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Handbuch der Wirtschaftssoziologie

AutorAndrea Maurer
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl462 Seiten
ISBN9783531909059
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Das Handbuch der Wirtschaftssoziologie vermittelt soziologische Zugangsweisen zur Wirtschaft und demonstriert die Leistungskraft soziologischer Erklärungen und Analysen wirtschaftlicher Beziehungen, Institutionen und Strukturen. Im deutschen Sprachraum hat trotz der Tradition sozio-ökonomischer Analysen und des wieder erwachten Interesses der Soziologie an wirtschaftlichen Phänomenen eine umfassende Übersicht über das Forschungsfeld bislang gefehlt. Das Handbuch der Wirtschaftssoziologie schließt diese Lücke und präsentiert einen fundierten Überblick über die klassischen Grundlagen, die gegenwärtige Theorieangebote und aktuelle Studien.

Dr. Andrea Maurer ist Professorin für Organisationssoziologie an der Universität der Bundeswehr in München.

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Leseprobe
Perspektiven der Wirtschaftssoziologie. (S. 11)

Von versunkenen Schätzen, Entdeckern und neuen Kontinenten

Andrea Maurer

In der Soziologie waren wirtschaftliches Handeln ebenso wie Wirtschaftsinstitutionen und -strukturen über lange Zeit kein Thema. Eine Wirtschaftssoziologie war kaum oder doch nur schemenhaft zu erkennen und führte trotz einiger wichtiger Einzelarbeiten ein Schattendasein. Und das, obwohl die Begründer der modernen Soziologie Emile Durkheim und Max Weber das Verhältnis von Wirtschaft und Gesellschaft von Anfang an thematisiert und problematisiert haben.

Sie waren als Zeitzeugen des Siegeszugs des modernen Kapitalismus und in der Nachfolge der Gesellschaftslehren des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts, in denen noch nicht systematisch zwischen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Handlungsfeldern unterschieden worden war, offen für den Zusammenhang von Wirtschaft und Gesellschaft. Den Arbeiten von Adam Smith und Karl Marx kommt dafür eine besondere Bedeutung zu, sie dürfen nach wie vor als wichtige Grundlage einer Soziologie gelten, die sich mit Wirtschaft auseinandersetzt.

Max Weber, von vielen rezipiert als der Klassiker der Wirtschaftssoziologie, hat in kritischer Abgrenzung von Marx und der nach-klassischen Ökonomie für eine Sozial-Ökonomik plädiert, die soziale und ökonomische Faktoren zusammenführt. Dafür steht in erster Linie seine bahnbrechende Rekonstruktion der sozial-kulturellen wie sozial-strukturellen Grundlagen des modernen rationalen Unternehmens-Kapitalismus. Zusehends gerät aber auch die von ihm vertretene handlungsorientierte Erklärungsweise ins Blickfeld der Forschung. Diese Perspektive schlägt vor, auch wirtschaftliche Strukturen wie den modernen rationalen Kapitalismus, rational organisierte Unternehmen oder Massengütermärkte ausgehend vom intentionalen Handeln der Akteure zu erklären und dafür auf soziale, politische und wirtschaftliche Institutionen und Ordnungen zu rekurrieren.

Emile Durkheim indes hat die schon von Adam Smith diskutierte Arbeitsteilung in den soziologischen Blick genommen, wobei er gerade nicht deren effizienzförderliche Wirkung, sondern ihre sozial-integrativen Folgen in modernen Gesellschaften und deren soziale Basis hervorgehoben hat. Ebenso haben Georg Simmel, der in seiner Philosophie des Geldes den Konsum- und Lebensstil moderner Gesellschaften behandelt hat, Talcott Parsons, der Wirtschaft als funktionales Teilsystem der Gesellschaft definiert hat, oder Norbert Elias, der die Entwicklung der Haushaltsführung im französischen Absolutismus als Teil des Zivilisationsprozesses herausgestellt hat, wichtige Grundlagen für die Bearbeitung wirtschaftlichen Handelns und wirtschaftlicher Strukturen gelegt.

Dieser versunkene Schatz birgt ein großes Theorie- und Analysepotenzial, das sich für die neu etablierende Wirtschaftssoziologie zu heben und zu entwickeln lohnt. Die Soziologie hat sich in Deutschland Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts als eigenständige Disziplin institutionalisiert und in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (nicht zuletzt in Abgrenzung zum Verein für Socialpolitik, der wissenschaftlichen Organisation der Nationalökonomie) organisiert.

