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Haftungsprobleme im multimodalen See-Straßenverkehr

AutorRobert Pfeiffer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2003
Seitenanzahl122 Seiten
ISBN9783638170208
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht, Note: 1, Karl-Franzens-Universität Graz (Institut für Handelsrecht), Sprache: Deutsch, Abstract: Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Darstellung des Haftungsrechts der multimodalen Transportverträge (ds Transportverträge, die eine Güterbeförderung mittels einer Mehrzahl von Transportarten mit unterschiedlichen Haftungsregimes zum Inhalt haben). Seit 1966 die ersten Containerschiffe die Transatlantikroute befuhren und die Dauer eines Warentransports USA - Europa um vier Wochen verkürzten, hat sich eine Entwicklung vollzogen, die den multimodalen Transport von einer wirtschaftlichen und rechtlichen Randerscheinung zu einem Zweig der Verkehrswirtschaft von überragender und ständig zunehmender Bedeutung gemacht hat. Während operative Faktoren kausal für die Herausbildung von Transportketten mit mehreren Transportmitteln waren, führte der starke Wettbewerb in der Transportwirtschaft zu einer Änderung der vertraglichen Beziehungen. Früher wurden meist über Vermittlung eines Spediteurs separate Frachtverträge im sog segmentierten Verkehr abgeschlossen. Nunmehr ist - entsprechend dem Interesse der verladenden Wirtschaft - der Transportunternehmer seinem Kunden gegenüber für die Organisation und Abwicklung der gesamten Beförderung verantwortlich. Die haftungsrechtliche Problematik multimodaler Transportverträge hat mE zwei Ursachen: 1. Der multimodale Transport ist weder durch ein internationales Übereinkommen noch durch Normen der österreichischen Rechtsordnung geregelt. Die getrennte Entwicklung der Regelungen für die einzelnen Transportmittel führte zu einer großen Zersplitterung des Transportrechts. Aufgrund des internationalen Charakters großer Teile des Frachtrechts und den damit verbundenen völkerrechtlichen Verpflichtungen kommt eine innerstaatliche Lösung kaum in Betracht und eine Lösung durch ein internationales Übereinkommen scheint nach dem Scheitern des im Rahmen der UNCTAD 1980 verabschiedeten Übereinkommens unwahrscheinlich. 2. Multimodale Transportverträge werfen spezielle Fragen des internationalen Privat- und Zivilprozessrechts auf. Die Rechtsanwendungsfrage kann sich verdoppeln: Kommt nach dem Recht des Vertrages das sog Network-System zur Anwendung, stellt sich die kollisionsrechtliche Frage zwei Mal. Diese 'Verdoppelung' ist methodisch einzigartig. Die Folgen sind unklar und strittig. Weiters enthalten die meisten internationalen Transportrechtskonventionen Regeln über die internationale Gerichtszuständigkeit. Das Zusammentreffen mehrerer Konventionen wirft ebenfalls spezielle Fragen auf.

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Leseprobe

Einleitung


 

Seit 1966 die ersten Containerschiffe die Transatlantikroute befuhren und die Dauer eines Warentransports USA – Europa um vier Wochen verkürzten[6], hat sich eine Entwicklung vollzogen, die den multimodalen Transport (im folgenden MT) von einer wirtschaftlichen und rechtlichen Randerscheinung[7] zu einem Zweig der Verkehrswirtschaft von überragender und ständig zunehmender Bedeutung gemacht hat.[8]

 

Für die vorliegende Arbeit sind Transportverträge dann multimodal, wenn die vertragsgegenständliche Güterbeförderung durch eine Mehrzahl von Transportarten auszuführen ist, die unterschiedlichen Haftungsregimes unterliegen. Eine ausführliche Betrachtung des Begriffs folgt in Kap 1.A.

 

Als Multimodal Transport Operator (im folgenden MTO) wird im internationalen Sprachgebrauch der Auftragnehmer des MT-Vertrags bezeichnet. Aus der Definition des MT ist ersichtlich, dass der Vertragsgegenstand eine Güterbeförderung und nicht nur die Organisation einer solchen ist. Der MTO wird also als (vertraglicher, nicht unbedingt als ausführender) Beförderer tätig. Die Frage seiner Einordnung in die österreichische Rechtsordnung behandelt Kap 2.

