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Harmonisierung der Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage

Ein sinnvolles Instrument zur Eindämmung der Verlagerung steuerpflichtiger Gewinne innerhalb der Europäischen Union?

AutorSebastian Schewe
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl68 Seiten
ISBN9783638874113
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich BWL - Rechnungswesen, Bilanzierung, Steuern, Note: 2,3, Georg-August-Universität Göttingen, 88 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die voranschreitende Globalisierung führte in den letzten Jahren zu einer Verringerung der nationalen Bindungen in den wirtschaftlichen Beziehungen. Innovationen bei den Verkehrs-, Informations- und Telekommunikationstechnologien, sowie die Liberalisierung der internationalen Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkte haben zur Folge, dass Produktionsfaktoren wandern, die internationale Arbeitsteilung zunimmt und das Handelsvolumen steigt. Die gestiegene Mobilität und der Abbau vieler Barrieren bieten grenzüberschreitend tätigen Unternehmen neue Möglichkeiten zur Steuerplanung. Aus dieser Entwicklung heraus sind in den letzten Jahren eine Reihe von Problemen erwachsen. Innerhalb der Europäischen Union (EU) werden die Gewinne multinationaler Unternehmen in jedem Land separat besteuert. Dadurch sind diese Unternehmen in der Lage, Gewinne ihrer Tochtergesellschaften durch die Manipulation von Verrechnungspreisen oder steuerlich motivierte Finanzierungsstrategien in Länder zu verschieben, in denen sie geringer besteuert werden und können somit ihre Gesamtsteuerbelastung senken. Die Konsequenz dieses Verhaltens ist ein Sinken der Steuereinnahmen der Länder, aus denen die Gewinne abfließen. Darüber hinaus wächst der Druck auf die Regierungen, eine Abwanderung der Unternehmen in Länder mit günstigeren Steuerkonditionen zu verhindern. Innerhalb der EU bestehen große Unterschiede in den Besteuerungssystemen, Steuersätzen und Bemessungsgrundlagen, welche zu einem Steuerbelastungsgefälle führen. Da die einzelnen Mitgliedstaaten bemüht sind, ihre Steuereinnahmen aus der Unternehmensbesteuerung zu sichern, um die Versorgung mit öffentlichen Gütern zu gewährleisten, besteht die Gefahr eines ruinösen Steuerwettbewerbs zwischen den Mitgliedstaaten, der zu einem Steuersenkungswettlauf führen könnte. Wird die Steuerpolitik als Instrument genutzt, um Kapital und Unternehmenssitze anzuziehen, sinken die Steuersätze soweit, dass im Endeffekt alle Staaten zu geringe Einnahmen verzeichnen, um öffentliche Güter in unveränderten Umfang bereitstellen zu können. Regierungen sind in der Lage Investitionsentscheidungen internationaler Unternehmen zu beeinflussen, indem sie Steuervergünstigungen für bestimmte Sektoren bieten, einen niedrigen Steuersatz.

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Leseprobe

3 Steuerharmonisierung gegen Steuerwettbewerb


 

3.1 Konsequenzen des Steuerwettbewerbs


 

Steuersätze, Bemessungsgrundlagen und die Intensität, mit der die  Finanzbehörden die gesetzlichen Regelungen durchgesetzten, sind die grundlegenden Instrumente im Steuerwettbewerb.[83]

 

Die Europäische Kommission differenziert zwischen normalen, schleichenden und unfairen Steuerwettbewerb. Als unfair wird er bezeichnet, wenn Steuervergünstigungen wie in Kapitel 2.4.2 angeführt auf bestimmte ausländische Investoren zugeschnitten sind und nicht gleichzeitig für inländische Investoren gelten. Darüber hinaus gilt er als unfair, wenn Vergünstigungen auf bestimmte Aktivitäten ausgerichtet sind, welche Scheinaktivitäten und die Verschiebung von Gewinnen begünstigen.[84]

 

Zur Zeit existieren zwischen den Mitgliedstaaten große Unterschiede in den einzelnen Besteuerungsfaktoren. Staaten konkurrieren um Bemessungsgrundlagen und nutzen die Besteuerung als Instrument, um Unternehmen anzuziehen. Angesichts dieses negativen Steuerwettbewerbs wird der Ruf nach eine EU-weit koordinierten Steuerpolitik immer lauter. Darüber, ob diese Koordinierung jedoch als sinnvoll anzusehen ist, herrscht in der Fachwelt keine Einigkeit, da die derzeitigen Entwicklungen unterschiedliche interpretiert werden.[85]

