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E-Book

Herrscherin im Paradies der Teufel

Maria Carolina, Königin von Neapel

AutorFriederike Hausmann
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl317 Seiten
ISBN9783406666964
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Für Napoleon war sie die 'gefährlichste Frau Europas'. Denn Maria Carolina von Neapel-Sizilien, eine Tochter Maria Theresias, war ebenso machtbewusst und willensstark wie ihre Mutter. Als Sechzehnjährige wurde sie 1768 mit dem kaum älteren König FerdinandIV. von Neapel-Sizilien verheiratet, um den habsburgischen Einfluss in Italien zu sichern. Sie kam in ein Land, das bei den Zeitgenossen für seine Kunst- und Naturschönheiten berühmt war. Doch war es auch berüchtigt wegen der großen Armut des Volkes und der wilden Feste des Adels. Die Hauptstadt Neapel, die an Größe und Lebendigkeit den Metropolen London, Sankt Petersburg und Paris gleichkam, galt als 'von Teufeln bewohntes Paradies'. Lebendig und anschaulich erzählt Friederike Hausmann das Leben dieser außergewöhnlichen Frau, die erst den Aufklärern nahestand und sie dann erbarmungslos verfolgte, die mit Lord Nelson und Lady Hamilton befreundet war und die schließlich ihr Königreich an Napoleon verlor.

Friederike Hausmann beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Geschichte Italiens, das sie in zahlreichen Büchern porträtiert hat. Nach langjährigem Aufenthalt in Italien lebt sie heute als Autorin und Übersetzerin in München. Als Italien-Expertin schreibt sie für den Rundfunk sowie überregionale Tages- und Wochenzeitungen.

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Leseprobe

Ankunft in der Fremde


Zwei Mal dritte Wahl


~ Am 12. Mai 1768 erreichte der Wagenzug der königlichen Braut bei Terracina die Grenze zu ihrer neuen Heimat, dem Königreich Neapel-Sizilien. Die achtundfünfzig von berittenen Garden begleiteten Wagen hatten sich mehr als vier Wochen lang von Wien aus über die holprigen Straßen Österreichs und Italiens gequält. Man hatte den mühsamen Landweg statt der Einschiffung von Triest aus gewählt, um die Bedeutung der Heirat zwischen der noch nicht ganz sechzehnjährigen Maria Carolina, Tochter der österreichischen Kaiserin Maria Theresia, und dem um eineinhalb Jahre älteren Ferdinando IV., einem Sohn des spanischen Königs Carlos III., zu unterstreichen.

Maria Carolina war seit frühester Jugend darauf vorbereitet worden, dass sie einmal eine politische Rolle spielen sollte. Sie hatte erlebt, wie ihre Brüder und Schwestern zum Teil gegen heftigen Widerstand mit Prinzen und Prinzessinnen der wichtigsten Höfe Europas verheiratet wurden. Sie konnte Latein, Französisch, Englisch und Italienisch, auch wenn alles, was sie sagte oder schrieb, mit wienerischen Brocken durchsetzt war. Außer in Musik, Tanz und Literatur hatte sie auch in Mathematik, Geographie, Philosophie, Geschichte und Recht Unterricht erhalten. Und doch war die Fünfzehnjährige letztlich unvorbereitet.

Die Heiratsanbahnung zwischen den Höfen in Wien und Neapel hatte sich seit 1759 hingezogen. Als Braut für den damals achtjährigen Ferdinando war die neunjährige Erzherzogin Maria Johanna auserwählt worden. Bevor irgendetwas Konkretes erreicht war, erkrankte Johanna an Pocken und starb 1762. An ihrer Stelle wurde unverzüglich die um ein Jahr jüngere Maria Josepha als künftige Königin auserkoren. Die eigentlichen Vorbereitungen für die lange Reise nach und durch Italien konnten endlich beginnen, als Ferdinando 1767 in Neapel mit sechzehn Jahren für volljährig erklärt wurde. Es sollte ein Triumphzug werden, der für ganz Europa sichtbare Beweis, welche Rolle das Haus Habsburg in Italien nach wie vor spielte und auch künftig zu spielen gedachte.

