2 GESCHICHTE
Alles begann mit Philosophien
Verwendeter Begriff | Andere Bezeichnungen oder Schreibweisen |
Konfuzius | Kongzi, Konfutse |
Laozi, Daoismus, das Buch Daodejing | Laotse, Taoismus das Buch Tao Te King |
Welchen philosophischen und/oder geistigen Hintergrund beanspruchen die verschiedenen Kampfkünste, die sich, neben ihrer spezifischen Namensgebung, zumeist mit der Endsilbe DO versehen?
Zum besseren Verständnis dieser Frage sollten – an dieser Stelle in Kürze – einige Hauptphilosophien Asiens betrachtet werden. Die mit den Kurzvorstellungen verbundenen Unzulänglichkeiten mögen Kenner bitte nachsehen. Es ist nicht Zielsetzung dieses Buches, einzelne Philosophien mit ihrem vollständigen Ideenreichtum zu erläutern. Hier geht es lediglich um die Vermittlung eines Verständnisses für Zusammenhänge in Bezug auf Taekwondo und andere Kampfkünste.
Die drei wichtigsten Philosophien, die jeweils auch religiöse Entwicklungen nach sich gezogen haben, stammen aus dem Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus. Eine erste Gemeinsamkeit dieser drei Richtungen kann in der Zeit ihrer Entstehung gesehen werden, nämlich etwa 500 v. Chr. Die frühesten Texte für das Buch I Ging sind sogar noch wesentlich älter.
Im Unterschied zu den im Mittelmeerraum entstandenen Offenbarungsreligionen handelt es sich bei Buddhismus und Daoismus um Erkenntnisreligionen, bei denen Anleitungen zu Meditation und Versenkung wesentliche Bestandteile sind.
I Ging, das Buch der Wandlungen
Das Orakelbuch I Ging gilt als das älteste Buch Chinas. Auch heutzutage ist es im gesamten ostasiatischen Kulturraum noch aktuell. Wie Secter (1991) schreibt, lassen seine Ursprünge sich bis zu einer legendären Gestalt namens Fu Hsi zurückverfolgen, die vor ungefähr 5.000 Jahren gelebt haben soll. Die 64 Hexagramme und ihre Bezeichnungen stammen aus dem Anfang der Zhou-Dynastie um 1150 v. Chr. Ihr Autor soll der Gründer dieser Dynastie, König Wen, sein (Secter, 1991, S. 19).
Im Mittelpunkt dieses Buches stehen acht aus Strichkodes bestehende Grundphänomene, die in ihrer Wechselwirkung miteinander alle Vorgänge des Universums widerspiegeln sollen.
Alles im Universum entsteht demnach aus Gegensätzen wie Himmel und Erde, Mann und Frau, Licht und Dunkelheit, Gutem und Bösem. Alles befindet sich in einem ständigen Wandlungsprozess. Abstrahiert wird diese Philosophie durch das Yang-Yin-Symbol. Die Punkte im Symbol versinnbildlichen die jeweilige Abhängigkeit der Gegensätze voneinander.
Die koreanische Entsprechung dieses Symbols lautet „Taeguk“, auf Deutsch „Große Ewigkeit“. Das koreanische Taeguk-Symbol besteht aus einem Kreis, der durch eine horizontale S-Linie in zwei Hälften geteilt ist. Die obere Hälfte ist rot, die untere blau.
Rot steht für das männliche Prinzip, die aggressive, heiße, harte, aktive Kraft. Blau stellt das weibliche Prinzip dar, die empfangende, zurückweichende, ruhige, weiche, inaktive Kraft.
Im übertragenen Sinn führte diese Philosophie beim Taekwondo zu den Bewegungsabläufen der Poomsae für die Schülergrade (KUP). Die Laufdiagramme der Poomsae Taeguk 1-8 orientieren sich dabei an den acht Strichkodes oder Trigrammen für die Grundphänomene des Buchs I Ging.
Diese acht Trigramme symbolisieren unterschiedliche oder auch gegensätzliche Begriffe und Vorstellungen. Im Buch I Ging sind sie von links nach rechts am oberen und von oben nach unten am linken Rand einer Matrix mit 8 x 8 Feldern angeordnet.
Hexagrammschlüssel (Wilhelm, 1983, S. 339)
Bei der Verwendung des I Ging als Orakelbuch zu Deutungszwecken wird zunächst eine Frage formuliert, beispielsweise aus dem Alltag, oder auch nach einer bestimmten zukünftigen Entwicklung. Durch Würfeln wird dann auf der Matrix die Koordinate zweier Trigramme, jeweils eines aus der Senkrechten und eines anderen aus der Waagerechten, ermittelt. Hieraus entsteht dann also eine Formation aus sechs Strichkodes. Jedes dieser dann insgesamt 64 möglichen Hexagramme beinhaltet unterschiedliche Bedeutungen und Bilder, die in ihrer Beziehung zueinander Antworten zu der aufgeworfenen Frage anbieten.
