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E-Book

Handbuch des Helden

Auf der Suche nach den Geheimnissen von Kraft und Ausdauer

AutorChristopher McDougall
VerlagBlessing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl432 Seiten
ISBN9783641165840
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Das neue Buch von Bestsellerautor und Läufer-Guru Christopher McDougall
Wie sehen echte Helden aus? Für Bestsellerautor und Läufer-Guru Christopher McDougall war klar: nicht wie die muskelbepackten Rohlinge aus Comics und Hollywoodstreifen. Inspiriert von den Überlebenskünstlern der griechischen Mythologie, wie Odysseus und Herkules, macht sich McDougall auf die Suche nach den Geheimnissen von Kraft und Ausdauer. Seine Erkenntnisse: Ein Held ist, wer zuerst an andere denkt, statt an die Lorbeeren; wer seinen Körper durch unterschiedliche Bewegungen - Laufen, Schwimmen, Klettern - fit hält, statt mit Hanteln den Bizeps zu stählen; wer aus den simplen Gaben der Natur die besten Produkte gewinnt, statt Geld für Ernährungsmoden zu verschwenden.

McDougalls neue Reportage ist ein Handbuch für alle, die sich für Spaß an Bewegung und körperliche Gesundheit interessieren, denn, so sein Fazit: Der Stoff, aus dem die Helden sind, steckt in uns allen.

Christopher McDougall, geboren 1962, studierte in Harvard, seine journalistische Laufbahn begann er als Auslandskorrespondent der Associated Press, für die er aus Ruanda und Angola berichtete. Er war als Redakteur für »Men's Health« tätig und schrieb u.a. für »Esquire«, »The New York Times Magazine« und »Outside«. Drei Mal war er für den National Magazine Award nominiert, sein erstes Buch »Born to Run« (Blessing 2010) wurde ein Welterfolg. McDougall lebt auf Hawaii.

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Leseprobe

3

Chris ging voraus. Dornbüsche ragten über den Weg wie Netze, und der Untergrund bestand aus losen kleinen Steinchen. Der Durchschlupf wand und drehte sich auf unmögliche Art und Weise – führte uns manchmal im Kreis herum, verschwand in überwucherten Wasserrinnen –, aber Chris war nicht aufzuhalten. Wann immer dieser Weg endgültig aufzuhören schien, verschwand er in dem Durcheinander, bis seine Hand schließlich wieder in die Höhe fuhr:

»AH!«

Nein, sagte mein Bauchgefühl mir immer wieder. Das stimmt doch alles nicht. Warum sollte sich irgendjemand hier einen Weg bahnen, der direkt auf einen Felsblock zuführt? Oder in eine Wasserrinne hinein und wieder heraus, anstatt an ihr entlangzugehen? Ich musste mir klarmachen, dass wir der Ziegenlogik folgten. Auf Kreta bahnen einzelne Ziegen den Weg, und die Herde passt sich dem Gefühl dieses einen Tieres für die Landschaft an und folgt ihm. Sobald ich meine Zweifel an der Ziegenlogik fahren ließ, fiel mir auf, wie glatt die Steine waren, und ich erinnerte mich noch an etwas anderes: Wasser fließt immer nur in eine Richtung. Es spielte keine Rolle, wie seltsam diese Erosionsrinnen uns durch die Landschaft führten, wir mussten dabei an Höhe gewinnen. Unweigerlich arbeiteten wir uns auf dem felsigen Untergrund bergauf voran.

»Ist das nicht atemberaubend?«, sagte Chris. »Vielleicht ist seit den Tagen der deutschen Besatzungszeit hier niemand mehr gegangen. Man fühlt sich wie bei der Besichtigung einer antiken Grabstätte.«

Wenig später stapften Chris und ich mit einer steten Geschwindigkeit voran. Na ja, Chris stapfte, und ich folgte ihm. Er bahnte den Weg und ging voraus, während ich mich darauf beschränkte, dieses Tempo einfach zu halten. Ich bin zehn Jahre jünger als Chris und hielt mich für sehr viel fitter, deshalb war es sehr ernüchternd, mit der Tatsache konfrontiert zu werden, dass dieser 60-jährige Innendienstsozialarbeiter, der keinen Sport treibt und so aussieht, als würde er sich im Lehnstuhl bei der Lektüre der Sonntagszeitung am wohlsten fühlen, mich mit seiner Ausdauer und Bergwandererbeweglichkeit beschämen konnte.

