Sie sind hier
E-Book

Hexenjagd

Mein Schuldienst in Berlin

AutorUrsula Sarrazin
VerlagDiederichs Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783641083618
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
35 Jahre hat die Grundschullehrerin Ursula Sarrazin an deutschen Schulen unterrichtet, zuletzt bis zu ihrer Pensionierung an der Berliner Reinhard-Otto-Grundschule im Stadtteil Westend. Ihr erstes und mit Spannung erwartetes Buch ist ein fundierter und pointierter Beitrag zur Schul- und Bildungsdebatte. Sie spricht aus, welche Fehler die Politik, die Lehrer, die Eltern im vielleicht wichtigsten gesellschaftlichen Bereich - der Erziehung - täglich machen. Und sie formuliert Lösungswege, in deren Mittelpunkt immer das nachhaltige Wohl der Kinder steht.

Ursula Sarrazin wehrt sich vehement gegen die Auslagerung elterlicher Verantwortung an das Bildungssystem: 'Wir Lehrer können nicht alle gesellschaftlichen Defizite beheben. Schule ist damit überfordert. Ein Teil der Elternhäuser müsste stärker mitziehen und sich intensiver um den Bildungserfolg bemühen. Es stört mich, dass dieser Aspekt oft von der Politik ausgeblendet wird, weil es unbequem ist, die Mitarbeit der Eltern einzufordern.'

  • Ein aufrüttelnder Tatsachenbericht
  • Debattenbuch zur deutschen Bildungsmisere


Ursula Sarrazin, Jahrgang 1951, stammt aus Schleswig-Holstein. 1973 trat sie in den Schuldienst; seit letztem Jahr ist sie im Ruhestand. Mit ihrem Mann Thilo Sarrazin hat sie zwei Söhne.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

Vorwort

Seit zu Beginn des Jahres 2011 die öffentlichen Anwürfe gegen mich und meine Amtsausführung als Lehrerin die Gemüter erregten, wurde ich immer wieder darauf angesprochen, ob ich nicht über meine Erfahrungen ein Buch schreiben wollte. Das taten nicht nur Journalisten, sondern auch Menschen in meinem näheren Umfeld, deren Meinung ich hoch schätze. Meine Erlebnisse im Berliner Schuldienst sind sicher nicht alltäglich, das hoffe ich doch zumindest, aber, abgesehen von den Veröffentlichungen, die ja nur wegen meines Namens so »interessant« waren, können sie im Prinzip jedem x-beliebigen Lehrer oder Lehrerin zustoßen, wenn Kollegen, Vorgesetzte und Eltern so reagieren wie in meinem Falle. Auch deshalb habe ich dieses Buch geschrieben, nämlich für meine Kollegen. Manche von ihnen sind arg blauäugig und wissen gar nicht, welcher Unrat sich über ihren Häuptern zusammenbrauen kann. Manche spüren ihre Unwissenheit und reagieren übervorsichtig, wo beherzter Mut nötig wäre oder auch nur ein wenig Standvermögen. Manche werden krank, weil sie keine Strategien kennen und haben, um mit Repressalien umgehen zu können. Lehrer wissen in aller Regel auch nicht, was eine Verwaltung darf, was nicht und was sie tun muss oder tun sollte. Diese Unsicherheit ist kein guter Ratgeber für vernünftiges Verhalten und fundierte Entscheidungen.

Dieses Buch ist auch ein Tatsachenbericht. Dazu habe ich die Sachverhalte und Vorgänge klar benannt und exakt dargestellt. Dabei handelt es sich zum Teil um sehr problematisches, fragwürdiges Verhalten von Vorgesetzten und Kollegen. Es ist mir nicht leichtgefallen, dies zu schildern und die handelnden oder eben gerade nicht handelnden Personen der Öffentlichkeit preiszugeben. Deswegen stehen auch nur Vorgänge in diesem Buch, die belegt sind. Meine hauptsächliche Absicht war es, Missstände aufzudecken, an denen unser Schulsystem krankt, vielleicht ein wenig zu ihrer Lösung beizutragen, und nicht, andere zu verletzen. Als Missstand empfinde ich es auch, dass es Eltern von meinen Vorgesetzten generell zugebilligt wurde, in der Anonymität gegen mich zu wirken, dieselben Vorgesetzten es aber zuließen, wenn nicht gar unterstützten, dass ich öffentlich mit vollem Namen bloßgestellt wurde. »Bei der Führung fehle es in manchen Fällen an der Charakterstärke, die Macht angemessen zu verwalten«, sagte Bernhard Bueb einmal. Das musste ich leidvoll erfahren.

