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E-Book

Hitler als Symbolpolitiker

AutorChristoph Raichle
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl473 Seiten
ISBN9783170251922
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis44,99 EUR
The persona of Hitler is well researched, yet there are still many unanswered questions that need to be raised about the success of the 'Corporal from Braunau'. The fact that Hitler knew how to lead and that he exercised 'charismatic authority', is widely recognised, but little research has been undertaken to date about how Hitler was able to develop into this 'charismatic ruler'. This work makes clear that actively controlled symbolic communication, associated with Hitler, became a strategy of Nazi rule, which specifically used the asymmetrical and polycratic structures of the state.

Dr. phil. Christoph Raichle, researcher at the University of Stuttgart, Historical Institute, Department of Modern History.

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Leseprobe

2 DAS JAHR 1933: HITLERS WANDLUNG VOM PARTEIFÜHRER ZUM STAATSMANN


2.1 Die Konfrontation mit Hindenburg 1932


Um Hitlers politische – hier symbolpolitische – Strategie Anfang 1933 zu begreifen, ist es nötig, einen kurzen Blick zurück auf das Jahr 1932 mit dem politischen Patt zwischen Hitler und Hindenburg zu werfen, denn gerade diese Konfrontation war (auch symbolpolitisch) der Knackpunkt auf Hitlers Weg zur Macht.

Ende 1931, Anfang 1932 warf das Ende von Hindenburgs Amtszeit ihre Schatten voraus. Hindenburg wollte durchaus gern im Amt bleiben, allerdings hätte er die Verlängerung seiner Amtszeit durch den Reichstag (mit Zweidrittelmehrheit) einer Volkswahl vorgezogen.123 Reichskanzler Brüning mußte in dieser Sache Fühlung mit den Parteien aufnehmen. Doch das Unternehmen schlug fehl. Am 15. Januar 1932 schrieb Hitler an Brüning, warum er dessen Vorschlag zur parlamentarischen Verlängerung von Hindenburgs Amtszeit ablehnte. Er vergaß dabei nicht, das Lob auf Hindenburg als Feldherrn des Weltkrieges zu singen, da er wohl annehmen konnte, daß Brüning diesen Brief auch Hindenburg vorlegen würde:

„Ich bedauere nur nochmals, daß in dieser Aktion zur Rettung des [Weimarer] Systems der Name des Reichspräsidenten einbezogen wurde, für den wir Mitkämpfer des großen Krieges, als dem Generalfeldmarschall unserer Heere, unveränderliche ehrerbietige Dankbarkeit empfinden.“124

Schon hier verfolgte Hitler also die Strategie, einen Keil zwischen Hindenburgs mythischen Namen, den er sich im Krieg erworben hatte, und dessen Amt in der Weimarer Republik zu treiben. Daß das Amt in der ungeliebten Republik dabei drohte, den Kriegsruhm Hindenburgs langsam aufzuzehren, war dabei auch Hindenburg bewußt; mehr als ihm lieb war. Der Keil Hitlers schob sich dabei auch spürbar zwischen Hindenburg und seinen Kanzler Brüning, wenn er etwa in einem weiteren Schreiben an Brüning (vom 25. Januar 1932) diesen anklagend fragte: „Herr Dr. Brüning, warum haben Sie nicht schon vor 7 Jahren Hindenburg statt Wilhelm Marx gewählt?“125 Das Zentrum, Brünings Partei, habe damals Hindenburgs Wahl „auf das schlimmste bekämpft“.126 Unverhohlen kündigte er Brüning an, die Weimarer Parteien müßten „vernichtet werden, um Deutschland zu retten“, so wie damals Bismarck „die alte freisinnige Partei überwinden mußte, um Deutschland zu schmieden“.127 Sollte Brüning diesen Brief Hitlers Hindenburg vorgelegt haben, so dürfte diese Wendung nicht ihre Wirkung verfehlt haben. Auch Hindenburg wollte den Reichstag im Grunde nur zu gern ausschalten, da die Parteien für ihn die Spaltung der Gesellschaft nicht nur zeigten, sondern auch vergrößerten.128 Ebenso dürfte auch Hitlers Anrufung von Friedrich dem Großen, Stein und Bismarck als Zeugen gegen die Republik auf Hindenburg nicht ganz ohne Eindruck gewesen sein.129 Hitler legte damit den Finger in Hindenburgs Wunde, der selbst das Gefühl hatte, in einer verkehrten Front zu stehen. Nach der erfolgten Wiederwahl, die er wohl „letzten Endes dem disziplinierten Wahlverhalten der Anhänger der sozialistischen Arbeiterbewegung und des politischen Katholizismus verdankte“130, murrte Hindenburg nicht nur „‚Ja, was bin ich für ein Esel gewesen, daß ich mich ein zweites Mal habe wählen lassen!‘“131 – nein, er hatte auch das Gefühl, daß seine alten Weggefährten aus Preußen mit ihren alten, wohlklingenden Namen inzwischen gegen ihn standen: es hätten sich, klagte Hindenburg, „‚historische Namen aus der Friedrich-Zeit und anderen großen Zeiten [...] gegen ihn gewandt.‘“132