In Neapel fanden für Hof und Adel glanzvolle Musikdarbietungen in der Oper statt, fürs Volk lärmende Feste auf Straßen und Plätzen. Am Wiener Hof trafen aus allen Teilen Italiens Gedichte ein, in denen das Brautpaar und die Verbindung der beiden großen europäischen Dynastien gefeiert wurden, bis Maria Theresia schließlich verbreiten ließ, es sei nun genug. Wenige Tage vor der Abreise musste die Braut noch eine traurige Pflicht erfüllen, gegen die sich das junge Mädchen vergebens mit Händen und Füßen wehrte. Doch die Mutter zwang sie, mit ihr in die Kapuzinergruft hinunterzusteigen, in der die Mitglieder der Familie noch heute begraben liegen. Maria Theresia empfand seit dem Tod ihres Mannes immer öfter ein inneres Bedürfnis, vor wichtigen Entscheidungen in die Gruft hinabzusteigen, um an den Gräbern ihrer Ahnen zu beten. Zugleich jedoch verstand sie dieses Ritual auch überaus wirksam politisch zu inszenieren. Mit ihrem Gatten Franz Stephan von Lothringen zusammen hatte sie einen glanzvollen Erweiterungsbau der habsburgischen Grablege errichten lassen. Seit er 1765 gestorben war, lag Maria Theresias Mann in dem riesigen Doppelsarkophag, in dem auch für seine Witwe ein Platz vorgesehen war. Um dieses zentrale Monument standen an den Wänden bereits die kleinen Sarkophage von Erzherzogin Johanna und sechs weiteren Kindern Maria Theresias, von denen vier das erste Lebensjahr nicht erreicht hatten. Noch nicht in einem der aufwendig geschmückten Bronzesarkophage verschlossen, sondern in einem mit rotem Samt ausgeschlagenen Holzsarg aufgebahrt, lag die aus Bayern stammende zweite Gemahlin von Kaiser Joseph II., dem Sohn und Mitregenten Maria Theresias. Sie war am 28. Mai 1767, vier Monate bevor die junge Braut des neapolitanischen Königs in die Gruft hinuntersteigen musste, ebenfalls an den Pocken gestorben. Nachdem die kleine Erzherzogin widerstrebend vor ihren verstorbenen Verwandten niedergekniet war und gebetet hatte, zeigten sich auch bei ihr die Symptome der gefürchteten Krankheit, und am 15. Oktober, einen Tag vor der geplanten Abreise war sie tot.