Ich habe mir viel Zeit gelassen. Das Buch erscheint eineinhalb Jahre nach den geschilderten Vorfällen, Zeit genug für Vorgesetzte, in irgendeiner Form zu reagieren. Als ich zu schreiben begann, im September 2011, lagen die Vorgänge, um die es in diesem Buch hauptsächlich geht, auch schon ein halbes Jahr zurück, ohne dass die Schulverwaltung in irgendeiner Weise Anstalten machte, die haarsträubenden Vorwürfe, die da öffentlich gegen mich in völlig unqualifizierter Weise erhoben worden waren, auch nur zu untersuchen, geschweige denn zu widerlegen. Während diesen halben Jahres unterrichtete ich an der Reinhold-Otto-Schule weiter, so als wäre nichts geschehen. Nur aus der Klasse, von der aus einem Teil der Elternschaft die Vorwürfe ausgegangen waren, wurde ich vom Schulabteilungsleiter Laube aus »schulorganisatorischen Gründen« herausgenommen. Ebenfalls ohne jede Prüfung der im Raume stehenden und weiter wabernden Vorwürfe. So wollte ich mein jahrzehntelanges Lehrerdasein nicht abschließen.

Es war mir ein Anliegen, aufzuzeigen, in welchem Netzwerk ein Lehrer agiert. Er ist eingebunden nicht nur in ein Geflecht von Vorschriften und Weisungen, sondern ist auch sehr auf das verständige Wohlwollen und die Sachkenntnis seiner Vorgesetzten angewiesen. Nur in einem solchen Rahmen kann er pädagogisch erfolgreich wirken. Das heißt, zu einer modernen leistungsfähigen Schule gehört eine ebenso leistungsfähige Schulverwaltung, die dem Lehrer für seine Aufgaben den entsprechenden Raum sichert.

Dass ein Teil der Elternschaft tatsächlich so ungehemmt und rücksichtslos, wie ich es erleben musste, versucht, ihre – vermeintlichen – Vorteile gegenüber der Lehrerin ihrer Kinder durchzusetzen, zeigt auch sehr schön das Theaterstück »Frau Müller muss weg« von Lutz Hübner, das zurzeit in Berlin und anderen Städten gezeigt wird. Es geht darum, dass Eltern eine missliebige Lehrerin absetzen lassen wollen. Sie entfachen einen wahren Psychokrieg aus heuchlerischer Sorge um ihr Kind. Die Tatsache, dass es überhaupt ein solches Theaterstück gibt, zeigt, dass dieses Elternverhalten ein Thema in unserer Gesellschaft ist und kein spezielles Problem bei mir war. Dann stellt sich allerdings die Frage, wo wir mit unserem Schulsystem hingekommen sind, wenn solche Verhaltensweisen »normal« werden oder schon sind. Was ist das für eine Gesellschaft, in der es »erlaubt« ist, die Lehrer ihrer Kinder so unter Druck zu setzen, dass sie erpressbar werden oder gehen müssen? Und welche Rolle spielt dabei die Schulbehörde? Auch davon handelt dieses Buch.

An dieser Stelle bedanke ich mich vor allem bei meinem Mann, der mir unerschütterlich zur Seite stand, mich mit Rat und Tat zuverlässig unterstützte und damit verhinderte, dass ich Mut und Zuversicht verlor.

Besonders zu nennen ist auch meine Bonner Freundin Uschi Achenbach. Sie verstand es, mit ihren lebensklugen Ansichten und ihrer von Herzen kommenden Anteilnahme auch den Humor nicht zu kurz kommen zu lassen. Gemeinsam fanden wir auch noch in den empörendsten Geschehnissen das kleine Quentchen Komik, das die Situation wieder erträglich machte.