 

Die Steuerbelastung stellt wie eingehend erläutert einen wichtigen Faktor bei der Standortwahl dar. Betrachtet man die nominalen Körperschaftsteuersätze im Ländervergleich, stellt man fest, dass zwischen ihnen eine große Streuung existiert, welche zu einem Ungleichgewicht zwischen den Staaten führt. So hat Irland in den letzten Jahren durch die große Senkung der Unternehmenssteuern von 40% auf 12,5% viele Firmen angezogen und somit ein starkes Wirtschaftswachstum erreicht. Befürworter der Harmonisierungsbestrebungen sehen in diesem Vorgehen die Gefahr eines Steuersenkungswettlaufs (sog. „Race to the bottom“), da die übrigen Staaten ihre Bemessungsgrundlage verlieren und somit dazu bewegt werden könnten, ebenfalls ihre Steuern zu senken.[86] Dieses Szenario ist dann zu erwarten, wenn sich die Regierungen untereinander nicht absprechen. Einige befürchten sogar, dass in dieser Situation eines klassischen Gefangenen-Dilemmas die Steuersätze auf Null sinken könnten.[87]

 

Dieses Szenario wird von Siebert (1990) als unwahrscheinlich beurteilt, da die Staaten auf Steuereinnahmen angewiesen sind, um die Finanzierung der Infrastruktur gewährleisten zu können. Direktinvestitionen hängen laut der gängigen Literatur von der lokalen Marktgröße, Faktorkosten, dem Zugang zu europäischen Märkten, der politischen Stabilität und des regulierenden Umfeldes ab. Des Weiteren haben das Landesrisiko, Transaktionskosten, Marktgröße und die Qualität der Infrastruktur einen großen Einfluss.[88] Sieberts Ansicht nach darf demnach der Einfluss der Unternehmens-besteuerung auf Standortverlagerungen nicht überbewertet werden.

 

In den letzten Jahren sind die nominalen Körperschaftsteuersätze in der EU jedoch tatsächlich von durchschnittlich 45% im Jahr 1980 auf 31,32% im Jahr 2003  gesunken, was die Befürworter der These vom Steuersenkungswettlauf in ihren Annahmen bekräftigt (vgl. Abbildung 4).[89]

 

Entwicklung der Unternehmensteuersätze (EU15)

 

 

Abb.  4: Entwicklung der Unternehmensteuersätze (EU15) (Quelle: Ganghof (2006), S. 7).

 

1998 veröffentlichte die OECD einen Bericht über den schädlichen Steuerwettbewerb als Nebeneffekt des Globalisierungsprozesses. Darin kommt sie zu dem Schluss, dass der Steuerwettbewerb zu Verzerrungen in den Strukturen des Handels und Investitionen führt. Die Gefahr besteht darin, dass solche Entwicklungen dazu führen können, dass die nationalen Steuergrundlagen anderer Länder ausgehöhlt und deren Umverteilungsziele somit behindert werden. Durch eine Kettenreaktion könnten bestimmte Länder zu Änderungen ihrer Steuergrundlagen gezwungen sein.[90]

 

Auch Bach (2002) vertritt die Ansicht, dass im Steuerwettbewerb Phänomene existieren, welche die Effizienz und Wohlfahrtwirkungen herabsetzen. Hauptgrund hierfür ist seiner Ansicht nach die Problematik der Bereitstellung öffentlicher Güter. Unternehmen haben die Möglichkeit, die gute Infrastrukturausstattung in Hochsteuerländern zu nutzen und die dort erwirtschafteten Gewinne mit Hilfe der Gestaltung von Verrechnungspreisen in Niedrigsteuerländer zu verlagern. Ein ausgeprägter Steuersenkungswettlauf kann somit dazu führen, dass die Autonomität der Staaten im Bereich der Unternehmensbesteuerung reduziert wird, da ihnen aufgrund des Wettbewerbsdrucks das Instrument der Anhebung der Sätze zum Ausgleich von Notwendigkeiten höherer Staatsausgaben genommen wird.[91] Die Folge ist, dass langfristig das Angebot an öffentlichen Gütern sinkt, da die Steuereinnahmen nicht mehr ausreichen und somit die Qualität der Standorte sinkt.[92] Diese Bedrohung wird häufig als Rechtfertigung für die Notwendigkeit einer koordinierten Steuerpolitik in der EU herangezogen.

