffen. Andere Gründe für Gruppenunterricht zeigte der Franziskaner P.G. Girard im gleichen Jahrhundert. Er versuchte durch die Vermischung von Kindern armer und reicher Eltern soziale Barrieren abzubauen. Gerade an kleinen Schulen mit hohen Schülerzahlen und wenigen Lehrern wurde diese Unterrichtsform in jahrgangsübergreifenden Klassen angewendet. Nur wenige Pädagogen berücksichtigten soziale Aspekte in der Gruppenarbeit, wie z.B. der schon erwähnte P.G. Girard.

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Leseprobe

5 Sichtweisen des Lernens


 

In dem vorangegangen Unterrichtsbeispiel geht der Lehrer überhaupt nicht auf die Bedürfnisse der Schüler ein. Da diese Methode dem Frontalunterricht zugeschrieben werden kann, lassen sich Rückschlüsse ziehen, auf welche Anschauung das Lernen innerhalb dieser Methode zurückgeht. Hierbei wird der Lernende als ein passives Wesen gesehen. „Erzieher und Lehrer können durch Manipulation der Verhaltenskonsequenzen (Belohnung und Bestrafung) erwünschtes Verhalten stärken und unerwünschtes Verhalten schwächen.“[22] Wie im Beispiel des Unterrichtsgesprächs, wo der Lehrer durch positive Impulse die Schüler zur Lösung zu führen versucht.

 

Die Kontrolle des Lernens liegt hierbei vollständig beim Lehrer. Er versucht seine Lösungsstrukturen und sein Wissen zu vermitteln und gesteht den Schülern keine eigenen Lösungsstrategien zu. Die Schüler werden dabei nur als Objekte angesehen, die Wissen aufnehmen können bzw. müssen. Man spricht vom sogenannten „Trichter-Prinzip“ (siehe Abb.6), denn „Lernen ist nichts anderes als die Übermittlung äußerlich existierenden Wissens an ein lernfähiges Individuum“[23] Diese Sichtweise des Lernens existiert schon sehr lange.

 

Die Frage ist aber: Genügt diese Annahme den heutigen Ansprüchen der Gesellschaft und Arbeitswelt?

 

5.1 Veränderungen des Unterrichts und des Lernbegriffs


 

Die Ansprüche an die heutige Ausbildung der Schüler haben sich sehr verändert und unterliegen auch weiterhin Veränderungen. Es werden Forderungen nach Qualifikationen wie Kooperationsbereitschaft, Flexibilität und eigenverantwortliches Handeln seitens der Wirtschafts- und Arbeitswelt gestellt. Dadurch entstehen die neue Anforderungen an Lehrende, Lernende und an die Unterrichtsmethoden:

 

Der Unterricht muss inhaltsbezogen gestaltet werden, sodass Schüler befähigt werden, relevante von irrelevanten Inhalten zu unterscheiden.

 

Diese Inhalte müssen erkannt werden und ein selbstständiges Arbeiten muss möglich sein.

 

Auch intensive Kooperation mit entsprechenden Kommunikationsmöglichkeiten müssen mit einbezogen werden.

 

Reflexionsphasen müssen als Förderung von gemeinsamen Lernprozessen anerkannt werden und einen festen Bestandteil im Unterricht bilden

 

Schüler müssen erkennen, dass neue Situationen und unbekannte Themen zur Förderung des Wissens und neuer Kompetenzen dienen.[24]

 

Unter den Voraussetzungen dieser Anforderungen an den Unterricht muss auch der Lernbegriff unter anderen Sichtweisen und Standpunkten gesehen werden. Wenn man probiert diese Anforderungen zu erfüllen, kann das Lernen nicht mehr als passives Geschehen gesehen werden. „Lernen ist nicht mehr passiv. Vielmehr handelt es sich um einen aktiven, konstruktiven, kumulativen und zielgerichteten Prozess.“[25] Unter diesen Gesichtpunkt muss das Lernen neue Aspekte beinhalten

 

Da der Lernende selbstständig handeln muss um Informationen zu verarbeiten ist das Lernen ein aktiver Prozess.

 

Da der Lernende neue Informationen mit vorhandenem Wissen in Beziehung setzt, ist das Lernen konstruktiv.

 

Da das Lernen auf Vorhandenem aufbaut und bereits Bekanntes zur Verständlichkeit herangezogen wird, ist das Lernen kumulativ.

 

Am erfolgreichsten ist das Lernen, wenn jemand auf etwas hinarbeitet, ein Ziel vor Augen hat oder ein bestimmtes Ergebnis erreichen will. Deshalb ist das Lernen als ein zielgerichteter Prozess anzusehen.[26]

 

Anhand dieser Aufgabe und Inhalte des Lernens erkennt man klar eine Diskrepanz zwischen dem momentanen Unterrichtsgeschehen und dem Unterricht, der gefordert wird. Es gibt also zwei völlig unterschiedliche Sichtweisen des Lernens. Frontalunterricht stützt sich auf den kognitivistischen Standpunkt, in Anlehnung an das Trichterprinzip. Die neuen Anforderungen des Lernens beinhalten dagegen die konstruktivistische Sichtweise.

