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Gut leben mit einem autistischen Kind (Fachratgeber Klett-Cotta)

Das Resilienz-Buch für Mütter

AutorChristine Preißmann
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783608107869
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Mütter mit einem autistischen Kind berichten offen und persönlich über die speziellen Herausforderungen für die Familie und sie selbst. Was gibt Kraft und Mut? Wie können Krisensituationen besser gemeistert werden? Mit vielen Anregungen und Tipps zur Stärkung der eigenen Resilienz und Widerstandskraft. Ein autistisches Kind bringt Familien immer wieder an ihre Belastungsgrenzen. Fast immer sind es die Mütter, die sich neben Arbeit, Haushalt und Geschwisterkindern auch um Arztbesuche, Therapie und Förderung kümmern. Sie sind die ersten AnsprechpartnerInnen bei den häufig eingehenden Klagen und Beschwerden seitens der Schule und der Umwelt. Das Buch hilft Müttern dabei, - zu lernen: Was gibt anderen betroffenen Müttern Halt und Kraft? - zu einem individuell für sie passenden resilienten Lebenskonzept zu finden - die Empfehlungen von Autismus-Experten auf ihre Situation zu übertragen. Mütter brauchen Unterstützung,damit Familien mit einem autistischen Kind funktionsfähig bleiben. Dieses Buch richtet sich an: - Mütter von Menschen mit Autismus - Alle Interessierten >> Hier können sie sich den Kurzvortrag von Dr. Christine Preißmann bei der Autismus-Anhörung im Landtag Baden-Württemberg anhören. >>Hier finden sie die Broschüre »Autismus in Bilder«

<p>Christine Preißmann, Dr. med., Fachärztin für Allgemeinmedizin, Notfallmedizin, Psychotherapie, ist als Ärztin in der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Heppenheim tätig; seit 2018 bietet sie dort eine »Autismus-Sprechstunde« an. Publikationen, Vorträge, Seminare und Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Autismus und Asperger-Syndrom.</p>

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Leseprobe

1 Resilienz – Mit Krisen kreativ umgehen, Belastungen als Chancen nutzen


Resilienz bezeichnet die innere Stärke eines Menschen, Konflikte, Misserfolge, Niederlagen, Lebenskrisen und persönliche Schicksale zu meistern. Sie ist eine Art seelische Widerstandsfähigkeit oder Unverwüstlichkeit, gewissermaßen das »Immunsystem der Seele«.

Für Mütter autistischer Kinder hält das Leben eine Fülle von Herausforderungen bereit, die es zu meistern gilt, und vielen gelingt es, diese Situationen als Herausforderungen anzunehmen, sich ihnen zu stellen und oftmals sogar gestärkt daraus hervorzugehen. Ein Stehaufmännchen kann als Sinnbild dafür gelten, denn diese Spielzeugfigur besitzt die Fähigkeit, ihre aufrechte Haltung aus jeder beliebigen Lage wieder einzunehmen. Was immer ihm widerfährt, es bleibt nicht am Boden liegen, sondern steht rasch wieder aufrecht da.

Resilienz ist nicht angeboren, sondern wird im Laufe der Entwicklung erlernt. Aber auch im späteren Leben sind Resilienz und psychische Belastbarkeit trainierbar. In diesem Kapitel wird daher ein Einblick gegeben in die aktuelle Resilienzforschung. Es werden Faktoren dargestellt, die in der Kindheit hilfreich sind, aber auch solche, die in jedem Lebensalter die seelische Widerstandsfähigkeit stärken und uns helfen, belastbarer zu werden.

Einführung


Ein autistisches Kind zu haben, ist für Eltern auch heute nicht leicht. Trotz aller Kenntnisse und Fortschritte stellt ein Kind, das sich zu sehr von den Alterskameraden unterscheidet, nach wie vor eine große Herausforderung dar. Vor allem die betroffenen Mütter sind zahlreichen Anforderungen hinsichtlich Haushalt, Partnerschaft, Erziehung und oft auch eigener Berufstätigkeit ausgesetzt, die sie in aller Regel deutlich überfordern. Auch gilt es, schwierige und unverständliche Verhaltensweisen des Kindes gegenüber anderen Menschen zu erklären, für Toleranz und Verständnis zu werben und so quasi als Vermittler zwischen der autistischen Welt und der Umgebung aufzutreten.

