Das Land Hessen hat aufgrund der Unterzeichnung des BRK und der einhergehenden Verpflichtung durch den Bund und die folgende Verpflichtung der Länder, Inklusion im Sinne der UN‑BRK umzusetzen, reagiert.
Infolge einer geänderten Rechtsprechung durch eine Gesetzesnovelle im August 2012 wurde das hessische Schulgesetz entsprechend angepasst. Der Gesetzgebung folgend hat nun jedes Kind einen Anspruch auf eine Beschulung an einer Regelschule. Das HSchG gibt vor, dass alle schulpflichtigen Kinder an einer Regelschule angemeldet werden müssen (§ 54 HSchG). §54 HSchG regelt auch die Möglichkeit einer integrativen Beschulung an der Regelschule. Die Eltern können aber auf besonderem Wunsch ihre Kinder auch an einer Förderschule anmelden und unterrichten lassen. Dieses Recht der Eltern bezieht sich aber nicht auf eine inklusive Beschulung an einer Regelschule. Im Rahmen des Inklusionsprozesses sind noch nicht alle Schulen auf einen inklusiven Unterricht vorbereitet. Die Schulen können sogar selber die Beschulung von Kindern mit Förderbedarf ablehnen, wenn die Schule im Sinne §54 (4) HSchG wegen eines Ressourcenvorbehaltes die Aufnahme ablehnt und die Eltern auf einen Antrag zur Beschulung an einer Förderschule verweist (vgl. IGEL-OF e.V. 2012:S.9f). Im Falle eines Interessenskonflikt entscheidet das hessische Schulamt.
Um SchülerInnen inklusiv zu beschulen unterstützen Bund und Land diese auf unterschiedliche Weise. Die Hilfen werden unabhängig voneinander bewilligt.
Duales Fördersystem bei inklusiver Beschulung
Schaubild: Peter Sonnenberg
Die Unterstützung des Bundes erfolgt im Rahmen des SGB. Hier kann es sein, dass dem Betroffenen ein Schulbegleiter zur Seite gestellt wird, damit dieser inklusiv beschult werden kann. Die Unterstützung durch das Land Hessen erfolgt im Rahmen des HSchG.
Das HSchG gibt die Rahmenbedingungen für inklusive Beschulung vor (Bsp.: Schülerzahl in der Klasse, Förderlehreranteil). Die §§ 49‑55 HSchG regeln insgesamt die sonderpädagogische Förderung des Landes Hessen. Im siebten Abschnitt des dritten Teils des HSchG ist die Sonderpädagogische Förderung, auch im Rahmen einer inklusiven Beschulung, geregelt.
§ 49 Anspruch auf sonderpädagogische Förderung
§ 50 Förderauftrag und Förderschwerpunkte
§ 51 Inklusive Beschulung in der allgemeinen Schule
§ 52 Besonderer Unterricht in der Berufsschule
§ 53 Förderschulen
§ 54 Beschulung bei Anspruch auf sonderpädagogische Förderung
§ 55 Nähere Ausgestaltung der sonderpädagogischen Förderung
Das HSchG ist die Grundlage für die VOSB[1]. Die VOSB ist eine Vorschrift mit Rechtssatzcharakter und ergänzt das HSchG.
Hessen besitzt ein mehrgliedriges Schulsystem. Die hessischen Schülerinnen und Schüler haben nach der vierjährigen Grundschule in der Regel die Wahl zwischen der Mittelstufenschule, dem Gymnasium und den Gesamtschulen. Neben den Regelschulen können SchülerInnen auf Antrag auch allgemeine oder spezielle Förderschulen besuchen. Die Beschulung in Förderschulen wird von etwas mehr als 4% der SchülerInnen wahrgenommen (siehe 2.c. Ziel 1). Ca. 5,5% der hessischen SchülerInnen besuchen eine Ersatzschule (vgl. AGFS Hessen).
Neben der Beschulung behinderter Kinder in der Regelschule sieht das hessische Inklusionsgesetz ein duales System von Förder- und Regelschulen vor. „Aber und das ist mir auch sehr wichtig: In allen Förderschwerpunkten wird ein passendes Förderschulangebot erhalten bleiben, “ erklärt der hessische Kultusminister Lorz im November 2015 (vgl. CDU-Hessen).
Die BRK hat die Menschenrechte in Bezug zu behinderten und benachteiligten Menschen und ihren einhergehenden besonderen Bedürfnissen sehr konkret dargestellt. Das Land Hessen hat auf die Unterzeichnung der BRK durch die Bundesrepublik reagiert und im Rahmen einer Gesetzesnovelle im August 2012 (siehe 2.1) das hessische Schulgesetz entsprechend der Vorgaben der BRK angepasst. Um Inklusion an den hessischen Schulen zu ermöglichen hat das Hessische Kultusministerium (HKM) für das Land Hessen 10 Grundsatzziele definiert. Die Grundlage zur Definition der Grundsatzziele waren die Koalitionsvereinbarung und die gesetzlichen Vorgaben des HSchG und der VOSB.