Die Liste ließe sich weiter fortführen. Mir haben noch viele Menschen geholfen, bewusst und unbewusst. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

In diesem Buch geht es um Mobbing, um Mobbing einer engagierten Lehrkraft im Berliner Schulsystem.

Nach Heinz Leymann bedeutet Mobbing: »Der Begriff Mobbing beschreibt negative kommunikative Handlungen, die gegen eine Person gerichtet sind (von einer oder mehreren anderen) und die sehr oft und über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommen und damit die Beziehung zwischen Täter und Opfer kennzeichnen.« Weiter führt er aus: »Mobbing bedeutet, dass dem Opfer zentrale soziale Möglichkeiten am Arbeitsplatz genommen werden. Es ist ein direkter über lange Zeit andauernder Angriff auf die Möglichkeit, sinnvoll zu kommunizieren, auf die sozialen Beziehungen und das gesellschaftliche Ansehen, auf die Möglichkeit des Opfers, seinen Beruf auszuüben, und auf seine Gesundheit.« 1

Mobbing kann überall vorkommen, wo soziale Gruppen miteinander umgehen, es ist natürlich nicht auf Berlin beschränkt! Nur habe ich es dort erleben müssen. Da Mobbing immer mit gehässigen, hinterhältigen und gemeinen Verhaltensweisen der beteiligten Personen verbunden ist, komme ich in diesem Buch nicht umhin, sie auch zu schildern. Ich versuche das möglichst sachlich und ohne negative Emotionen zu beschreiben, soweit mir das als Betroffene überhaupt möglich ist. Die Beweggründe für das fragwürdige Verhalten der Beteiligten ergeben sich zum Teil aus den beschriebenen Geschehnissen, zum Teil sind sie mir bis heute nicht bekannt. Entschuldigt ist das Mobbing mir gegenüber in keinem Fall. Es reicht zum Mobben, wenn wenige Angehörige einer sozialen Gruppe sich aktiv beteiligen, um dem Opfer massiv wie oben beschrieben zu schaden. Solange alle anderen passiv zuschauen, meist in dem Glauben, unbeteiligt zu sein und sich daher nichts vorwerfen zu müssen, funktioniert das Bloßstellen, Diskriminieren usw. wunderbar. Würden sie sich auf die Seite des Gemobbten stellen und diesem helfen, könnte Mobbing gar nicht stattfinden. Daher sind auch scheinbar unbeteiligte Mitglieder einer Gruppe nicht unschuldig am Geschehen. Das hat Erich Kästner in seinem Kinderbuch »Das fliegende Klassenzimmer« schon erkannt. Der Lehrer straft nicht nur die Übeltäter, die das betroffene Kind gehänselt haben, sondern auch diejenigen, die durch ihr passives Zuschauen dieses Verhalten nicht nur geduldet, sondern auch nichts zu seiner Verhinderung getan haben.

Ich beschreibe dieses Mobbing in der Hoffnung, eine größere Sensibilisierung, eine höhere Achtsamkeit zu erzeugen. Mobbing ist gefährlich, weil es die Betroffenen zerstören, ihnen ihre Lebensfreude und ihre physische und/oder psychische Gesundheit nehmen kann. Das gilt auch und ganz besonders für Mobbing bei Kindern, gut geschildert in dem Buch »Du Opfer!«2. Deshalb ist es für mich besonders erschreckend, das Mobbing unter Lehrern und meinen Vorgesetzten erlebt zu haben. Wir sollten es besser wissen!

Bevor ich im Sommer 1999 an der Reinfelder Montessori-Schule im Berliner Bezirk Charlottenburg meinen Dienst anfing, hatte ich in Köln, Bonn und Mainz über fünfundzwanzig Jahre vielfältige Erfahrungen als Grundschullehrerin gesammelt. Ich ahnte nicht im Entferntesten, was in Berlin auf mich zukommen sollte.