 

Kausalität der transporttechnischen Entwicklungen und des intensiven Wettbewerbs in der Transportwirtschaft für die heutige Bedeutung des MT-Vertrags

 

Die Container-Revolution

 

Die technischen Entwicklungen der letzten 35 Jahre in der Transportwirtschaft waren im wesentlichen durch die Container-Revolution[9] gekennzeichnet.[10] Sie ermöglichte es, unifizierte Ladungen von einem Transportmittel auf ein anderes fließbandartig zu übergeben.[11] Der Containerverkehr ist wirtschaftlich die mit Abstand wichtigste Erscheinungsform des MT.

 

60% des wertmäßigen Welthandelsvolumens werden im Containerverkehr abgewickelt.[12] Dazu kommt, dass sich dieses wertmäßige Welthandelsvolumen zu einem bedeutenden Teil aus dem Handel mit nicht containerisierbaren Gütern zusammensetzt (insbesondere Massengut[13]).[14] Zieht man diesen Teil des Welthandels ab, gelangt man zu einem geschätzten Containerisierungsgrad von 90%.[15]

 

Im Jahr 2000 wurden insgesamt rund 200 Millionen TEU[16] mit 2.500 Containerschiffen[17] und unzähligen LKW, Eisenbahnwaggons, Binnenschiffen und – zu einem geringeren Grad – auch Flugzeugen befördert.[18] Die Steigerungsraten zwischen 1985 und 2000 betrugen etwa 9% jährlich.[19] 2001 konnten allerdings konjunkturbedingt nur geringe Steigerungsraten erzielt werden.[20]

 

Mit dem weltweiten Containerbestand könnte jedenfalls eine Wand aus je zwei übereinander gestapelten Containern errichtet werden, die die Erde in zwei gleich große Hälften teilte.[21]

 

ITU- und RoRo-Verkehr

 

Neben dem Containerverkehr gibt es andere Formen des MT, deren Bedeutung ebenfalls im Zeitraum seit Beginn der Container-Revolution gestiegen ist.

 

Der Container ist nicht die einzige Ladungseinheit, die von unterschiedlichen Transportmitteln befördert werden kann. Insbesondere verfügen über diese Eigenschaften auch Wechselaufbauten, Sattelschlepper, Paletten[22] und im LASH-Verkehr[23] eingesetzte sog Leichter. Letztere sind unbemannte, nicht motorisierte Wasserfahrzeuge, die im Hinterland beladen werden und in Schubverbänden über Binnenschiffahrtsstraßen zur See verbracht werden, wo sie mit verschiedenen Mitteln speziell ausgerüsteter Seeschiffe an Bord genommen werden.[24] Alle diese Ladungseinheiten inklusive des Containers werden unter dem Begriff Intermodal Transport Units (ITU) zusammengefasst.[25]

 

Neben dem ITU-Verkehr sind va die sog RoRo-Transporte[26] bedeutende Erscheinungsformen des MT. RoRo-Trägerfahrzeuge befördern dabei auf einer Teilstrecke des Transports andere Fahrzeuge mitsamt deren Ladung. Praktisch bedeutsam ist der Transport von Eisenbahnwaggons und Straßenfahrzeugen in RoRo-Schiffen sowie der Transport von Straßenfahrzeugen in speziell ausgerüsteten Niederflur-Eisenbahnwaggons[27].

 

Auswirkungen dieser neuen Transporttechniken

 

Der bedeutendste Vorteil des ITU- und RoRo-Verkehrs ist die Vereinfachung und dramatische Beschleunigung des Güterumschlags. Während heute im konventionellen Stückgutverkehr eine Umschlagsleistung von 50 – 60 Tonnen pro Schiffsliegeplatz und Stunde erreichbar ist[28], arbeiten moderne Container Terminals wie zB im Containerhafen Singapur durchschnittlich mit knapp der 30-fachen Geschwindigkeit.[29] Der Weltrekord, aufgestellt von einem der Singapur-Terminals, beträgt 229 TEU pro Stunde.[30] Die Bedeutung dieser Zahlen für die Effizienz des Transports wird ersichtlich, wenn man bedenkt, dass vor der Container-Revolution der Entlade- und Beladevorgang eines typischen Stückgutfrachters, der etwa 11.000 Tonnen Frachtgut befördern konnte, rund vier Wochen in Anspruch nahm,[31] während der Umschlag der gleichen Waren in modernen Containerhäfen in etwa 12 Stunden erledigt wäre.[32]

