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E-Book

Heinrich Christian Boie

Literarischer Mittler in der Goethezeit

VerlagBoyens Buchverlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl308 Seiten
ISBN9783804230286
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Endlich wird eine Lücke geschlossen: Mit diesem Buch wird erstmals ein Schlaglicht auf den schleswig-holsteinischen Literaten Heinrich Christian Boie (1744-1806) geworfen, der Meldorf neben Emkendorf und Eutin zu einem kulturellen Kristallisationspunkt der Goethezeit im Norden machte. Als Mitbegründer des Göttinger Hainbundes und Herausgeber stand Boie mit den Geistesgrößen seiner Zeit in Verbindung - auch noch, als er in seiner Vaterstadt Meldorf als Landvogt wirkte. Der Verein für Dithmarscher Landeskunde e.V. hat namhafte Experten gewonnen, Boies Leben, Werk und Wirkung als 'literarischer Landvogt' anschaulich dazustellen. Den Leserinnen und Lesern eröffnet sich ein lebendiges geistes- wie landesgeschichtliches Panorama. Der vorliegende Sammelband ist schön illustriert und ansprechend ausgestattet. Ein anmutiges Geschenk für alle, die für Bücher und für Schleswig-Holstein schwärmen.

Dieter Lohmeier, geb. 1940, Prof. Dr. phil. Von 1985 bis 2005 Direktor der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Kultur- und Landesgeschichte Schleswig-Holsteins, zuletzt im Boyens Buchverlag 'Die weltliterarische Provinz'. Urs Schmidt-Tollgreve, geb. 1972. Lehramtsstudium in Kiel, Magister der Erziehungswissenschaft, derzeit als Lehrer in Burg (Dithmarschen) tätig. Seit 1999 intensive Beschäftigung mit Heinrich Christian Boie, Autor zahlreicher Aufsätze und ein Boie-Biographie (Husum 2004). Frank Trende, geb. 1963. Regierungsdirektor in der Staatskanzlei. Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur schleswig-holsteinischen Kultur- und Landesgeschichte, im Boyens Buchverlag u. a. 'Historische Orte erzählen Schleswig-Holsteins Geschichte'.

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Leseprobe

Frank Trende


Schleswig und Holstein zur Goethezeit


Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) hatte kein schönes Bild von den Herzogtümern nördlich der Elbe: Die Adelssitze, die noch heute als repräsentative Monumente schleswig-holsteinischer Adelskultur beeindrucken, waren für den Weimarer Dichter lediglich „Sumpf- und Wassernester“.1 Einladungen in den Norden, etwa nach Emkendorf und nach Eutin, schlug er aus.

Politisch, wirtschaftlich und kulturell gesehen waren die Jahre, die als Goethezeit bezeichnet werden, für die Herzogtümer Schleswig und Holstein fast schon ein „Goldenes Zeitalter“. Zwischen dem Vertrag von Zarskoje Selo 1773 und dem 1830 veröffentlichten Appell des Sylter Landvogts Uwe Jens Lornsen (1793-1838) für eine Trennung der Verwaltung von der dänischen Krone liegen sechs Jahrzehnte, in denen Handel und Wandel ebenso wie Wissenschaften und Künste florierten.

