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E-Book

Hey Hirn!

Warum wir ticken, wie wir ticken

AutorLeon Windscheid
VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783641237073
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Alltagspsychologie unterhaltsam und zum Staunen lehrreich
Überarbeitete Taschenbuchausgabe des Buches 'Das Geheimnis der Psyche'

Wie viel Ötzi steckt noch in uns? Kann man seinen Kopf trainieren? Und welche verblüffenden Erkenntnisse liefert die moderne Hirnforschung zum Sinn des Lebens und zur Suche nach dem Glück?

All diesen und vielen weiteren hochspannend beantworteten Fragen widmet sich Leon Windscheid in 'Hey Hirn!' - und macht damit die ungeahnten Kräfte der Psyche erlebbar. Windscheids Mission ist es, seine Begeisterung für die Psychologie mit den Lesern zu teilen und ihnen einen Zugang zu den Wundern ihrer eigenen Psyche zu schaffen.

Dr. Leon Windscheid, geboren 1988 in Bergisch Gladbach, hat Psychologie in Münster studiert. Bereits als Schüler gründete er sein erstes Unternehmen, aus dem verschiedene Firmen entstanden. Für seine Doktorarbeit forschte Windscheid gemeinsam mit international angesehenen Psychologen aus der ganzen Welt und veröffentlichte diverse Studien in den USA. Nach Stationen in Frankreich, Spanien und der Türkei lebt er mittlerweile in Münster und Berlin. Im Winter 2015 gewann er die Million bei Günther Jauch. Die Basis dafür bildete sein profundes Wissen in Psychologie und die Überzeugung, dass man mit dem richtigen Training (fast) alles erreichen kann.

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Leseprobe

2

Von Gehörnen, der Seele und denkenden Toastern

Das kleine große Wunder unserer Psyche

»Das heißt nicht Gehörn«, bekommt man als Rheinländer in Münster ungefähr so oft zu hören wie »Guten Tag« oder »Auf Wiedersehen«. Zugegeben, meine Aussprache ist nicht astrein. Das weiß ich spätestens, seit ich mein faules Gehörn wiederholt dabei ertappte, Torte mit »ch« statt »r« zu schreiben. Tochte, Güchtel, Förma und Gehörn stoßen jedem echten Westfalen ganz übel auf. Zum Glück hatte ich zu Beginn meines Studiums schon in verschiedenen Ländern gelebt und wusste, wie man in der Fremde klarkommt. Man passt sich an. Aus Güchtel machte ich also Gürteehl und aus Gehörn eben Gehiiern. Mit dieser sprachlichen Adaptation war ich gut beraten, denn das Wort »Gehirn« braucht ein Psycho-Ersti unweigerlich fast jeden Tag.

Der Grund dafür liegt auf der Hand. Unser Hirn ist, was wir sind. Das hatte der Professor uns Studenten mit dem seltsamen Fall des Phineas Gage klarzumachen versucht. Stellen Sie sich vor, alle Organe in Ihrem Körper müssten transplantiert werden. Herz, Niere, Leber, Augen und so weiter, all dies käme neu aus einem fremden Körper in Ihren. Solange die Organe fleißig tun, wofür sie da sind, wären Sie nach so einer krassen Operation immer noch Sie selbst. Die Idee allerdings, dass Sie mit dem transplantierten Hirn einer anderen Person noch immer Sie selbst wären, ist absurd.

Dieser Umstand führt zu einem Problem. Unser Hirn besteht aus Nervenzellen. Etwa hundert Milliarden Stück. Die genaue Zahl ist unklar, aber man ist sich einig: Es sind extrem viele. Diese vielen Nervenzellen sind über Synapsen miteinander verbunden und bilden so ein riesiges Netzwerk. Das Netzwerk ist hungrig nach Energie, die aus der Verbrennung von Glukose, also Zucker, gewonnen wird. Obwohl unser Hirn – proportional gesehen – nur einen Bruchteil vom Körper ausmacht, ist es ein echter Energiefresser und verbraucht ein Fünftel aller Power, die wir zur Verfügung haben. Klingt alles ein bisschen erschlagend, aber am Ende ist das, worauf es ankommt, nicht viel.