»Man muss einfach ganz natürlich sein«, bemerkte Chris mit einem Schulterzucken.

War das so? Um das herauszufinden, war ich nach Kreta gekommen.

Die Völker der Antike bezeichneten Kreta als den »Splitter«, und wenn man mit dem Flugzeug anreist und die Maschine zur Landung ansetzt, ohne dass man erkennen könnte, worauf gelandet werden soll, weiß man, woher diese Bezeichnung kommt. Man macht sich darauf gefasst, dass man ins Meer plumpsen wird, dann geht der Pilot in Schräglage, und die Insel kommt in Sicht, mit Schaum an den Rändern, als wäre sie eben erst aus der Meerestiefe aufgetaucht. Hinter der Landebahn ragt am Seehafen eine düstere Festung aus Stein empor, ein aus dem 16. Jahrhundert stammendes Überbleibsel der venezianischen Zeit, das nur den Eindruck verstärkt, dass man hier ein Zeitportal durchquert und in eine Welt vorstößt, die aus der Vergangenheit zurückgeholt wurde.

Kreta hat noch einen Kosenamen – die »Insel der Helden« –, auf den ich rein zufällig gestoßen war. Ich recherchierte zu Pheidippides, dem griechischen Meldeläufer aus der Antike, der das Vorbild für den modernen Marathonlauf abgab, als mir ein seltsamer Hinweis auf einen modernen Pheidippides namens George Psychoundakis auffiel, besser bekannt als der »Clown«. Der »Clown« war eine bewundernswerte Gestalt. Als Hitlers Soldaten in Kreta einfielen, verwandelte er sich über Nacht vom Schafzüchter zum Meldeläufer, der im Dienst der Widerstandsbewegung die Berglandschaft durchquerte. Irgendwie gelang es George, Aufgaben zu meistern, die einen Olympioniken ins Wanken bringen würden: Er überwand schneebedeckte Felsen und trug dabei einen fast 30 Kilo schweren Rucksack, legte über Nacht mehr als 80 Kilometer zurück, ernährte sich dabei von einer Hungerration, die aus gekochtem Heu bestand, und überlistete ein Hinrichtungskommando der Gestapo, das ihn bereits gestellt hatte. George hatte keinerlei militärische Ausbildung vorzuweisen. Er hatte ein geruhsames, friedfertiges Hirtenleben geführt, bis zu dem Tag, an dem am Himmel über seinem Zuhause deutsche Fallschirme auftauchten.

Bis dahin hatte ich gedacht, die Geheimnisse, die Helden der Antike wie Pheidippides umgaben, seien entweder zur Hälfte Mythen oder im Dunkel der Geschichte verloren gegangen, aber nun hatte ich es mit einem normalen Menschen zu tun, der 2500 Jahre danach vergleichbare Taten vollbrachte. Und er war nicht allein. George selbst erzählte die Geschichte von einem Hirtenkollegen, der ganz auf sich allein gestellt die Frauen und Kinder eines Dorfes vor einem Massaker von der Hand der Deutschen bewahrte. Die waren gekommen, um den Ort nach Waffen zu durchsuchen, und misstrauisch geworden, als sie bemerkten, dass die Männer alle fehlten und die Frauen nicht redeten. Der deutsche Kommandeur hatte die Frauen in einer Reihe zur Exekution antreten lassen. In dem Augenblick, da er den Feuerbefehl geben wollte, explodierte sein Kopf. Ein Schäfer namens Costi Paterakis war den verbliebenen Dorfbewohnern durch die Wälder zu Hilfe geeilt und gerade noch rechtzeitig eingetroffen, um aus einer Entfernung von 400 Metern den entscheidenden Schuss abzufeuern. Die überlebenden Deutschen verteilten sich, um Deckung zu suchen – und liefen dabei genau ins Fadenkreuz der Widerstandskämpfer, die unmittelbar nach Costi eintrafen.

