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E-Book

Hoch wie der Himmel, tief wie die Erde

Meditationen zu Liebe, Beziehungen und Arbeit

AutorSylvia Wetzel
VerlagTheseus Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783899015287
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Um Beziehungen und Arbeit, unsere zentralen Bereiche im Leben, ranken sich unendlich viele Sehnsüchte und Erwartungen: nach der großen Liebe, erfüllter Sexualität, nach Erfolg, Kreativität und Vitalität. Unsere Ängste, Unsicherheiten und eingefahrenen Gewohnheiten scheinen der Erfüllung dieser Sehnsüchte aber meist im Weg zu stehen. Die Meditationslehrerin Sylvia Wetzel setzt mit ihrem Buch bei diesem Spannungsverhältnis an. Sie zeigt vor dem Hintergrund buddhistischer Lehren, dass wir unsere Handlungs- und Denkmuster nur dann wirklich verändern können, wenn wir einige Annahmen über uns, unsere Gefühle, unser Denken und unsere Erwartungen hinterfragen. Das Buch enthält dafür viele praktische Übungen, die den Bezug zur eigenen Erfahrung herstellen.

Sylvia Wetzel, geb. 1949, befasst sich seit Ende der 1970er Jahre mit Wegen zur politischen und psychologischen Befreiung und seit 1977 mit dem Buddhismus, v.a. der tibetischen Traditionen. Seit Ende der 1980er Jahre gibt sie ihre Erfahrungen in Vorträgen und Meditationskursen weiter. Mit Klarheit, Charme und Humor ermutigt sie Menschen, ihre Sehnsüchte und Hoffnungen ernst zu nehmen. Sie ist Mitbegründerin und Vorsitzende der Buddhistischen Akademie in Berlin und lebt auf dem Land in der Nähe von Berlin.

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Leseprobe

Liebe und Anhaftung


Noch in der Generation unserer Eltern und Großeltern verbrachten die meisten Menschen ihr ganzes Leben am selben Ort, im selben Beruf und mit demselben Partner, und sie waren eingebettet in das Beziehungsgeflecht ihrer Familie, Nachbarschaft und Gemeinde. Dieses hat sich weitgehend aufgelöst. Das Leben in der heutigen Zeit ist geprägt von Umzügen und Scheidungen, Berufs- und Stellenwechseln, Kirchenaustritten und abgebrochenen Kontakten zur Herkunftsfamilie. So geht vieles verloren, was früher Sicherheit und Zuwendung, Sinn und Orientierung gegeben hat.

Viele Menschen erwarten nun Ersatz dafür von ihren Partnerinnen und Partnern und überfordern diese damit ganz erheblich. Das stellt private Beziehungen auf eine ebenso harte Probe wie die zunehmende Individualisierung der Einzelnen und die ökonomischen Bedingungen, die Paare nur noch selten zwingen, zusammen zu bleiben.

Liebesbeziehungen scheitern darum häufiger als früher, und eine Trennung wirft die Menschen leichter aus der Bahn: Sie verlieren die Person, von der sie all ihr Glück erhofften, und kein traditionelles Sozialgefüge fängt sie mehr auf. Oft geben sie dann sich selbst die Schuld an der gescheiterten Beziehung. Womöglich halten sie sich gar für beziehungsunfähig. Ihnen kann es helfen zu erkennen, wie schwierig die heutige Zeit tatsächlich ist, eine Umbruchphase, in der neue Lebensformen sich erst allmählich herausschälen, die meisten Menschen aber die erst neu gewonnenen Freiheiten zu sehr genießen, als dass sie zurückkehren wollten zu der tradierten Lebensweise, zu lebenslanger Ehe, Kleinfamilie und traditionellen Geschlechterrollen.

Auch der Buddha lebte vor zweieinhalbtausend Jahren in einer solchen Umbruchphase, und er lehrte, Glück und Sicherheit nicht in äußeren Umständen zu suchen, sondern im eigenen Herzen und in neuen Denk- und Verhaltensweisen. Diese lassen sich nicht von heute auf morgen lernen. Eingeschliffene Muster lösen sich nur langsam auf. Das zeigt auch unser Essverhalten. Auch heute noch ernähren sich viele Menschen in den reichen Ländern wie Steinzeitmenschen. Sie essen so viel, fett und süß, als müssten sie täglich vierzehn Stunden schuften und sich für magere Zeiten ein Fettdepot zulegen, obwohl sie wissen, dass sie morgen wieder etwas zu essen bekommen. Wenn schon neue Esssitten so schwer zu lernen sind, wie hartnäckig müssen sich dann erst die alten Beziehungssitten halten?

Oft leiden wir unter ihnen. Das hört erst auf – so die buddhistische These –, wenn wir Liebe nicht länger mit Anhaftung verwechseln, das eine entwickeln und das andere loslassen.

Was ist Liebe?

Liebe, so heißt es, ist die Triebkraft des Lebens, der Motor der Welt, die Kraft des Schöpferischen. Sie ist die Erfüllung des Lebens, auch für viele Karrierefrauen und -männer, und kleine Kinder könnten ohne sie nicht überleben. Asketen fürchten sie als Stolperstein auf dem Weg zur Erleuchtung. Tantriker (*) dagegen feiern sie als die Kraft, die zur allumfassenden Liebe und damit zur höchsten Weisheit führen kann.

