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E-Book

Hemingway

Ein Mann mit Stil

AutorThomas Fuchß
Verlagmareverlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783866483255
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
»Von allen Büchern über sich selbst hätte Hemingway dieses am besten gefallen, denn es ist so, wie er sich selbst gern ge­sehen hätte: unterhaltsam, charmant und nicht zu dick.« Oliver Maria Schmitt Ernest Hemingway war ein Mann, der die Gemüter durch Wort und Tat spaltete, Idol für seine Freunde, für seine Gegner eine Reizfigur. In was für eine Schublade sollte man einen Nobelpreisträger auch packen, der im Nebenberuf Großwildjäger, Kriegsreporter und Hochseefischer war (vom Trinker und Weiberhelden gar nicht zu reden)? Und was ist heute von ihm zu halten, was macht die Hemingway-Lektüre jetzt noch lohnend? Dieser Frage widmet sich Thomas Fuchs, selbst lange hin- und hergeworfen zwischen haltloser Bewunderung und kritischer Exegese, mit erfrischender Respektlosigkeit. Natürlich geht es auch um das innige Verhältnis des alten Mannes zum Meer. An Land zeigte sich Hemingway Wasser gegenüber bekanntermaßen skeptisch (da bevorzugte er hochprozentige Flüssigkeiten), doch auf See fühlte er sich ganz in seinem Element. Ob als Lebendköder für deutsche U­-Boote vor Kuba, beim Wettangeln mit Fidel Castro oder in seinem wohl bekanntesten literarischen Werk 'Der alte Mann und das Meer' - auf dem Wasser gelang es dem großen Abenteurer, seine Dämonen zu besiegen und seine Fabeln in eine zeitlose Form zu gießen.

Thomas Fuchs, 1962 geboren, ist Journalist, Texter, Drehbuchverfasser und Titanic-Autor. 2009 erschien sein Debütroman »Grenzverkehr«, 2013 sein erster historischer Roman »Arminius - Kampf gegen Rom«. Daneben schreibt er Reiseführer und Reportagen. 2012 kam seine Mark-Twain- Biografie »Ein Mann von Welt« auf den Markt, der die Frankfurter Allgemeine Zeitung bescheinigte, ein »kurzweiliges Vergnügen« zu sein, das »auf unnötige Lobhudeleien verzichtet und dort respektlos ist, wo es angebracht ist«.

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Leseprobe

ER SPIELTE CELLO


Ernest Hemingway wurde am 21. Juli 1899 gegen acht Uhr morgens in einem Vorort von Chicago geboren. Das scheint auf den ersten Blick ein angemessener Geburtsort für einen Schriftsteller zu sein, der eine Schwäche für die Brutalitäten dieser Welt hatte. Chicago, das klingt nach Al Capone und Gangsterkriegen, brutalem Kapitalismus. Außerdem wurden in den riesigen Schlachthäusern der Stadt die ersten Lebensmittelskandale des Industriezeitalters aufgedeckt. Blut, Gewalt und Gier – könnte es für einen angehenden Abenteurer und Literaten ein besseres Ambiente geben? Allerdings hat Hemingways Heimatort Oak Park mit dem Kern von Chicago ungefähr so viel gemeinsam wie Berlin-Wannsee mit Neukölln.

Oak Park war nicht nur ein schmuckes Örtchen für die Oberschicht, es war darüber hinaus so weiß, angelsächsisch und protestantisch wie irgend möglich. Und man ist auch heute noch stolz darauf, dass alle Versuche Chicagos, das Örtchen einzugemeinden, abgewehrt werden konnten. Seit 1870 wurde hier kein Alkohol verkauft (was vielleicht erklärt, weshalb der Schriftsteller in seinem späteren Leben solch einen Nachholbedarf hatte). Neben dem Konsum von alkoholischen Getränken wurde auch öffentliches Fluchen geahndet, Tanzmusik war verpönt wie Schundliteratur. Und damals, um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert, galten eine Menge Bücher als Schundliteratur, die heutzutage zum Kanon des Bildungsbürgers gehören.

Schwarze wurden nicht geduldet, Juden waren nicht erwünscht; den lärmenden, trinkenden und katholischen Iren von der anderen Seite des Bahndamms begegnete man mit Misstrauen, brauchte sie jedoch für niedere Arbeiten.