Ihre weitere Entwicklung wurde allgemein gehemmt durch die großen welthistorischen Erschütterungen des zwanzigsten Jahrhunderts, insbesondere durch den Aderlass im Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg. In der Nachkriegssoziologie dominierten normative Ordnungskonzeptionen, die empirische Sozialforschung aus den USA trat ihren Siegeszug an, und es ergab sich die nach wie vor bestehende Ausdifferenzierung in die vielen sogenannten Bindestrich-Soziologien.

In Deutschland fiel der Gegenstand ‚Wirtschaft’ vor allem in das Tätigkeitsfeld der an neo-marxistischen Ansätzen orientierten Arbeits-, Betriebs- und Industriesoziologie (die hierzulande, im Unterschied zu den USA, nach wie vor Gewicht hat) und späterhin auch in die Organisationssoziologie (die über den Umweg USA zurückkam als kritische Rezeption von Rationalitätskonzepten à la Weber).
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis6
Vorwort10
Perspektiven der Wirtschaftssoziologie.12
Von versunkenen Schätzen, Entdeckern und neuen Kontinenten12
A Klassische Grundlagen18
Klassische Positionen der Ökonomie und Soziologie und ihre Bedeutung für die Wirtschaftssoziologie20
1 Die wirtschaftlichen Grundlagen der modernen Gesellschaft in klassischen Ansätzen20
2 Die neoklassische Wirtschaftstheorie und die Arbeitsteilung zwischen Ökonomie und Soziologie24
3 Die individualistische Sozialtheorie von Menger bis Mises und Hayek27
4 Wirtschaftssoziologie in historisch-kulturwissenschaftlicher Tradition30
5 Wirtschaft als Mittel für soziale Ziele: Wirtschaftssoziologie in sozialistischen Konzepten34
6 Parsons’ begriffssystematische Integration von Wirtschaft und Gesellschaft35
7 Wirtschaftssoziologische Ansätze der Gegenwart zwischen Ökonomie und Soziologie37
8 Resümee40
Literatur40
Die Neue Wirtschaftssoziologie und das Erbe Max Webers46
1 Die Neue Wirtschaftssoziologie Mitte der 1980er Jahre47
2 Neue Entwicklungen51
3 Abschließende Bemerkungen58
Literatur58
Institutionalismus und Wirtschaftssoziologie63
1 Alte Fragen – neue Antworten?63
2 Was will und was kann die Wirtschaftssoziologie?65
3 Neuer Institutionalismus: Hintergrund, Programme und Analysen71
4 Wirtschaftssoziologie aus institutionentheoretischer Perspektive?80
Literatur82
B Theoretische Zugänge87
Individuelle Entscheidungsrationalität und soziale Einbettung.88
Zum Verhältnis von Ökonomie und Wirtschaftssoziologie88
1 Problemstellung88
2 Logik und Reichweite eines entscheidungstheoretisch fundierten Erklärungsprogramms89
3 Das ökonomische Erklärungsprogramm93
4 Das Erklärungsprogramm der Wirtschaftssoziologie97
5 Fazit und Ausblick102
Literatur105
Wirtschaft als funktionales Teilsystem110
1 Die Klassiker110
2 Der methodologische Rahmen113
3 Anwendungsfelder115
4 Stärken und Schwächen118
5 Perspektiven119
Literatur121
Wirtschaft und Gesellschaft: neomarxistische Theorieansätze125
1 Einleitung125
2 Regulationstheorie127
3 Dependenztheorie und Weltsystemtheorie132
4 Klassentheorien135
5 Labour Process Debate139
6 Resümee: Theorie der Ausdifferenzierung des Wirtschaftssystems143
Literatur146
Wirtschaft als Gemeinschaft: die kommunitaristische Wirtschaftsethik153
1 Klassiker153
2 Sozioökonomik als moralische Dimension der Wirtschaft154
3 Anwendungsfelder und wichtige Studien158
4 Entwicklungslinien und Perspektiven160
Literatur160
Wirtschaft und wirtschaftliches Handeln als Ökonomie der Praxis162
1 Problemstellung162
2 Bourdieus Kritik klassischer Positionen163
3 Sozialtheorie als Ökonomie der Praxisformen165
4 Anwendungsfelder172
5 Kritische Würdigung177
6 Perspektiven der Ökonomie der Praxis179
Literatur181
Netzwerkperspektiven in der Wirtschaftssoziologie186
1 Einleitung186
2 Netzwerkanalyse und Netzwerke als Handlungsform187
3 Programm der Netzwerkperspektive in der Wirtschaftssoziologie192
4 Anwendungsfelder196