Die Nervenzellen schalten und walten mit Chemie und Elektrizität. Irgendeine Säure mit vier Positronen da, eine andere Säure mit zunächst nur drei, dann plötzlich fünf Elektronen dort, und schon entsteht ein Signal, das von einer auf die nächste Zelle überspringt. Und das ist dann schon die Grundlage allen Denkens und Handelns.

Wenn unser Hirn alles ist, was wir sind, und dieses Hirn nur mit Zellen, Säuren und ein bisschen Strom arbeitet, wie kann es dann über sich selbst nachdenken und ein Bewusstsein entwickeln? Oder anders gefragt: Wenn unser Körper, zu dem das Gehirn gehört, nur aus Dingen besteht, dann stellt sich die Frage, wieso diese Dinge zusammengenommen denken können?

Am Ende sind wir nichts anderes als ein biologischer Apparat, der auf zwei Beinen durch die Gegend rennt. Und in diesem System schaltet die Chemie und wirkt die Physik. Klingt doch alles irgendwie nach Maschine, oder? Heute sind wir vielleicht noch nicht so weit, aber wenn wir Menschenmaschinen eine Psyche haben können, warum sollte dann nicht in ein paar Hundert Jahren auch ein megaschlauer Toaster mit viel Arbeitsspeicher – von mir aus auch mit ein paar Chemikalien – ein Bewusstsein entwickeln?

Das Leib-Seele-Problem, wie die Philosophen es nennen, gibt es schon viel länger, als wir Menschen von Computern wissen oder uns fühlende Toaster vorstellen können. Der schlaue Philosoph René Descartes schlug in der frühen Neuzeit vor, Leib und Seele zu trennen. Man nennt das Dualismus. Körper als Maschine oder Hülle hier, Seele als etwas anderes, etwas Übernatürliches da. Zwei voneinander völlig verschiedene Dinge. Die Seele stellte sich Descartes als nichtphysisches Irgendwas vor und den Körper als physischen Rest. Zusammen macht das dann den Menschen. Den Job mit den Gefühlen, dem Bewusstsein, unserem Denken und jeder willentlichen Handlung schrieb Descartes der Seele zu, die für den augenscheinlich gottesfürchtigen Philosophen natürlich auch ohne die Körperhülle – unsterblich – weiterbestehen würde. Eigentlich eine schöne Idee, dass da irgendwas ist, was nicht zu unserem Körper gehört, das kein Ding, sondern etwas Höheres darstellt.

Der Begriff »Seele« wird ganz unterschiedlich definiert und ist sehr vielschichtig. Zu einem gewissen Grad beinhaltet er aber immer das Transzendente. Etwas Übernatürliches, das sich in den Religionen findet. Im Altertum wurde der Begriff der Seele mit dem Begriff der Psyche gleichgesetzt. Ich persönlich bin nicht getauft und nicht gläubig und insofern froh, dass Psyche im heutigen Sprachgebrauch für die wissenschaftliche, die faktische Betrachtung unseres geistigen Inneren steht. Aber auch wenn sich die beiden Begriffe »Seele« und »Psyche« auf unser Wesen, unser Sein und unseren »Geist« beziehen, bleibt das Leib-Psyche-Problem bestehen.

Wenn ich auf dem Zehnmeterturm im Schwimmbad stehe und ins Wasser springe, taucht mein Körper wie ein nasser Sack ins kalte Blau. Und wer hat meinen Beinen den Befehl gegeben, über die Kante des Sprungbretts hinauszutreten? Meine Psyche. Runter fällt dann mein Körper inklusive Hirn, aber die Anweisung kam doch ganz eindeutig von woanders. Oder? Jetzt lege ich noch eine Schippe drauf: Vielleicht kennen Sie das Gefühl, wenn man sich fragt, warum man gerade so gute Laune hat. Sich gute Laune als eine Verkettung von feuernden Nervenzellen in unserem Hirn vorzustellen, geht für mich klar. Aber wie kann ich mir das Denken über mein Fühlen erklären? Oder noch schlimmer, wie geht es, dass ich mit meinem Hirn über mein Denken nachdenke, wenn dieses Denken selbst meinem Hirn entspringt? Ziemlich verwirrend. Der schlaue Physikprofessor John Barrow aus Cambridge hat mal etwas über das Universum gesagt, das der schlaue Psychologieprofessor David Myers wiederum auf unsere Psyche angewandt hat: Ein Gehirn, das einfach genug gebaut wäre, um es zu verstehen, wäre zu einfach, um eine Psyche zu produzieren, mit der man es dann verstehen könnte.