Maria Theresia war bereit, eine weitere ihrer heiratsfähigen Töchter anzubieten. In seinem Kondolenzschreiben an die Kaiserin hatte der neapolitanische König zum Ausdruck gebracht, dass er «zum Trost» einen neuen Vorschlag erwarte. Man ließ ihm die Wahl zwischen der fünf Jahre älteren Maria Amalia und der eineinhalb Jahre jüngeren Maria Carolina. Die Wahl fiel auf Maria Carolina. Die Reisevorbereitungen wurden an dem Punkt wieder aufgenommen, an dem sie beim Tod Maria Josephas unterbrochen worden waren. In Neapel war man nun allerdings vorsichtig geworden. Die Feierlichkeiten sollten diesmal erst dann angesetzt werden, wenn die Braut auch tatsächlich eingetroffen war. Am 7. April des folgenden Jahres wurde Maria Carolina per procuram in Wien vermählt, die Rolle des künftigen Ehemanns übernahm bei der Zeremonie ihr jüngerer Bruder, der ebenfalls Ferdinand hieß. Maria Theresia gab ihrer Tochter in einem langen Schreiben ausführliche Ratschläge für ihre künftige Rolle mit. Sie waren allerdings weder dem Charakter ihrer Tochter angemessen noch bereiteten sie diese auf das vor, was sie tatsächlich vorfinden sollte. Maria Carolina besaß nicht die Sanftmut und leichte Lenkbarkeit ihrer älteren Schwestern, sondern war, wie Maria Theresia ihr streng vorhielt, lebhaft, impulsiv und aufsässig. Ein Jahr vor ihrem Aufbruch in den Süden war ihr deshalb jeder Umgang mit ihrer um drei Jahre jüngeren Lieblingsschwester, der künftigen französischen Königin Marie Antoinette, verboten worden, weil sie mit dieser immer herumkicherte, tuschelte und Geheimnisse vor ihren Erzieherinnen hatte. Strenge Vorhaltungen machte ihr die Mutter auch, weil sie ihre Gebete «sehr nachlässig, ohne Ehrfurcht und Aufmerksamkeit und schon gar nicht mit Inbrunst» gesprochen hatte[1]. Die Gottesfurcht und das regelmäßige Gebet standen überhaupt im Mittelpunkt der Instruktionen, die Maria Theresia ihrer Tochter für ihre künftige Rolle als «Ehefrau und Herrscherin» mitgab: «Da der große Gott Euch zum Herrschen bestimmt hat, müsst Ihr Vorbild sein, vor allem in diesen schlimmen Zeiten, in denen unsere heilige Religion so wenig praktiziert und geliebt wird.»[2] Maria Theresia empfahl ihrer Tochter dringend, täglich die Messe zu besuchen und zu beichten, warnte sie aber davor, den Beichtvater, der ihr nach Neapel folgen sollte, in «irgendeine Angelegenheit» einzuweihen, die nicht ihr Seelenheil beträfe. Stattdessen sollte sie sich an erbauliche Lektüre halten und wenn möglich auch ihren künftigen Ehemann dazu anhalten. Für die Ehe gab Maria Theresia Ratschläge, wie sie ihre Tochter auch aus jedem dieser erbaulichen Bücher hätte entnehmen können: «Ihr müsst Euch stets um das Vertrauen Eures Ehemanns bemühen, und das ist Eure einzige Aufgabe. Dieses Vertrauen gewinnt man durch Liebenswürdigkeit ohne Übertreibung und ohne sich aufzudrängen. Ihr wisst, dass Frauen ihren Männern untertan sind, ihrem Willen und auch ihren Launen, sofern diese unschuldig sind. Für diese Regel gibt es keine Ausnahme, und in diesem Punkt finden Frauen keine Gnade.» Etwas persönlicher, aber ebenso zurückhaltend war Maria Theresia hinsichtlich der Rolle ihrer Tochter als Herrscherin. Sie warnte dringend davor, sich in die Geschäfte mehr einzumischen als es der König wünsche, und verwies dabei auf die Last, die für sie selbst ihr Amt als regierende Erzherzogin bedeutete. Da aber Maria Carolina anders als ihre Mutter bloß Ehefrau an der Seite des rechtmäßigen Königs werden sollte, empfahl sie ihr, sich so wenig wie möglich um die Staatsgeschäfte zu kümmern. Das versuchte die Kaiserin ihrer Tochter mit Nachdruck klarzumachen: «Da es nicht Eure Aufgabe ist zu regieren und nicht auf Euch ankommt, lasst andere sich darum kümmern, die darüber Rechenschaft ablegen müssen, ohne Euch damit zu belasten. Widmet Euch stattdessen ganz und gar Eurem Ehemann.»[3] Auf die besondere Situation, die Maria Carolina in Neapel antreffen würde, ging ihre Mutter nur sehr vage und allgemein ein. Sie riet, vor allem anfangs, solange ihre Tochter noch niemanden kannte, in jeder Hinsicht vorsichtig zu sein: «Verbindlichkeiten, Protektion, Vertraulichkeiten und Eifersüchteleien spielen in Italien eine größere Rolle als hier. Nur durch eine feste, aufrichtige und geradlinige Haltung, verbunden mit Großzügigkeit, soweit Eure Finanzen es erlauben, werdet Ihr Eure Umgebung für Euch gewinnen, bei Eurem Hof Anerkennung finden und das Wohl Eures Volkes fördern. Nehmt Euch an Eurem Bruder Leopold [Großherzog von Toskana] und seiner Frau ein Beispiel.»

Dass derartige wohlmeinende und wohlfeile Ratschläge ihrer Tochter bei der Bewältigung ihrer zukünftigen Aufgaben wenig nützen würden, wusste Maria Theresia vermutlich nur allzu gut. «In großer Sorge» hatte sie sich – unter dem Siegel der Verschwiegenheit – gegenüber der Erzieherin Gräfin Lerchenfeld schon für Maria...

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