All diejenigen, die Amerika als Hort der Freiheit und Liberalität schätzen, dürfen nicht vergessen, dass ein Großteil der Auswanderer damals die britischen Inseln verließ, weil ihnen die Religiosität in ihrer Heimat nicht rigoros genug war. Puritaner meinten, dass sich Gottes Gnade nicht zuletzt im geschäftlichen Erfolg zeigt. Grundlagen des Erfolges waren die Kardinaltugenden Mäßigung, Fleiß und Ausdauer, vor allem aber Willenskraft. Man wollte einfach glauben, mit dem nötigen Willen ließe sich letztlich alles erzwingen.

Ernests Eltern Grace und »Ed« Clarence Hemingway befanden sich voll auf der Linie ihrer Gemeinde. Auch sie taten am liebsten so, als wären sie an Bord der Mayflower nach Amerika gekommen. Ernests Mutter konnte immerhin für sich reklamieren, dass ihre Eltern noch in England zur Welt gekommen waren.

Hemingways Vorfahren waren Einwanderer und hatten es in der Neuen Welt zu Wohlstand gebracht. Der Großvater seiner Mutter war Kaufmann, der seines Vaters Immobilienmakler. Die Hemingways stimmten regelmäßig für die Republikaner, schließlich hatte Lincoln den Zusammenhalt der Union bewahrt und somit das Fundament für die zukünftige Großmacht der Vereinigten Staaten gelegt. Hemingways Großvater hatte im Bürgerkrieg auf Seiten der Yankees gekämpft und war dabei verwundet worden. Diese Schusswunde – obwohl ihre Natur und die Umstände des Erwerbs im Unklaren gelassen wurden (es könnte sich also um eine ähnlich ruhmlose Verletzung wie die des in der Leistengegend getroffenen Onkel Toby in Laurence Sternes Tristram Shandy handeln) – wurde in der Familie in hohen Ehren gehalten. Es sollte noch ein paar Jahre dauern, bis Hemingway mit eigenen Schussverletzungen zu seiner Legendenbildung beitragen konnte – und noch ein paar Jahrzehnte, bis er in diesem Punkt alle Verwandten übertrumpfen sollte.

Als die republikanische Roosevelt-Variante – also Theodore – 1901 zum Präsidenten gewählt wurde, fühlten sich die Hemingways politisch auf der Siegerseite. Der als Raubein und Brillenträger berühmte Mann stand für vieles, an das auch die Hemingways glaubten: Gewinnstreben, Naturverbundenheit und die ständige Bereitschaft, jedem eine Lektion zu erteilen, der nicht akzeptierte, dass man im Recht sei. Und wie es sich für einen amerikanischen Friedensnobelpreisträger gehört – Roosevelt erhielt diese Auszeichnung 1906 –, war er auch militärischen Auseinandersetzungen durchaus nicht abhold.

Es gibt Fotografien aus Hemingways Kindheitstagen, auf denen es den Anschein macht, als posiere er für eine Verfilmung der Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn: auf dem Kopf einen Strohhut, in den Händen eine Angel, die Hosenbeine hochgekrempelt und bis zu den Knöcheln im Wasser. Aber für den kleinen Ernest – der sich damals auch »Huck Hemingstein« rufen ließ und später Huckleberry Finns Abenteuer als die Quelle aller amerikanischen Literatur feierte – waren die Ausflüge in die Natur keine Flucht aus der Welt der Zivilisation, sondern Teil des Curriculums. Sowohl Vater als auch Mutter legten Wert darauf, dass sich ihre Kinder in der Natur nicht nur bewegen, sondern auch behaupten konnten. Hemingway litt seit Kindertagen an einer Sehschwäche auf dem linken Auge, was ihn aber nicht daran hinderte, sich bald zu einem beachtlichen Schützen zu entwickeln. Trotz des schwachen Auges fing er erst mit knapp dreißig Jahren an, eine Brille zu tragen, was bei einem Schriftsteller, der sich für seine Beobachtungsgabe und seinen Blick fürs Detail rühmen ließ, bemerkenswert ist.