 

5.2 Vergleich der kognitivistischen mit der konstruktivistischen Sichtweise des Lernens


 

Was diese beiden Sichtweisen für das Lernen und die Gestaltung der Lernumgebung bedeuten, kann man bei einem Vergleich gut darstellen. Bei der näheren Betrachtung der beiden Sichtweisen gehe ich von einer idealtypischen Einteilung aus, da diese Formen im Unterricht nicht in der Reinform auftreten.

 

Zentrale Idee des kognitivistischen Standpunkts ist die Vermittlung von Lerngegenständen und Wissensausschnitten. Erkenntnisse sollen im Ganzen erfasst und zu einem späteren Zeitpunkt möglichst genau wiedergegeben werden. Im Fokus steht somit die Frage „[…] wie die Instruktion optimiert werden kann, damit sich die Lernenden die Wissensinhalte zu eigen machen können.“[27] Dabei ist der Lehrende als Wissensvermittler anzusehen. Er erklärt, präsentiert und vermittelt die Inhalte, leitet die Lernenden an und überwacht und überprüft ihre Lernfortschritte. Somit wird den Lernenden bei dieser Ansicht nur eine passive Rolle zuteil. Bei der Evaluation des Lernerfolgs stehen eingesetzte Instruktionen im Vordergrund, welche zum Lernerfolg führen oder geführt haben.[28]

 

Im Gegensatz zu dieser Sichtweise steht der konstruktivistische Standpunkt. Die zentrale Idee ist das selbstständige Konstruieren des Wissens und der Lerninhalte. Eine Wiedergabe als genaues Abbild des Wissens ist gar nicht erst möglich. Die Inhalte, Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten werden flexibel auf verschiedene Probleme angewendet. Es werden nicht nur Problemlösefertigkeiten trainiert, sondern auch kognitive Strategien entwickelt. [29] Im Mittelpunkt steht die Annahme „[…] dass Lernen ein aktiv- konstruktiver Prozess ist, der immer in einem ganz spezifischen Kontext stattfindet.“[30] Dieser Prozess muss vom Lehrenden unterstützt werden. Das geschieht durch das Anregen, Beraten, Organisieren und Unterstützen der Lernenden durch den Lehrenden. Der Lernende gestaltet dabei seine Lernprozesse aktiv selbst. Dieser aneignende Prozess steht auch im Mittelpunkt der Bewertung. Es wird dabei viel Wert auf selbstständiges Reflektieren gelegt, so dass sinnvolle Fehlerkorrekturen und Verbesserungen jederzeit möglich sind.[31]

 

Den beiden Standpunkten liegt auch eine unterschiedliche Meinung über Lerngegenstände. In der kognitionstheoretischen Grundordnung werden die zu erfassenden Situationen und Lerngegenstände für den Lernenden vorgegeben und so vorstrukturiert, dass sie leicht zu erfassen sind. Dadurch kann das Wissen in instruktionsbezogenen Prüfungen abgefragt werden. Allerdings treten bei nichtkontextgebundenen Aufgabenstellungen Transferprobleme auf.

 

Der entgegengesetzte Standpunkt betrachtet die Lerngegenstände aus einem anderen Blickwinkel. „Die konstruktivistische Grundordnung geht davon aus, dass das Individuum Situationen, denen es sich ausgesetzt sieht, im Sinne einer bedeutungstragenden Gestalt strukturiert. Es gestaltet die Situation in Wahrnehmung und Handeln mit.“[32] Das bedeutet der Lerner konstruiert den Lerngegenstand selbst mit. Dabei erhält der Lernenden eine aktive Rolle.

 

Der Lehrende fungiert somit als Lehrberater und übernimmt Organisations- und Beratungsaufgaben. Allerdings dürfen in zielgerichtetem, kompetenzförderndem Unterricht Aufgabentypen, die der kognitivistischen Sichtweise entsprechen, nicht vernachlässigt werden. Deshalb sollte der Lehrende „[…] als Fachexperte den Lernenden eine Orientierung […] bieten, etwa in Form von Advance Organizern (Überblick über den fachlogischen Zusammenhang des vermittelnden Wissensgebiet), Hilfestellungen und Feedback.“[33] Es soll also ein Konsens beider Ansichten gefunden werden, der die Vor- und Nachteile der jeweiligen Theorie in Bezug auf die bestmögliche Förderung von Schülern beinhaltet. Das bedeutet, dass beide Standpunkte im Unterricht ihre Berechtigung haben, denn beide Sichtweisen und die dazugehörigen Methoden können Wissen vermitteln.

 

Es ist aber zu klären, ob die kognitivistische Sichtweise den Anforderungen der Arbeitswelt genügt. Dies ist klar mit einem „Nein“ zu beantworten. Denn Wissen, welches in einer rein passiven Lernumgebung vermittelt wird, kann nur separat wiedergegeben werden, und dient somit nicht als Grundlage für neues Wissen. Auch die Anwendung auf neue, komplexe Sachverhalte ist sehr schwierig. Ebenso können die gewünschten Kompetenzen nicht vermittelt werden, da die Schüler häufig nicht eigenständig mit Personen und Sachinhalten agieren.

 

Gerade im Hinblick auf die Forderungen hat die konstruktivistische Anschauung an Bedeutung gewonnen, insbesondere da auf Seiten der Wirtschaft und Gesellschaft die Forderungen nach überfachlichen Kompetenzen...

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