10 Grundsatzziele des Landes Hessen um Inklusion an hessischen Schulen zu ermöglichen:
„Ziel 1: Der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Anspruch auf sonderpädagogische Förderung an Grundschulen und weiterführenden Schulen wird erhöht. Im Gegenzug wird die Förderschulbesuchsquote in den nächsten Jahren von 4,31 % auf 4 % abgesenkt.“
Ziel 2: Der Hessische Referenzrahmen Schulqualität berücksichtigt die Förderung von Schülern mit Behinderungen und Beeinträchtigungen. Die Wirksamkeit inklusiver Bildung wird evaluiert.
Ziel 3: „Modellregionen Inklusive Bildung“ werden ausgewiesen. Diese Schulträgerbereiche zeichnen sich dadurch aus, dass inklusive Angebote für jeden Förderschwerpunkt in jeder Schulform vorgehalten werden.
Ziel 4: In jeder Region stehen Ansprechpartner für Eltern hinsichtlich der inklusiven Beschulung ihrer Kinder und für Schulen zur Beratung und Unterstützung bei der inklusiven Schulentwicklung zur Verfügung (siehe auch Fachberaterinnen und Fachberater Inklusion).
Ziel 5: Lehrerressourcen für „Sonderpädagogische Förderung“ werden optimal genutzt. Das heißt:
Bündelung sonderpädagogischer Ressourcen und Fördersysteme,
Öffnung und weitgehende Beibehaltung der Förderschulressourcen auch für die allgemeine Schule.
Ziel 6: Förderschulen verlagern ihre Angebote schrittweise unter das Dach der allgemeinen Schule zur wohnortnahen inklusiven Beschulung. Sonderpädagogische Kompetenzen werden schrittweise an die allgemeine Schule verlagert, hochwertiger Unterricht wird gesichert durch
ambulante und präventive Maßnahmen,
inklusiven Unterricht
Kooperationsklassen.
Ziel 7: Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen erreichen den bestmöglichen Abschluss durch hochwertigen Unterricht in der inklusiven Beschulung.
Ziel 8: Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen sind auf die Teilhabe am Berufs- und Arbeitsleben vorbereitet sowie zur selbstständigen Lebensgestaltung befähigt.
Ziel 9: Maßnahmen zur Steigerung des Bewusstseins für die Belange von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen werden im Schulprogramm verankert.
Ziel 10: Inklusive Bildung ist fester Bestandteil der Aus-, Fort- und Weiterbildung für alle Lehrämter und pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es bestehen Angebote zur Qualifikation von Schulleitungen aller Schulformen zur Entwicklung inklusiver Strukturen an allgemeinen Schulen.
Im Rahmen des Projekts Inklusion wurde das Projektbüro Inklusion in Wiesbaden eingerichtet. Darüber hinaus wurden an den staatlichen Schulämtern Fachberaterinnen und Fachberatern Inklusion benannt. (HKM - Grundsatzziele)“.
Das HKM will in den nächsten Jahren die inklusive Bildung weiterhin ausbauen. Dazu soll die Besuchsquote der Förderschule gesenkt und die Besuchsquote von Schülern mit Anspruch auf sonderpädagogischen Förderbedarf gesteigert werden. Dazu stehen laut HKM Beratungsstrukturen zur Verfügung, welche zum Einem die Eltern zu der inklusiven Beschulung beraten soll, und zum Anderen den Schulen selbst beratend und unterstützend beim Ausbau inklusiver Strukturen zur Seite stehen. Die Angebote der Förderschule sollen schrittweise ihre Angebote an die Regelschulen verschieben und die sonderpädagogischen Kompetenzen sollen nach und nach an die Regelschulen verlagert werden. Dies soll eine wohnortnahe inklusive Beschulung sichern. Das HKM richtet zudem Modellregionen für inklusive Bildung ein. Der hessische Kultusminister Lorz und die hessische Schuldezernentin Janz haben im November 2015 bekanntgegeben, dass zu den vier bereits existierenden Modellregionen in Hessen fünf hinzukommen. Rund 44% der hessischen SchülerInnen werden in den nun insgesamt neun Modellregionen unterrichtet. „Die Umsetzung inklusiven Unterrichts durch Modellregionen erreicht somit fast die Hälfte der hessischen Schülerschaft“, so Kultusminister Lorz (vgl. CDU-Hessen). Aus den Erfahrungen der...