Die kleinen Hemingways wurden von ihrem Vater – für den die Ausflüge in die Natur eine Möglichkeit zur Flucht aus der Rolle des Gatten und Familienvaters boten – zu kundigen Waldläufern ausgebildet. Als Ernest zehn Jahre alt war, bekam er sein erstes Gewehr geschenkt. Die Kinder lernten, wie man ein Feuer macht und am Leben hält, sich ein Nachtlager bereitet und wie man Fallen stellt. Wichtiger noch: Sie lernten, wie man seine Beute zu Nahrung macht. Die Speisekarte der Natur war überraschend vielseitig, denn Papa Hemingways Lektion zu diesem Thema lautete: Wenn etwas vier Beine hat und es ist kein Tisch, dann kann man es vermutlich essen.

Wer – aus welchen Gründen auch immer – Vorbehalte gegen das Waidwerk hat und sich deshalb von den in Hemingways Publikationen vielfach auftauchenden Elogen aufs Jagen und das unsichtbare Band zwischen Jäger und Beutetier abgestoßen fühlt, sollte bedenken: Amerikanische Jagd findet nicht auf dem Hochsitz statt. Diese Form, das gestehen selbst ihre Befürworter ein, hat etwa den Spannungsgehalt eines Films von Wim Wenders. Man sitzt und sitzt und hofft und hofft, dass endlich etwas passiert. Irgendwann betritt dann vielleicht ein Reh die Lichtung, äugt und äst – und bumm, ist es auch schon vorbei.

Die amerikanische Pirsch verläuft ganz anders. Man kommt dem Wild nahe, etwa bis auf zwei Dutzend Schritte. Aus dieser Entfernung sieht sogar ein Wildschwein Respekt einflößend aus, von größeren Tieren ganz zu schweigen. Wenn man sich dann noch an den Kodex hält, dass das Wild nur in der Bewegung geschossen werden darf, wird die Begegnung zu einer Konfrontation, bei der das Tier nicht völlig chancenlos ist. Natürlich ist ein Jäger mit einer funktionierenden Waffe und ruhiger Hand immer noch klar im Vorteil – trotzdem fällt es um einiges leichter, dieser Jagdvariante eine gewisse Fairness zuzugestehen und ihren Reiz nachzuvollziehen.

Ebenso wichtig wie das Überlebenstraining in freier Natur war für die Hemingway’sche Erziehung das Training des Geistes. Bildung diente in Oak Park vor allem als Statussymbol: Man erwarb sie nicht aus Neugier auf die Welt, sondern weil man definieren wollte, woher man kam und wer man war. Nicht zuletzt deshalb galt amerikanische Literatur bei den Hemingways wenig – nicht mal James Fenimore Cooper mit seinen Lederstrumpf-Erzählungen hatte vor dem kritischen Auge der Naturfreunde Bestand. Sie waren von englischem Blut, also lasen sie englische Literatur. Auf den heimischen Regalen stapelten sich vor allem die Werke Shakespeares, aber auch diejenigen Chaucers, dessen Canterbury-Erzählungen zum Glück so verschlüsselt anzüglich waren, dass dies kaum einem Leser auffiel. Der literarische Hausgott war jedoch John Milton. Milton Jo war ein Ur-Puritaner aus dem 17. Jahrhundert, der ohne Pathos vermutlich nicht mal aufs Klo gehen konnte. Seine Themen waren Rache und Vergeltung, alles hatte groß und gewaltig zu sein. Als Chefideologe der puritanischen Partei hatte er in einem Gedicht die Hinrichtung des britischen Königs Jakob I. gerechtfertigt und war dafür mit einem Parlamentssitz belohnt worden. Nachdem er aus der Politik ausschied, machte er sich an sein Lebenswerk: Das verlorene Paradies, eine hochtönende Nacherzählung des Sündenfalls in zwölf umfangreichen Büchern. Der von Milton begründete »Grand Style« machte es möglich, die Welt als einen immerwährenden Kampf zwischen Gut und Böse, Satan und Gott zu sehen. Und was seine Willensstärke betrifft: Während der Arbeit am Verlorenen Paradies bemerkte Milton, dass seine Sehkraft nachließ. Er ahnte, dass er erblinden...

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