Konfuzius
Der große Staatsgelehrte Konfuzius ordnete die Literatur Chinas neu und stellte strenge Verhaltensregeln auf. Seine Vorschriften betreffen sowohl das Verhalten von Einzelpersonen, Familienmitgliedern untereinander, wie auch die Staatsordnung. Diese Regeln sind in ganz Ostasien immer noch lebendig und werden insbesondere in Korea bis heute weitgehend befolgt.
Konfuzius lehrte, dass Menschlichkeit, Moralgefühl, Tugend und Einsicht die Grundqualitäten von Staat und Gesellschaft seien. Da diese Qualitäten laut Konfuzius erlernbar sind, haben Erziehung und Bildung in konfuzianischen Gesellschaften einen sehr hohen Stellenwert.
Für die Harmonie in der Gesellschaft und die zwischenmenschlichen Beziehungen gelten: Loyalität der Untertanen zum Herrscher, Ehrfurcht der Kinder vor den Eltern, Gehorsam der Frau dem Mann gegenüber, Respekt der Jungen vor den Alten und Vertrauen zwischen Freunden.
Konfuzius, Bild aus China, 2006
Konfuzius hat philosophische und sozialethische Lehren der klassischen Literatur Chinas interpretiert. Auch das Buch der Wandlungen, I Ging, wurde von Konfuzius redigiert. Die Texte des Buches I Ging gelten daher als konfuzianisch, obwohl das Buch I Ging eigentlich wesentlich älter ist als die originären Schriften des Konfuzius.
Daoismus und vor allem Buddhismus wuchsen seit dem 3. Jh. n. Chr. zu Lasten des Konfuzianismus.
Der chinesische Philosoph Chu Hsi (Zhu Xi) (1130-1200) fasste verschiedene Strömungen des Konfuzianismus zu einer einheitlichen Lehre zusammen. Dadurch, aber auch durch die Aufnahme vieler daoistischer und buddhistischer Elemente, erlebte die Lehre eine Wiedergeburt (Brockhaus, 1990, S. 251 u. S. 534).
Da auch die koreanische Kultur bis heute stark vom Neukonfuzianismus des Chu Hsi geprägt ist, wird im Mutterland des Taekwondo auch das „Do“ hauptsächlich aus diesem Lehrgut heraus interpretiert.
Konfuzius-Denkmal in einem Berliner Park
Laozi, der Daoismus und das Buch Daodejing
Plastik von Laozi im alten daoistischen Tempel von Ghost-City am Yangzi
Der chinesische Begriff Dao ist gleichzusetzen mit dem koreanischen bzw. auch japanischen Begriff Do. Bekannt wurde der Daoismus vor allem durch das Buch Daodejing, dem Buch vom Sinn und Leben, wie Richard Wilhelm den Titel übersetzt hat. Als Autor wird der chinesische Weise Laozi – „alter Meister“ – genannt.
Tai Ji, der Uranfang. Das Ineinander der Gegensätze
Laozis historische Realität und das auf ihn direkt zurückzuführende Wirken sind nicht ganz eindeutig. Das Daodejing beschreibt – teilweise in lyrischer Form – die Dualität des Seins. Auch diese Philosophie wird mit dem abstrakten Yang-Yin-Symbol verbildlicht. Zu dieser Richtung haben sich Bewegungsmeditationen für die Entwicklung von Harmonie und innerer Energie (Chi/Ki) entwickelt, die sogenannte Innere Schule. Taiji ist hierfür ein Beispiel. Aus dem ersten Teil, „vom Sinn“ (Dao) des Daodejing, hat Richard Wilhelm (1984, S. 73) wie folgt übersetzt:
Wer andre kennt, ist klug.
Wer sich selber kennt, ist weise.
Wer andere besiegt, hat Kraft.
Wer sich selber besiegt, ist stark.
Wer sich durchsetzt, hat Willen.
Wer sich genügen lässt, ist reich.
Wer seinen Platz nicht verliert, hat Dauer.
Wer auch im Tode nicht untergeht, der lebt.
Zeichnung „Laozi“ nach einem bekannten chinesischen Motiv
Anfang eines Gedichts von Berthold Brecht (1938) mit insgesamt 13 Strophen über Laozi und die Entstehung des Daodejing:
1
Als er Siebzig war und war gebrechlich Drängte es den Lehrer doch nach Ruh Denn die Güte war im Lande wieder einmal schwächlich Und die Bosheit nahm an Kräften wieder einmal zu. Und er gürtete die Schuh.
2
Und er packte ein, was er so brauchte: Wenig. Doch es wurde dies und das. So die Pfeife, die er abends immer rauchte Und das Büchlein, das er immer las. Weißbrot nach dem...