Hitler indes blieb bei dieser eingeschlagenen Linie. So äußerte Hitler in einer Rede von 1. März 1932 etwa ironisch:

„Und noch etwas steht fest, daß die Sozialdemokratie heute einen Reichspräsidenten Hindenburg, der vor 7 Jahren zu alt war, wesentlich verjüngt empfindet und ihm gläubigen Herzens zustimmt als dem sogenannten ‚kleineren Übel‘.“133

Tatsächlich dürfte Hindenburg kaum vergessen haben, wie ihn die Sozialdemokratie und teilweise auch das Zentrum damals im Wahlkampf 1925 angegriffen hatten, etwa als „‚Symbol der Monarchie und des Krieges‘“ oder als „‚Gefahr für den Frieden‘“.134 Diese Linie behielt Hitler im gesamten Wahlkampf bei. In einem Aufruf vom 16. Februar 1932 zur Kandidatur Hindenburgs beschrieb Hitler diese Kandidatur wiederum als Versuch der SPD und des Zentrums, ihre Macht zu retten, indem sie sich hinter Hindenburg versteckten. „Wir bedauern, daß der Generalfeldmarschall von Hindenburg sich bewegen ließ, seinen Namen in diesem Kampf verbrauchen zu lassen.“135 Indirekt klingt hier schon Hitlers Angebot vom November 1932 an, Hindenburgs „Namen“ für den Fall von dessen Seitenwechsel nicht mehr „verbrauchen zu lassen“, sondern ihn zu schützen. Nur notgedrungen werde man Hindenburg bekämpfen, erklärte Hitler in einem Interview vom 20. Februar 1932:

„Die Person Hindenburgs ist heute Ausdruck dieses [Weimarer] Systems. Wir werden sie bekämpfen, obwohl es uns persönlich sehr leid tut, den Feldmarschall, den wir als Feldherrn unserer Heere im Krieg verehren, in eine so unangenehme Lage getrieben zu sehen.“136

Dabei wolle man, so Hitler in seiner Berliner Rede vom 27. Februar 1932, daß „sein [Hindenburgs] Name dem deutschen Volk als Führer des großen Ringens erhalten bleibt.“137 Auch sonst war Hitler bemüht, den Hindenburg-Mythos trotz des Wahlkampfes nicht zu zerstören. Über den Reichspräsidenten-Wahlkampf 1932 berichtet Alfred Rosenberg, Hitler habe folgende Parole ausgegeben:

Im Wahlkampf „ordnete er [Hitler] eindringlich an, die Persönlichkeit Hindenburgs nicht anzugreifen. Mit seiner Gestalt sei so vieles an großer deutscher Geschichte verbunden, führte Hitler aus, daß wir diese Vorstellung nicht zerstören dürften. Die Wahlpropaganda dürfe nur mit der Erklärung geführt werden, daß die Zeit einen Mann der jüngeren Generation fordere, der mitten im Kampf stehe und seine Anhängerschaft sich durch politische Arbeit erworben habe.“138