 

Im Abschnitt 2.4.4 wurden die potentiellen aus der Ost-Erweiterung resultierenden Gefahren für den Steuersenkungswettlauf, welche von einigen Autoren sehr ernst genommen werden, erwähnt. Darüber, ob diese Gefahren wirklich gegeben sind, herrscht in der Fachwelt jedoch keine Einigkeit. Tatsache ist, dass der Zufluss von Direktinvestitionen in die neuen Mitgliedstaaten im Zeitraum zwischen 1995 bis 1998 stark zugenommen hat.

 

Laut der DIHK (2004) erfüllen die Steuersatzsenkungen der Beitrittsländer  in den letzen Jahren jedoch schon per Definition nicht den Tatbestand des Steuerdumping, da diese Länder nach ihrem EU-Beitritt dem Verhaltenskodex zur Unternehmensbesteuerung unterliegen und somit gezwungen sind, steuerliche Anreize für ausländische Unternehmen abzubauen. Das häufig angeführte Argument, dass die EU-Strukturfördermittel die neuen EU-Mitgliedstaaten dabei begünstigen, niedrigere Steuersätze zu bieten, erweist sich laut der DIHK (2004) ebenfalls als nicht haltbar, da die Mittel zu gering sind, um einen Verzicht auf Steuereinnahmen kompensieren zu können.

 

Gegen die These, dass der Steuerwettlauf unaufhaltsam fortschreiten wird, spricht auch die Ankündigung Ungarns, seinen Körperschaftsteuersatz von 16% auf 20% anheben zu wollen. Der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt hat dazu geführt, dass Ungarn mit einem Budgetdefizit, das weit über der 3%-Grenze des Stabilitätspaktes liegt, auf diese Anhebung angewiesen ist, um sein Defizit zu verringern. Auch viele der anderen neuen Mitgliedstaaten liegen mit ihren Haushaltsdefiziten weit über den Maastricht-Kriterien. Somit haben auch sie kaum noch Spielraum ihre Steuersätze weiter zu senken.[93]

 

Darüber hinaus ist auch der Anteil der Einnahmen aus der Körperschaftsteuer in Relation zum BIP in fast allen Mitgliedstaaten nicht wie, im Steuersenkungswettlauf zu erwarten, gesunken, sondern  hat zugenommen (vgl. Tabelle 3).

 

Entwicklung des KSt-Aufkommen als Anteil am BIP

 

 

Tab.  3: KSt-Aufkommen als Anteil am BIP

 

(Quelle: Haufler (2006), S. 4).

 

Die Gründe für diesen Anstieg sind zum einen in der Umwandlung vieler Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften in den letzten zwei Jahrzehnten und zum anderen in den seit 1982 gestiegenen Vorsteuergewinnen der Unternehmen zu finden. Der dadurch bedingte Anstieg der Bemessungsgrundlage muss jedoch von der steuergesetzlichen Verbreiterung durch restriktivere Abschreibungsregeln, welche in das EATR-Maß eingeht, getrennt werden. Denn einige Niedrigsteuerländer weisen  einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Körperschaftsteuereinnahmen auf, was in den Augen der Befürworter des Steuersenkungswettlaufs wiederum zeigt, dass es ihnen gelungen ist, mit Hilfe niedriger Steuersätze eine Vergrößerung der heimischen Steuerbasis zu erreichen.[94]

 

Jakubiak und Markiewicz (2005) sehen überhaupt keine Anzeichen für einen Steuersenkungswettlauf resultierend aus der Ost-Erweiterung. In ihrer Arbeit kommen sie zu dem Schluss, dass seit Mitte der 90er Jahre ausschließlich lokale Marktpotentiale in den neuen Mitgliedstaaten zu einer Zunahme der Direktinvestitionen geführt haben. Auch Lohnkosten und Handelsnähe haben ihrer Ansicht nach keinen großen Einfluss auf die Entwicklung der Direktinvestitionen in diese Staaten gehabt. Somit konnte bis zum jetzigen Zeitpunkt laut Jakubiak und Markiewicz noch nicht festgestellt werden, dass die niedrigen nominalen und effektiven Steuersätze in den neuen Mitgliedstaaten die Allokation von Direktinvestitionen aus den alten Mitgliedstaaten beeinflusst haben. Wenn höhere Steuern durch anderweitige Standortvorteile ausgeglichen werden, findet ein Steuersenkungswettlauf  in ihren Augen schnell seine Grenzen.

 

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