»Für mich ist das heute noch einer der spektakulärsten Augenblicke des gesamten Krieges«, sagte ein britischer Agent mit Kontakten zur Widerstandsbewegung, dem die tapferen Frauen durch ihr Schweigen das Leben gerettet hatten. Die Geschichte ist so bewegend, dass man darüber leicht vergisst, welcher Eigenschaften es für ein solches Geschehen tatsächlich bedarf. Costi musste sich ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben erheblicher Gefahr aussetzen. Er musste einige Kilometer in unwegsamem Gelände in höchster Geschwindigkeit zurücklegen, ohne dabei ins Stolpern zu geraten. Er musste Zorn, Panik und Erschöpfung rasch überwinden und dabei seinen Puls senken, um einen sicheren Schuss ansetzen zu können. Das war nicht nur eine mutige Tat – es war ein Triumph intuitiven Heldentums und körperlicher Selbstüberwindung.

Je gründlicher ich mich mit Kreta in der Zeit des Widerstandes gegen die Besatzung beschäftigte, desto mehr Geschichten dieser Art begegneten mir. Kämpfte tatsächlich ein amerikanischer Highschoolschüler Seite an Seite mit den Rebellen hinter den deutschen Linien? Wer war der halb verhungerte Häftling, der aus einem Kriegsgefangenenlager floh und sich zu einem Meister der Vergeltung entwickelte, den man unter dem Kampfnamen der »Löwe« kannte? Und vor allem: Was ist damals wirklich geschehen, als ein bunt zusammengewürfelter Haufen versuchte, einen deutschen General und Divisionskommandeur von der Insel zu entführen? Selbst die Deutschen begriffen, dass sie sich mit der Landung auf Kreta auf eine ganz andere Art des Kampfes eingelassen hatten. Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, gab an dem Tag, an dem er wegen seiner Kriegsverbrechen zum Tod verurteilt wurde, nicht den Nürnberger Richtern die Schuld an seinem Schicksal. Er kritisierte nicht seine Soldaten, weil sie den Kampf verloren hatten, und auch nicht Hitler, weil er ihn im Stich gelassen hatte. Er gab dem Widerstand auf der Insel der Helden die Schuld.

Und nirgendwo in Griechenland war der Widerstand einfallsreicher, unmittelbarer und ausdauernder als auf Kreta. Aus welchen Quellen schöpften diese Menschen ihre Kraft?

Es gab eine Zeit, in der diese Frage keine Rätsel aufgeworfen hätte. Die Kunst des Heldentums wurde während eines großen Teils der menschlichen Geschichte nicht dem Zufall überlassen. Sie war ein viele Lebensbereiche betreffendes Unterfangen, das mit optimaler Ernährung, herausragender Körperbeherrschung und geistiger Konditionierung zu tun hatte. Die Fähigkeiten des Helden wurden erlernt, geübt und perfektioniert und anschließend von den Eltern an die Kinder und vom Lehrer an den Schüler weitergegeben. In der Kunst des Helden ging es nicht um Tapferkeit; es ging darum, so kompetent zu sein, dass Tapferkeit gar nicht erst zum Thema wurde. Man sollte nicht unbedingt für eine gute Sache sterben; das Ziel bestand eher darin, möglichst lang am Leben zu bleiben. Achilles und Odysseus und all die anderen Helden der antiken Mythologie hassten es, an den Tod zu denken, und hingen an jeder Sekunde Leben. Die große Chance des Helden auf Unsterblichkeit bestand darin, dass man sich seiner Meisterschaft erinnerte, und Meister sterben nicht dumm. Alles hing von der Fähigkeit ab, enorme Ressourcen an Kraft, Ausdauer und (geistiger) Beweglichkeit freizusetzen, deren Vorhandensein vielen Menschen gar nicht bewusst ist.

Helden lernten, wie sie ihr eigenes Körperfett als Energiequelle nutzen konnten, anstatt nur auf Kohlenhydrate zu setzen, wie wir das heutzutage fast alle tun. Etwa ein Fünftel unseres Körpergewichts besteht aus eingelagertem Fett; das ist eine erstklassige Energiequelle, jederzeit abrufbar und reichhaltig genug, um einen Menschen ohne einen Bissen Nahrung einen Berg hinauf- und auch wieder hinuntersteigen zu lassen – wenn man weiß, wie diese Quelle angezapft werden kann. Fett als Energiequelle ist ein fast in Vergessenheit geratenes Geheimnis von Ausdauerathleten, aber wenn es wiederbelebt...

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