I. Schleswig und Holstein werden Teil des Gesamtstaates


Seit der Wahl von Ripen 1460 stellte das Haus der Oldenburger nicht nur den König von Dänemark, sondern auch den Landesherrn von Schleswig und Holstein. Mit dem Privileg von Ripen war neben dieser Personalunion auch festgelegt worden, dass Schleswig und Holstein für alle Zeiten zusammenbleiben und nicht unter mehrere Angehörige des Herrscherhauses aufgeteilt werden sollten. Dieses Versprechen wurde nicht eingehalten. Am folgenschwersten war die Landesteilung von 1544: Der dänische König Christian III. (1503-1559) entschädigte zwei seiner jüngeren Halbbrüder, indem er beide Herzogtümer mit ihnen teilte, und zwar so, dass der Besitz der Landesherrn gleichmäßig über Schleswig und Holstein verteilt war. Die Landesherrn waren gezwungen, gemeinsam zu regieren. Die Landkarte Schleswigs und Holsteins allerdings wurde zum unübersichtlichen Flickenteppich (Abb. 1). Durch weitere Erbteilungen im 16. und 17. Jahrhundert entstanden winzige Staaten der Herzöge von Sonderburg und Norburg auf Alsen, der Herzöge von Aerö, Glücksburg und Plön. In der Folge des Großen Nordischen Krieges, in dem Dänemark und Russland versuchten, Schwedens Einfluss in Nordeuropa zu schmälern, stand der Gottorfer Herzog auf der Seite der Schweden. Diese unterlagen allerdings 1720 und konnten Gottorf nicht mehr unterstützen. Die Gottorfer verloren ihre Besitzungen in Schleswig, einschließlich Schloss Gottorf, an den dänischen König. Der Staat der Gottorfer war nur noch ein kleines zerstückeltes Territorium in Holstein. Die Gottorfer wollten sich mit dieser Situation nicht abfinden und suchten eine neue Schutzmacht. Herzog Carl Friedrich (1700-1739) heiratete die ältere Tochter Zar Peters des Großen. Diesem Paar wurde 1728 ein Kind geboren. Dieses Kind wurde 1742 von der unverheirateten Zarin Elisabeth, der jüngeren Tochter Peters der Großen, zum russischen Thronfolger ernannt; aus dem Gottorfer Herzog Carl Peter Ulrich (1728-1762) war ein russischer Großfürst geworden. Er heiratete 1745 die Prinzessin Sophie Friederike von Anhalt-Zerbst (1729-1796). Nach dem Tod der Zarin Elisabeth 1762 bestieg der Kieler Carl Peter Ulrich als Peter III. den Zarenthron. Sogleich bereitete er einen Feldzug gegen Dänemark vor, um sich die 1720 für die Gottorfer verlorenen Territorien wieder zu holen. Zu einem Krieg kam es aber nicht mehr, denn Peter III. blieb gerade einmal sechs Monate Zar. Seine Frau hatte mit anderen seinen Sturz betrieben, schließlich wurde er ermordet, und bis heute ist ungeklärt, wer hinter der Gewalttat steckte. Seine Frau freilich bestieg als Katharina II. den Zarenthron. Sie sollte als Katharina die Große in die Geschichte eingehen. Den geplanten Feldzug gegen Dänemark wegen Schleswig und Holstein brach sie sogleich ab. An ihrem Hof wirkte ab 1761 der Diplomat Caspar von Saldern (1711-1786), Herr auf dem Gut Schierensee am Westensee (Abb. 2). Er vermittelte einen Gebietstausch, durch den im Ergebnis Russland auf seinen Anspruch auf den Gottorfer Anteil von Schleswig ebenso verzichtete wie auf den Besitz in Holstein. Auch der gemeinschaftlich regierte Teil Holsteins fiel nun ganz an den dänischen König. Dänemark musste sich im Gegenzug von den vom dänischen König in Personalunion regierten Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst im heutigen Niedersachsen trennen. Festgeschrieben wurde dies in dem Vertrag von Zarskoje Selo 1773 (Abb. 3). Schleswig und Holstein sind nach diesem Gebietstausch unter einem Landesherrn, dem dänischen König, vereint und bilden einen Teil des dänischen Gesamtstaates, zu dem bis 1814 auch Norwegen gehörte.

Abb. 1. Politische Landkarte als Flickenteppich: Die Herzogtümer Schleswig und Holstein im Jahr 1622. Karte von Erwin Raeth

Abb. 2. Caspar von Saldern (1711-1786) vermittelte als Diplomat den Vertrag von Zarskoje Selo. Gemälde von Vigilius Erichsen. Günther Fielmann Stiftung Schierensee

Abb. 3. Der Tauschvertrag von Juni 1773 u. a. mit der Unterschrift Salderns. Reichsarchiv Kopenhagen