An der Reinfelder Montessori-Schule geriet ich an Lehrkräfte, die Maria Montessoris pädagogische Vorstellungen, bekannt unter dem Stichwort »Hilf mir, es selbst zu tun« mit Beliebigkeit verwechselten und unter Berufung auf die berühmte Freiarbeit einen Unterricht anboten, der diesen Namen nicht verdiente. Ich möchte diese Schule nicht als solche in ihrer Gesamtheit verunglimpfen. Ich habe dort hochengagierte, fachlich versierte und ausgezeichnete Lehrkräfte vorgefunden, mit denen ich mich sehr gut verstand. Ich berichte in diesem Buch über die Lehrer, mit denen ich auf Weisung der Schulleitung zusammenarbeiten musste, von mir aus hätte ich mir andere Arbeitspartner gewünscht und gesucht. Aber diese Chance hatte ich an dieser Schule leider nicht.

An der...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Gesellschaft - Männer - Frauen - Adoleszenz

Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt

E-Book Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt
Unsere Angst vor Freiheit, Markt und Eigenverantwortung - Über Gutmenschen und andere Scheinheilige Format: ePUB

Freiheit und Eigenverantwortung statt Ideologie und Bürokratie - Günter Ederer analysiert auf Basis dieser Forderung die existenziellen Probleme unserer Gesellschaft: Bevölkerungsrückgang,…

Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt

E-Book Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt
Unsere Angst vor Freiheit, Markt und Eigenverantwortung - Über Gutmenschen und andere Scheinheilige Format: ePUB

Freiheit und Eigenverantwortung statt Ideologie und Bürokratie - Günter Ederer analysiert auf Basis dieser Forderung die existenziellen Probleme unserer Gesellschaft: Bevölkerungsrückgang,…

Mitten im Leben

E-Book Mitten im Leben
Format: ePUB/PDF

Die Finanzaffäre der CDU hat nicht nur die Partei und die demokratische Kultur der Bundesrepublik in eine ihrer tiefsten Krisen gestürzt, sondern war auch der Auslöser für Wolfgang Schäubles Verzicht…

Mitten im Leben

E-Book Mitten im Leben
Format: ePUB/PDF

Die Finanzaffäre der CDU hat nicht nur die Partei und die demokratische Kultur der Bundesrepublik in eine ihrer tiefsten Krisen gestürzt, sondern war auch der Auslöser für Wolfgang Schäubles Verzicht…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Weitere Zeitschriften

ARCH+.

ARCH+.

ARCH+ ist eine unabhängige, konzeptuelle Zeitschrift für Architektur und Urbanismus. Der Name ist zugleich Programm: mehr als Architektur. Jedes vierteljährlich erscheinende Heft beleuchtet ...

Archiv und Wirtschaft

Archiv und Wirtschaft

"Archiv und Wirtschaft" ist die viermal jährlich erscheinende Verbandszeitschrift der Vereinigung der Wirtschaftsarchivarinnen und Wirtschaftsarchivare e. V. (VdW), in der seit 1967 rund 2.500 ...

Baumarkt

Baumarkt

Baumarkt enthält eine ausführliche jährliche Konjunkturanalyse des deutschen Baumarktes und stellt die wichtigsten Ergebnisse des abgelaufenen Baujahres in vielen Zahlen und Fakten zusammen. Auf ...

Computerwoche

Computerwoche

Die COMPUTERWOCHE berichtet schnell und detailliert über alle Belange der Informations- und Kommunikationstechnik in Unternehmen – über Trends, neue Technologien, Produkte und Märkte. IT-Manager ...

dental:spiegel

dental:spiegel

dental:spiegel - Das Magazin für das erfolgreiche Praxisteam. Der dental:spiegel gehört zu den Top 5 der reichweitenstärksten Fachzeitschriften für Zahnärzte in Deutschland (laut LA-DENT 2011 ...

FileMaker Magazin

FileMaker Magazin

Das unabhängige Magazin für Anwender und Entwickler, die mit dem Datenbankprogramm Claris FileMaker Pro arbeiten. In jeder Ausgabe finden Sie von kompletten Lösungsschritten bis zu ...

filmdienst#de

filmdienst#de

filmdienst.de führt die Tradition der 1947 gegründeten Zeitschrift FILMDIENST im digitalen Zeitalter fort. Wir begleiten seit 1947 Filme in allen ihren Ausprägungen und Erscheinungsformen.  ...