An dieser Stelle mache ich einen Cut. Wenn Sie gerne an die Existenz eines unsterblichen Etwas glauben möchten, das unser Wesen ausmacht, dann tun Sie das. Ich werde in keiner Weise versuchen, Sie davon abzubringen. Denn was die Psychologie Ihnen als Wissenschaft im Vergleich anzubieten hat, ist zwar hoch spannend, aber noch lange nicht fertig und wird es vermutlich auch nie werden. Sie können jetzt also selbst entscheiden, den Text weiterzulesen und Descartes’ schöne Idee auseinanderzupflücken oder den Rest dieses Kapitels zu überspringen. Falls Sie unentschlossen sind, lesen Sie vielleicht doch weiter. Am Ende biete ich Ihnen nämlich einen Kompromiss an, mit dem ich persönlich ganz gut zurechtkomme.

René Descartes wurde 1596 geboren. In dieser finsteren Zeit konnte man ohne Weiteres noch auf dem Scheiterhaufen enden für die Idee, irgendwem den Kopf aufschneiden zu wollen, um zu schauen, wie das da drinnen alles funktioniert. Und auch Dr. Harlow einige Jahrhunderte später, der den seltsamen Fall des Phineas Gage für die Nachwelt dokumentierte, hätte sich vermutlich im Traum nicht vorstellen können, was für Möglichkeiten wir mittlerweile haben, unserer Psyche auf den Pelz zu rücken.

Die moderne Neurowissenschaft macht möglich, was den Philosophen und anderen Hirninteressierten vergangener Tage vorenthalten blieb. Heute können wir Hirne scannen und so Licht ins Dunkel bringen. Die Verfahren dazu haben ziemlich freakige Namen wie Positronen-Emissions-Tomografie, Magnetresonanztomografie oder die Elektroenzephalografie. Besser bekannt sind sie den meisten unter ihren Abkürzungen: PET, MRT und EEG. Die genaue Funktionsweise ist jeweils recht kompliziert. Beim PET zum Beispiel bekommt man erst eine leicht radioaktive Flüssigkeit gespritzt. Dann geht es in die Röhre. Die radioaktive Flüssigkeit verteilt sich in allen Körperzellen, und das Gerät in der Röhre kann diese Flüssigkeit dann am Monitor »sichtbar« machen. Eine Zelle, die besonders viel Energie verbraucht, nimmt viel von der radioaktiven Flüssigkeit auf, was dann als hell leuchtendes Areal im computerberechneten Bild erscheint. So weiß man, wo im Körper Action ist, und entsprechend auch, was in den Hirnzellen so vor sich geht. Die anderen Verfahren verfolgen das gleiche Ziel: eine Abbildung unseres Innenlebens, unserer Psyche.

Seitdem wir nun immer besser darin werden, unsere Hirne zu entschlüsseln, kristallisiert sich etwas heraus: Körper und Psyche (oder Leib und Seele, wie Descartes es nannte) gehören zusammen. Um zum Beispiel herauszufinden, wo Liebe wie wirkt, steckten die beiden Forscher Andreas Bartels und Semir Zeki in einer Studie des renommierten University College London ihre Probanden in die Röhre. Sobald die Versuchspersonen ein Foto ihrer großen Liebe sahen, zeigte sich Aktivität in Hirnregionen, die die Wissenschaft bisher mit Drogenkonsum in Verbindung gebracht hatte. Ein findiger Journalist schrieb daraufhin, dass man Liebe, beurteilt nach den rechtlichen Standards des Substanzmissbrauchs, als absolut illegal betrachten und rigoros verbieten müsse.

Die Auswertung der Wissenschaftler zeigte eindeutig, dass es im Hirn bestimmte Liebeshauptdarsteller gibt. Zum einen der vordere Kortex, der für das Erkennen von Emotionen verantwortlich ist, also genau der Bereich, den sich der arme Phineas zersprengt hatte. Außerdem der Nucleus caudatus, eine Bohne mit Schwänzchen, und das Putamen, zu Deutsch die Schale, beide im Großhirn ansässig und für die...

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