5 Bewertung der Netzwerkperspektive in der Wirtschaftssoziologie198
6 Perspektive für die Netzwerkperspektive in der Wirtschaftssoziologie198
Literatur200
Wirtschaft und Wirtschaftstheorie de-konstruiert208
1 Einleitung208
2 Klassische Vorläufer einer Dekonstruktion der Ökonomie: Marcel Mauss und Georges Bataille208
3 Die methodische Perspektive der Dekonstruktion der Ökonomie211
4 Aktuelle Dekonstruktionen der ökonomischen Theorie: Jean Baudrillard und Jacques Derrida214
5 Potentiale und Grenzen einer Dekonstruktion der Wirtschaft und der Wirtschaftstheorie218
6 Perspektiven der dekonstruktivistischen Programmatik220
Literatur221
C Kerninstitutionen des modernen Wirtschaftssystems224
Märkte226
1 Märkte: eine soziale Struktur zum Tausch von Gütern und Leistungen226
2 Die Geschichte von Märkten228
3 Markttheorien230
4 Märkte in der klassischen Soziologie233
5 Die neue Marktsoziologie235
6 Schluss242
Literatur243
Unternehmen248
1 Einleitung248
2 Die Formalstruktur von Unternehmen249
3 Die informelle Struktur von Unternehmen257
4 Fazit264
Literatur265
Lohnarbeit269
1 Grundlagen269
2 Theoretische Grundfragen271
3 Die Regelungsebenen des Beschäftigungsverhältnisses274
4 Entwicklungstendenzen und Wandel von Lohnarbeit284
5 Resümee: Marktförmige Beschäftigungsverhältnisse als Perspektive?287
Literatur288
Technik und Innovation292
1 Das Problem der Technik und die Paradoxie der Innovation292
2 Technik und Innovation in Geschichte und Gesellschaft297
3 Theoretische Zugänge zu technischem Wandel und gesellschaftlicher Innovation300
4 Eine Forschungsperspektive für Prozesse gesellschaftlich- technischer Innovation314
Literatur315
Soziologie des Geldes321
1 Vorbemerkung321
2 Kurze Geschichte des Geldes (Gold und Geld)322
3 Grundfragen und theoretische Zugänge (Waren und Preise)324
4 Analysen und Studien (Funktionen, Wirkungen und Entwicklungen)325
5 Geld aus wirtschaftssoziologischer Sicht (Arbeitsorganisation, Geldkultur und wirtschaftliche Entwicklung)327
6 Geld im globalen Kapitalismus337
Literatur340
Finanzmärkte342
1 Einleitung342
2 Finanzmärkte im Dienste der Realökonomie344
3 Globalisierung von Finanzmärkten349
4 Auf dem Weg zum Finanzmarktkapitalismus – Positionen und Kontroversen in der sozialwissenschaftlichen Debatte354
5 Fazit357
Literatur359
D Wirtschaft in gesellschaftstheoretischer Perspektive363
Kapitalismusanalyse und Kapitalismuskritik364
1 Die kapitalistische Ordnung der Wirtschaft364
2 Struktur und Entwicklung kapitalistischer Systeme365
3 Varianten der kapitalistischen Organisation der Wirtschaft370
4 Kapitalismuskritik373
5 Alternativen zur kapitalistischen Organisation der Wirtschaft379
Literatur380
Ökonomisierung der Gesellschaft383
1 Einleitung383
2 Makro-Ebene384
3 Meso-Ebene388
4 Mikro-Ebene389
Literatur393
Markt und Moral. Transnationale Arbeitsteilung und Netzwerksolidarität395
1 Skizze des Programms395
2 Verhältnis Individuum – Wirtschaft – Gesellschaft398
3 Entwicklung des Verhältnisses von Individuum – Wirtschaft – Gesellschaft404
4 Der ‚gesellschaftstheoretische Blick’409
Literatur409
Geschlechterverhältnisse und Wirtschaft412
1 Vorbemerkung412
2 Wirtschaft und Geschlecht413
3 Geschlechterverhältnisse in Kerninstitutionen der Wirtschaft421
4 Fazit und Ausblick: Anforderungen an eine gendersensible Wirtschaftssoziologie426
Literatur428
Solidarwirtschaft432
1 Begriffsfelder und Theoriehorizonte432
2 Akteursprofile: Interessen, Kompetenzen, Motive, Mandate435
3 Organisationsstrukturen: Sozialunternehmen und soziales Management437
4 Entwicklungsperspektiven des Wohlfahrtsstaats443
5 Relationsfiguren: Lernallianzen, Kompetenz-Cluster und intermediäre Felder445
6 Macht, Geld, Sinn: Hybride Kontexte und inkongruente Perspektiven448
Literatur449
AutorInnenverzeichnis452
Sachregister460

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