Für fast alle von ihnen war es natürlich kein primärer Wunsch, ein behindertes Kind zu haben. Viele der eigentlich erwarteten schönen Momente bleiben aus. Es ist schwer, wenn Zärtlichkeiten und Emotionen nicht erwidert werden, wenn das Kind sich vielleicht gar nicht für die Eltern zu interessieren scheint und häufig vor allem dann entspannt und glücklich wirkt, wenn es sich abseits von anderen Menschen allein beschäftigen kann. Vorgestellt aber hatte man sich ein Leben mit einem charmanten Kind, das seine Eltern mit Stolz erfüllt und das man gern der Umgebung zeigt.

Die Resilienzforschung beschäftigt sich damit, wie es gelingen kann, trotz aller Schwierigkeiten nicht zu verzweifeln, sondern aufgrund der individuellen Kompetenz auf psychosoziale Anforderungen, schwerwiegende Lebensverhältnisse oder stark belastende zwischenmenschliche Krisen sich selbst schützend zu reagieren. Es ist wichtig, eine Lebenseinstellung zu erlangen, die den Blick auch in widrigen Situationen zuverlässig nach vorn lenkt, eine Haltung, die auf Gelassenheit und Selbstsicherheit beruht. Das Ziel ist dabei nicht unbedingt, alle Krisen des Lebens umgehen zu können, sondern vielmehr auch in diesen Momenten handlungsfähig zu bleiben und in einer angemessenen Zeit auch schwere Belastungen oder Traumatisierungen zu bewältigen, längerfristig Krisen als Chancen wertzuschätzen und gestärkt aus ihnen herauszugehen.

Resilienz


Verglichen mit früheren Zeiten, ist das Leben heute für viele Menschen härter und schwieriger geworden. Im Berufsalltag wird immer mehr Leistung in immer kürzerer Zeit verlangt, werden die Ansprüche an Flexibilität, Sorgfalt, Effizienz und Professionalität immer höher. Aber auch in Freizeit, Partnerschaft und Familie warten immer neue Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Dass Faulsein und Langeweile Kreativität begünstigen und neue Kraft schenken, wird meist ignoriert. Ein hohes Ansehen erlangen dagegen Menschen, die parallel in Beruf, Partnerschaft und spektakulären Hobbys Erfolge vorweisen können.

Oft aber bedeutet das eine immense Überforderung, die sich durch psychische und / oder körperliche Symptome bemerkbar machen kann. Das ist meist ein schleichender Prozess, den man anfangs gar nicht so recht bemerkt und der sich auf verschiedene Menschen ganz unterschiedlich auswirkt. Häufige Symptome sind Kopf- und Rückenschmerzen, Konzentrationsstörungen, Verdauungsprobleme, Herzrasen, Unruhe und Schlafstörungen, man fühlt sich immer mehr unter Druck und hat schließlich das Gefühl, die Anforderungen nicht mehr bewältigen zu können. Es kann zum »Burn-out« kommen, der sich im Grunde nicht wesentlich von einer schweren Depression unterscheidet.

In solchen Fällen ist es also gut, so etwas wie »Hornhaut auf der Seele« zu haben, und es gibt Menschen, die auch durch größten Stress und schwierigste Erlebnisse kaum zu erschüttern sind. Diese Fähigkeit bezeichnet man als Resilienz, und mit diesem Phänomen beschäftigen sich die Forscher erst seit den 1990er-Jahren. Während sie sich zuvor ausschließlich damit befasst haben, welche Faktoren ungünstig sind und krank machen, erkunden sie nun immer mehr, auf welche Weise lebenstüchtige Menschen durch die Krisen ihres Lebens gelangen, welche Strategien sie dabei anwenden und welche Ressourcen sie dafür bereithalten.

Resilienz ist keine unveränderliche Eigenschaft. Das angeborene »Stehaufmännchen-Gen« ist eher die Ausnahme, viel häufiger bilden Menschen erst im Laufe ihres Lebens diese innere Festigkeit aus, indem sie die Höhen und Tiefen ihres Daseins meistern. Widerstände und Prüfungen zwingen sie, alle verfügbaren Ressourcen und Potentiale zu aktivieren und an ihren Aufgaben zu wachsen (Wellensiek u. Galuska 2014, 60). Und obwohl die Fundamente bereits in der Kindheit gelegt werden, lässt sie sich mit den richtigen Strategien dann, wenn keine günstigen Voraussetzungen dafür vorhanden waren, auch später noch ein Leben lang weiterentwickeln und stärken.