Dieser Umgang mit angesehenen Persönlichkeiten hatte bei Hitler sozusagen Tradition (wie auch noch im Kapitel zum ‚Tag vom Potsdam‘ näher ausgeführt wird). Schon im Mai 1928 hatte Philipp Bouhler im Auftrag Hitlers allgemein auf folgende Taktik hingewiesen:

„Insbesondere ist zu vermeiden, daß unnötig Persönlichkeiten angegriffen werden, welche für die eine oder andere Seite einen gewissen Nimbus besitzen […]. So ist es zum Beispiel falsch, in Versammlungen und Veröffentlichungen etwa die Flucht des ehemaligen Kaisers zu kritisieren; es werden dadurch lediglich viele […] abgehalten[,] zu uns zu kommen, obwohl sie sonst zu uns gehören.“139

Dennoch riß der Präsidentschaftswahlkampf naturgemäß auch zwischen Hitler und Hindenburg die Gräben auf. Denn Hitlers Linie, die Hindenburg als Feldherr schonen wollte, setzte zugleich auf frontalen Angriff auf den Weimarer Politiker Hindenburg; auch wenn er die wirklich harschen Angriffe wohlweislich seinen untergeordneten Führern überließ.140 So rief Hitler Hindenburg in der genannten Rede auch zu:

„Alter Mann, du bist uns zu verehrungswürdig, als daß wir es dulden könnten, daß hinter dich sich die stellen, die wir vernichten wollen. So leid es uns daher tut, du mußt zur Seite treten, denn sie wollen den Kampf, und wir wollen ihn auch.“141

Nach einem Angriff auf Hindenburg von Goebbels am 23. Februar 1932, der hohe Wellen schlug, fühlte Hitler sich am 28. Februar offenbar bemüßigt, Hindenburg brieflich mitzuteilen, man habe Goebbels „eine sinnentstellte Äußerung zugeschrieben“142 und darüber hinaus habe der preußische Innenminister Grzesinski von der SPD die Verleumdung verbreitet, Hitler „sei einst österreichischer Deserteur gewesen“ und Hitler hätte „deshalb“ die österreichische Staatsangehörigkeit verloren. Dies wollte Hitler offenbar auch, gerade gegenüber Hindenburg nicht auf sich sitzen lassen. Der Verwurf, ein Deserteur zu sein, wäre vernichtend für all jene politischen Ambitionen Hitlers gewesen, die auf eine wie auch immer geartete Einigung mit Hindenburg abzielten. Deshalb ließ er Hindenburg eine „Abschrift der von der zuständigen österreichischen Militärbehörde“ ausgestellten Bescheinigung zukommen,

„aus der Sie [Hindenburg] ersehen mögen, daß ich schon im Februar 1914 überhaupt keine österreichische Heeresverpflichtung mehr hatte und mithin aus freiem Willen und nur aus nationaler Begeisterung bei Kriegsausbruch in die deutsche Armee eingetreten bin, in der ich dann über fünfeinhalb Jahre zu dienen die Ehre hatte.“143

Hindenburg, dem die Beschäftigung mit dieser Schlammschlacht des Wahlkampfes zuwider war, ließ Groener an seiner Stelle antworten. Diese Antwort zeigt durchaus die Empfindlichkeit, mit der Hindenburg darauf reagierte, daß Hitler – wie gesagt – einen Keil zwischen seine Rolle im Weltkrieg und seine Amtsführung in der Weimarer Zeit treiben wollte. Groener schrieb an Hitler am 5. März 1932:

„‚Ihr Appell an die Prinzipien der Ritterlichkeit […] veranlaßt mich zu der öffentlichen Klarstellung, daß der Versuch, einen Mann [also Hindenburg], der sieben Jahre lang ein bewunderungswürdiges Zeugnis seines Bemühens um eine objektive Amtsführung abgelegt hat, in Gewissenskonflikte zwischen Amtspflicht und persönlicher Loyalität zu bringen, meinem Empfinden für...

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