II. Verkoppelung und Agrarreform


Mit der Arrondierung des Gesamtstaates war auch die Grundlage gelegt für einen weiteren wirtschaftlichen Aufschwung in den Herzogtümern. In der Landwirtschaft konnten die Erträge gesteigert werden, weil die althergebrachten Feldgemeinschaften nach und nach aufgelöst wurden. Waren Wiesen, Weiden und Äcker vordem als genossenschaftlich bewirtschaftete Flächen eines Dorfes zu verstehen, sofern es nicht zu einem Gut gehörte, begann nun die Verkoppelung. Der Landmann wirtschaftete nun nicht mehr für die Feldgemeinschaft, sondern auf eigene Rechnung und hatte ein Interesse daran, soviel wie möglich von seinen Äckern herunterzuholen. Das überzeugte auch die Obrigkeit: Bereits 1766 wurde eine Verordnung über das Verkoppeln im Herzogtum Schleswig erlassen, ein Jahr darauf begann es im herzoglichen Anteil Holsteins, 1770 dann auch im königlichen Anteil. Zur gleichen Zeit begannen auch entsprechende Reformen in den Güterdistrikten: die Umstellung der herkömmlichen, auf der Leibeigenschaft der Bauern beruhenden Gutswirtschaft auf eine neue Form, die die Bauern (aber nicht die sog. Insten) als Erbpächter in die Selbstständigkeit entließ. Das hatte eine Verkoppelung ehemaligen Gutslandes sowie die deutliche Trennung von Weideland und Wald zur Folge. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Verkoppelung abgeschlossen. Sie verwandelte weite Strecken der Naturlandschaft in eine vom Menschen geprägte Kulturlandschaft – in der Goethezeit veränderten die Herzogtümer Schleswig und Holstein ihr Angesicht. Die Grenzwälle zwischen den eingeteilten Flurstücken wurden mit Buschwerk bepflanzt, die Knicks entstanden als lebende Zäune (Abb. 4): als sichtbare Grenzmarkierung und als Schutz gegen Wind und Erosion. Nun mussten auch Baumschulen im Land angelegt werden, denn der Bedarf an Gehölzen und Sträuchern für die Knicks ließ sich nicht mehr nur aus der Natur decken. 1795 entstanden erste Betriebe bei Halstenbek, Rellingen und Pinneberg. Parallel zum Prozess der Verkoppelung wurde mit den Agrarreformen in der Folge der Aufklärung und der Französischen Revolution zum 1. Januar 1805 auch die Leibeigenschaft aufgehoben. Mit der intensiveren Landwirtschaft und den daraus resultierenden verbesserten Existenzmöglichkeiten stieg auch die Zahl der Bevölkerung: Lebten 1768 in Schleswig-Holstein – das dritte Elbherzogtum, Lauenburg, eingeschlossen – 553 000 Menschen, waren es 1803 bereits 631 000 Menschen. Die größte Stadt war Altona, das mit rund 23 000 Einwohnern nach Kopenhagen die zweitgrößte Stadt im Gesamtstaat war, gefolgt von Flensburg mit rund 13 000 Einwohnern. Es folgten Schleswig, Rendsburg, Kiel und Glückstadt. In den Städten lebten rund 20 Prozent der Schleswig-Holsteiner; etwa 1 Prozent gehörte dem Adel an.

Abb. 4. Anlegen eines Knicks. Titelkupfer zu Nicolaus Oest: Oeconomisch-practische Anweisung zur Einfriedigung der Ländereien. Flensburg 1767

III. Atlantischer Dreieckshandel


Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts bestimmte die Westindienfahrt insbesondere in Flensburg ein Jahrhundert lang Schiffbau, Handel und Gewerbe. Flensburg war wesentlicher Stützpunkt in einem Wirtschaftssystem, das als „Atlantischer Dreieckshandel“ bezeichnet wird und an dem sich alle seefahrenden Nationen Europas beteiligten: Aus Europa wurden Gewehre und Munition sowie Branntwein per Schiff an die westafrikanische Küste gebracht. Dafür wurden Sklaven gekauft und über den Atlantik verschifft auf die westindischen Inseln und in die Neue Welt, die für die verschleppten Afrikaner im Wesentlichen aus Plantagen bestand, auf denen Zucker, Rum, Tabak und Baumwolle produziert wurde. Diese Produkte wurden nach Europa geliefert, und so schloss sich dieser Wirtschaftskreislauf mit drei Eckpunkten. Geradezu zur Symbolfigur für den Atlantischen Dreieckshandel wurde der aus Demmin stammende Kaufmann Heinrich Carl Schimmelmann (1724–1782), der in Stettin Kaufmann gelernt und sich in Sachsen ein Vermögen verdient hatte (Abb. 5). Über Hamburg kam er als Finanzberater an den dänischen Hof in Kopenhagen und stieg schließlich bis zum Finanz- und Handelsminister auf. Zugleich erwarb er vier Zuckerplantagen auf den dänischen Inseln in der Karibik, zwei auf der Insel St. Croix und je eine auf St. Thomas und St. Jan. Bei Kopenhagen besaß er eine Gewehrfabrik und eine Zuckerraffinerie; zum Zeitpunkt seines Todes nannte er tausend Sklaven sein eigen und war damit einer der größten Sklavenhalter Europas. Er hatte sich schon vor seinem Kopenhagener Engagement das Renaissanceschloss Ahrensburg gekauft. Seine beiden Töchter verheiratete er mit Angehörigen des einheimischen Adels: Caroline...

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