 

Zu einer weiteren Verkürzung der Transportdauer kommt es im Containerverkehr durch eine beschleunigte Zollabfertigung.[33]

 

Ähnliches gilt für den RoRo-Verkehr. RoRo-Schiffe bieten im Vergleich zum konventionellen Stückgutverkehr achtfach höhere Umschlagsleistungen.[34]

 

Im Ergebnis haben diese Transporttechniken zu einer drastischen Reduktion der Kosten und der Transportdauer von Beförderungen unter Einsatz mehrerer Transportmittel geführt. Dadurch wurde der Überseehandel, für den es – abgesehen von teuren Luftbeförderungen – der Kombination verschiedenartiger Transportmittel bedarf, erst in dem heute gekannten Ausmaß wirtschaftlich rentabel. Der heute erreichte hohe Grad an internationaler Arbeitsteilung wäre ohne diese neuen Transporttechniken mE nicht möglich. Dies belegen die hohen Zuwachsraten des Welthandelsvolumens und – noch aussagekräftiger – des weltweiten Überseehandelsvolumens in den Jahren seit der Container-Revolution. In absoluten Zahlen stieg letzteres von rund 1,7 Mrd Tonnen im Jahre 1965 auf rund 5,4 Mrd Tonnen im Jahre 2000.[35] Damit werden die Zuwachsraten der weltweiten Produktion (also sozusagen des globalen Bruttoinlandsprodukts) bei weitem übertroffen.

 

Daneben haben die verbesserten Umschlagsleistungen dazu geführt, dass auch bei Nicht-Übersee-Beförderungen bzw beim Vor- und Nachlauf der Überseebeförderungen der Einsatz einer Mehrzahl an Transportmittel günstiger sein kann. Diese Entwicklung wird seitens der österreichischen Regierung und der EU gefördert, um durch die Nutzung der Kapazitäten der Schienen- und Binnenschiffahrtswege die Straßen zu entlasten.[36] Die Entlastung der Straßen ist zwar keineswegs gelungen[37], aber die  Beförderungsleistung des begleiteten und unbegleiteten RoRo-Transports Straße-Schiene ist kontinuierlich gestiegen.[38]

 

Veränderte Vertragsgestaltung

 

Während die dargestellten Vorteile des ITU- und RoRo-Verkehrs kausal für die Herausbildung von Transportketten mit mehreren Transportmittel sind, führten weitere  Veränderungen in der Transportwirtschaft zu einer Änderung der vertraglichen Beziehungen zwischen dem Spediteur bzw Beförderer und dem Absender. Vor der Container-Revolution wurden üblicherweise über Vermittlung eines Spediteurs einzelne Frachtverträge mit den ausführenden Frachtführern abgeschlossen (sog segmentierter Verkehr[39]).[40] Das Interesse der verladenden Wirtschaft ist hingegen auf Verträge gerichtet, bei denen der Transportunternehmer seinem Kunden gegenüber für die Organisation und Abwicklung der gesamten Beförderung verantwortlich ist. Die Frachtraten sollen wegen der Einfachheit auf Fixkosten basieren.[41]

 

Im Schadensfall kann aufgrund des einheitlichen Vertrags dann ein im Inland ansässiger, einschätzbarer Schuldner in Anspruch genommen werden. Sofern diese Verträge österreichischem Recht unterliegen, kommt es aufgrund der üblichen Bestimmung der Frachtrate nach Fixkosten zur Anwendung von Frachtrecht.[42] Die Vertragspflicht erstreckt sich also auf die Durchführung der Beförderung. Der Auftragnehmer wird zum MTO.

 

Der Wunsch der verladenden Wirtschaft hat sich erfüllt.[43] ME waren insbesondere zwei Gründe dafür maßgeblich:

 

1. Unter den Container-Reedereien tobt ein Verdrängungswettbewerb. Die Steigerungsraten der Beförderungskapazitäten sind noch weitaus höher als die Steigerungsraten der Nachfrage.[44] Obwohl die Reedereien sehr effizient arbeiten, sind sie nur wenig profitabel.[45] Die Frachtraten sind seit vielen...

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