WIE ESSEN?
Du bist, wie du isst – Esskultur
Die Art und Weise, wie wir essen, wird in ihrer Rolle im psychologischen und physiologischen Gesundheitsgeschehen weit unterschätzt. Genuss und Freude, aber auch Sättigung und Verdauung der Nahrung sind sehr stark davon abhängig, in welcher Grundhaltung, in welcher geistigen Verfassung, in welchem Tempo oder auch in welcher Umgebung gegessen wird. Probieren Sie es einfach aus, Sie werden es selbst erfahren. Es sind zwei verschiedene Welten in der Wirkung auf Körper, Geist und Seele, ob Sie beim Vorgang des Essens aufmerksam und wertschätzend bei der Sache sind oder das Essen nebenbei hinunterschlingen. Achtsames Genießen von schmackhaften und ausgewogenen Gerichten ist eine Art Kurzurlaub im Alltag. Denn das bewusste Auskosten einer Mahlzeit ermöglicht es, am Esstisch wesentlich mehr Energie und Lebensfreude zu tanken.
Eine Hauptsache des Lebens, die Nahrungsaufnahme, verkommt heutzutage oft zur Nebensache. In der Überfülle unserer Wohlstandswelt vergessen wir leider allzu oft, dass Essen in mehrfacher Hinsicht Grundlage für unsere Lebendigkeit und unser Wohlfühlen ist. Viele essen achtlos nebenher, zum Zeitvertreib, zur Ablenkung, im Stress, im Gehen auf der Straße, im Stehen vor dem Kühlschrank oder beim Zeitunglesen, Telefonieren oder Fernsehen. Manche kauen regelrecht auf ihrem Ärger und ihren Problemen herum, wie der andere beruhigen sich mit Essen oder lenken sich ab. Viele Menschen sind mit Geist, Herz und Sinnen nicht bei der Sache, nicht beim konkreten Vorgang des Essens, der so erholsam, erfüllend und köstlich sein könnte. Dadurch fühlen sie sich nachher nicht wirklich genährt, gieren oft nach mehr, spüren die gute Grenze nicht, „snacken“ sich buchstäblich durch den Tag, greifen zu Genussmitteln oder entwickeln gar leidvolle Ess-Störungen wie Fett- und Magersucht.
HILFREICHE GRUNDHALTUNGEN/AFFIRMATIONEN
• Essen ist Luxus: „Ich bin dankbar, dass ich etwas Gutes zum Essen habe.“
• Essen ist Urlaub im Alltag: „Ich nehme mir Zeit für mich und genieße mein Essen.“
• Essen im Sitzen am gedeckten Tisch: „Ich bewirte mich (uns) wie einen lieben Gast.“
• Essen in Muße und Ruhe: „Ich schenke mir Zeit zum Energie- und Lebenskraft-Tanken.“
• Essen ist Genuss und Freude: „Ich koste die Speisen mit allen meinen Sinnen aus.“
• Essen nährt Körper, Geist und Seele: „Ich werde rundum gesättigt und genährt.“
• Essen ist weder Belohnung noch Strafe: „Essen ist Essen, achtsam, bewusst, hier und jetzt.“
• Essen als Säule der Vitalität: „Mein Essen ist frisch, bunt, aromatisch, gesund und nährstoffreich.“
• Essen aus nachhaltiger Produktion ist gesünder für mich und die Mitwelt: „Ich achte die Umwelt und alle an diesem Essen beteiligten Menschen und greife deshalb bewusst zu möglichst fairen, umweltfreundlichen Produkten.“
Die Fettsucht als Ess-Störung mit ihren dramatischen Folgen entwickelt sich in den Wohlstandsländern zu dem allergrößten Gesundheitsproblem. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht mittlerweile von einer „europäischen Übergewichtskrise enormen Ausmaßes“.
Dem können Sie aktiv entgegensteuern, wenn Sie achtsames Genießen von gutem Essen wieder zu einer schönen Hauptsache in Ihrem Leben machen. Wie das geht, erfahren Sie gleich – zumindest im Ansatz – vertiefen können Sie diese Haltung und Übungspraxis mit dem Buch von Dr. Jan Bays (→ Literatur). Sie werden sehen, Achtsamkeit ist indirekt eine Art seelischer „Nährstoff“ – Sie werden nicht nur selbst davon profitieren, sondern vielleicht mit der dadurch mehr/wieder/neu erwachenden Lebensfreude auch andere Menschen zu dieser gesundheitsförderlichen Haltung motivieren.
Gut gekaut ist halb verdaut
Die Verdauung der Speisen beginnt tatsächlich schon im Mund – im Grunde noch früher, wenn uns beim Anblick oder Duft eines köstlichen Essens der Speichel im Mund zusammenfließt. Das Speichelsekret enthält stärkespaltende Enzyme und außerdem werden über Geschmacks-Reflexe weitere Verdauungssekrete und Botenstoffe im Magen-Darm-Trakt freigesetzt.