Entwickelt wurde das Resilienzkonzept aufgrund einer Langzeitstudie von Emmy Werner, einer amerikanischen Entwicklungspsychologin. Sie beobachtete über 700 Kinder, die 1955 auf der Hawaii-Insel Kauai geboren wurden und in ganz unterschiedlichen Verhältnissen aufwuchsen, von Kindheit an über vierzig Jahre hinweg (Werner 1971 und 1992). Werner bemerkte: Auch wenn die Startbedingungen noch so schlecht sind, gelingt es manchen Menschen, ihr Leben zu meistern, und sie konnte einige Faktoren definieren, die die Kinder bzw. Erwachsenen, die sie als »resilient« bezeichnete, von den übrigen unterschied. Dabei handelte es sich um spezifische Persönlichkeitsmerkmale und um schützende Faktoren innerhalb der Familie bzw. Gemeinde.

Zu diesen Schutzfaktoren zählte Werner

  • ein positives Temperament
  • Kommunikations- und Problemlösefähigkeit
  • Selbstvertrauen
  • Zukunftsorientierung
  • die Fähigkeit zum Planen
  • die Position als Erstgeborenes in der Familie
  • ein kompetentes Verhalten der Mutter
  • die Verfügbarkeit einer engen Bezugsperson (Familienangehörige, Lehrer, Pfarrer o. ä.), die Sicherheit und Zuverlässigkeit vermittelte und die Kinder bei allem, was sie taten, unterstützte
  • und die Erfahrung von Akzeptanz und Respekt.

Praktische Anwendung


Ausgehend von der Resilienzforschung bei Kindern fand das Thema schließlich auch in die Erwachsenenpsychologie Eingang (Kasper 2008). Neben spezifischen Maßnahmen für einzelne Risikogruppen wurden in jüngerer Zeit aber auch Programme konzipiert, die der Steigerung der Resilienz breiterer Teile der Bevölkerung dienen sollen. Ein Beispiel dafür ist die in ihren Dimensionen bislang einzigartige Kampagne zur Resilienzförderung in Amerika nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Man hatte anhand von Befragungen ermittelt, dass bei den meisten Menschen eine permanente Angst vor weiteren Anschlägen bestand. Das Ziel der Maßnahme bestand nun darin, ihnen aufzuzeigen, wie man konstruktiv mit Gefühlen der Bedrohung und der Unsicherheit umgehen und adäquate Strategien in der Konfrontation mit chronischem Stress erwerben kann (Newman 2005). Die Resilienz ist also ein wichtiges Thema nicht nur für Menschen mit psychischen Erkrankungen oder lebensgeschichtlichen Risikokonstellationen geworden, und sie gewinnt auch in der Erwachsenenbildung und im Hinblick auf Organisationsentwicklung immer mehr an Bedeutung.

Resilienzfaktoren


Der Umgang mit Schicksalsschlägen ist sehr individuell, und es ist auch nicht unerheblich, welches Unglück welche Person heimsucht. Ein Mensch, der nach dem plötzlichen Verlust eines nahen Angehörigen wieder neuen Lebensmut schöpft, muss nicht unbedingt in der Lage sein, auch eigene schwere Erkrankungen oder berufliche Misserfolge gut zu verarbeiten. Trotz aller Individualität aber ist es möglich, Faktoren aufzuzählen, die eine starke Seele ausmachen und die Menschen dabei helfen, möglichst gut durchs Leben zu kommen. Sie sollen zunächst allgemein und in einem späteren Kapitel speziell im Hinblick auf Mütter von Menschen mit Autismus und auf die Betroffenen selbst beschrieben und erläutert werden.

Krisen als Chancen begreifen

Wichtig ist vor allem die Bereitschaft, sich den alltäglichen Herausforderungen zu stellen, statt sich vor ihnen zu drücken. Die Erfahrung, Krisen bewältigen und schwierige Aufgaben meistern zu können, gehört nämlich zu den wichtigsten Voraussetzungen für Resilienz....

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