Mit ausgiebigem, genüsslichem Kauen ist nicht nur die Verdauung und Bekömmlichkeit der Nahrung, sondern auch die (Mikro-)Nährstoff-Aufnahme deutlich verbessert. Manche Ernährungsfachleute sagen sogar: „Der Mensch ist, was er verdaut“, und damit haben sie gar nicht so unrecht, denn nur das, was wir tatsächlich aus dem Darm ins Blut aufnehmen, wird zu unserer Körpersubstanz und/oder kann uns zur Energiegewinnung dienen. Dass vor diesem Hintergrund natürlich auch die Darmgesundheit eine Riesenrolle spielt ist klar, denn die Schleimhaut des Magen-Darmtraktes ist mit ihren vielen Windungen und unzähligen Ausstülpungen unsere weitaus größte Kontaktfläche zur Außenwelt. Je gesünder die Darmschleimhaut mit ihren über 100 Billionen Darmbakterien umso besser, denn der Darm und seine winzigen Mitbewohner befinden sich in ständiger Wechselwirkung mit dem was wir essen, trinken, denken und fühlen (Gehirn-Darm-Achse).
Sie haben sicher schon einmal die Empfehlung gelesen, jeden Bissen 30 Mal zu kauen. So mathematisch müssen Sie es gar nicht angehen, aber besonders für Schnellesser kann es sehr hilfreich sein, die Anzahl der Kaubewegungen zu definieren und mitzuzählen. (Ich finde, 10 Mal reicht.) Das Zählen kann helfen, besser und ausführlicher zu kauen, und darum geht es! Ich rate eher dazu, sich dem Kauen ganz bewusst genüsslich hinzugeben und dabei jeden Bissen auszukosten – so, wie ein Sommelier einen guten Wein verkostet. Damit sind wir schon bei den ersten Schritten des achtsamen Essens, wovon gleich die Rede sein wird.
Wie oft soll man essen?
Die Verdauung der Speisen braucht einiges an Zeit, die natürlichen körperlichen Rhythmen wollen bedacht sein. Deshalb empfehle ich, zwischen den Mahlzeiten relativ regelmäßige etwa 4–5-Stunden-Abstände einzuhalten. Die ayurvedische Ernährungslehre und meine Erfahrung aus jahrelanger Arbeit mit Menschen bestärken mich in der Ansicht, dass 3 Mahlzeiten für viele nicht nur vollkommen ausreichen, sondern auch für den Blutzuckerverlauf und vor allem für das Wohlbefinden von Vorteil sind. So bleibt den Verdauungsorganen Zeit, alles vollständig zu verdauen, und es entsteht vor der nächsten Mahlzeit ein deutliches Hungergefühl (nicht nur Esslust), was wiederum die Verdauungsleistung für das nachkommende Essen verbessert. Dies gilt allerdings nicht für Menschen mit einem sehr hohen Energiebedarf (Grundumsatz und Leistungsumsatz), die bei normaler Vollwertkost relativ bald zu Leistungseinbruch und Unterzuckerung neigen. Bei diesen Menschen, wie beispielweise Sportlern, Kindern im Wachstum, Schwangeren, Stillenden oder körperlich schwer Arbeitenden, ist eine kleine (nicht süße) Zwischenmahlzeit sicher nötig. Auch bei Senioren oder/und Patienten mit Schluck- und Verdauungsstörungen sind mehrere kleine (nicht süße) Mahlzeiten meist von Vorteil. Die westliche Ernährungswissenschaft (wie ÖGE und DGE) empfiehlt generell, neben Frühstück, Mittagessen und Abendessen noch zwei kleine Zwischenmahlzeiten zur Vermeidung von Heißhunger einzunehmen. Das sehe ich, wie oben beschrieben, ein wenig differenzierter. Testen Sie selbst, womit es Ihnen besser geht, denn wir Menschen sind sehr verschieden und brauchen/entwickeln oft eine ganz persönliche Ernährungs„strategie“.
SO GELINGT GESUNDES ESSEN
Essen Sie ausgewogen
und zuckerarm (sonst ist Heißhunger vorprogrammiert)
Genießen Sie in Ruhe und kauen Sie gründlich
Es schmeckt Ihnen und macht Spaß
Es passt zum eigenen Rhythmus
Achtsames Essen macht gesund und glücklich
Achtsamkeit beim Essen meint eine wertschätzende und zugleich aufmerksame Haltung beim konkreten Vorgang des Essens. Es geht darum, wach und bewusst im Hier und Jetzt beim Essen zu sein und dabei das Sehen, Riechen, Fühlen, Kauen, Schmecken, Schlucken der Speisen, das Wohlfühlen und Sattwerden wahrzunehmen. Kopf, Herz und Sinne sollen und wollen dabei sein, bei dem, was jetzt gerade geschieht – nämlich beim Essen. Dabei gilt es eine neue Welt zu entdecken, eine Welt, die immer schon (mehrmals täglich) vor Ihrer Nase war. Erlauben Sie sich, diese zu erforschen, auszukosten und zu genießen – sich an ihren seelischen „Nährstoffen“ zu laben – beispielsweise auch an der Tischdekoration als Augenweide.
Achtsames Essen erfordert eine gewisse Übung, aber es lohnt sich, es zu lernen und zu praktizieren. Mit dieser Methode nährt Essen...