Manche glauben, sie könnten nur eine/-n lieben. Andere sagen, sie liebten auch ihre übrigen Angehörigen, Freundinnen und Freunde, Brahms und den Sonnenuntergang auf Helgoland. AmerikanerInnen gehen besonders locker um mit dem Wort »love«. Sie verwenden es auch da, wo wir eher von »gernhaben« sprechen. Das Wort »Liebe« reservieren wir meist für Melodramen mit Treueschwüren und tränenreichen Szenen. Viele glauben auch, Liebe sei die Kehrseite von Hass und könne jederzeit in diesen umschlagen, und meist verbinden wir sexuelles Begehren mit dem Wort. Im Christentum spielt allerdings auch die nichterotische Liebe eine große Rolle – als tätige Nächstenliebe.

Kurz und gut: Für die Liebe scheint es so viele Definitionen wie Menschen zu geben. Andererseits ist sie eine allgemeinmenschliche, existenzielle Erfahrung. Unergründlich wie der Tod. Wir werden nie wissen, was sie »wirklich« ist; können sie nur erfahren. Und wir können herausfinden, was sie für uns bedeutet.

Oft erkennen wir bisher unbewusste Einstellungen auch erst aus einem fremden Blickwinkel heraus, aus dem Blickwinkel eines anderen Menschen oder einer anderen Kultur. Darum möchte ich nun die buddhistische Definition von Liebe vorstellen: Sie ist der Wunsch nach Wohlergehen – ich will, dass es der geliebten Person gutgeht, und ich will auch dazu beitragen. Und als Liebe zu sich selbst gilt dementsprechend der Wunsch, es möge mir gutgehen, und die Bereitschaft, dafür auch etwas zu tun.

Dieses grundsätzliche Wohlwollen hat wenig gemein mit dem, was in Schlagern und Kitschromanen verherrlicht wird: »Ich will dich, ich brauch’ dich, ohne dich kann ich nicht leben.« Solche Gefühle werden im Buddhismus nicht Liebe, sondern »Anhaftung« genannt und zählen zu den »Verblendungen«, das heißt zu den Reaktionen, die Leiden schaffen und den Frieden des Herzens und des Geistes zerstören.

Tatsächlich sind unsere Liebeserfahrungen selten friedvoll. Zu oft sind wir von Habenwollen durchdrungen: Wir wollen Nähe, Aufmerksamkeit und Zuneigung; wir wollen begehrt werden, in Ekstase geraten und uns selbst vergessen. Nun führen Verlangen, Haben- und Festhaltenwollen aber immer zu Unruhe, Unzufriedenheit und Enttäuschung, mithin zu Leiden. Darum gilt im Buddhismus ein Großteil dessen, was wir Liebe nennen, als Anhaftung, als eine Form von Verblendung.

Vier Merkmale

Die buddhistische Psychologie unterscheidet Liebe und Anhaftung anhand von vier Merkmalen, die ich noch ausführlich diskutieren werde. (*)

Natürlich ist eine solche Gegenüberstellung notwendigerweise verkürzt. Dennoch gibt es mir seit Jahren Orientierung im Chaos der Gefühle, mich an die folgende Unterscheidung zu erinnern: Liebe entspringt innerem Reichtum, während Anhaftung durch inneren Mangel entsteht. Liebe sieht die geliebte Person realistisch, sie erkennt und liebt auch ihre Schwächen, während Anhaftung durch eine rosarote Brille schaut. Liebe nimmt stetig zu, während Anhaftung heftig schwankt und in Hass oder Gleichgültigkeit umschlagen kann. Und zu guter Letzt: Liebe tut gut; Anhaftung tut weh.

Es mag ernüchternd sein zu erkennen, dass vieles, was wir für Liebe halten, diesen Kriterien nicht genügt. Aber ist es nicht auch befreiend zu erfahren, dass Liebe nichts, aber auch gar nichts mit Leiden zu tun hat? Also könnten wir nach Herzenslust lieben – und glücklich sein. Was hindert uns daran?

Reichtum und Mangel

Liebe entsteht, wenn wir bereits glücklich sind und dieses Glück mit anderen teilen möchten, wenn wir uns reich und lebendig fühlen und so voller Selbstvertrauen, als könnten wir die ganze Welt aus den Angeln heben. Unser Herz ist so voll, dass es überfließt. Uns geht es so gut, dass wir die ganze Welt umarmen möchten. Besonders gern natürlich die geliebte Person. Wir möchten sie auf Händen tragen, ihr die Sonne schenken und die Sterne und alles, was ihr Herz begehrt. Wir möchten, dass sie glücklich ist.

Anhaftung dagegen entsteht aus einem Gefühl der inneren Leere, des Mangels. Wir fühlen uns unerfüllt und unvollständig, eine halbe Seele. Und was uns fehlt, suchen wir in der Außenwelt: Ein Prinz oder eine Prinzessin soll uns »wach küssen« fürs »richtige« Leben. Sie soll uns retten vor Langeweile und öden Sonntagen, unserem Leben einen Sinn geben und uns dreimal täglich sagen: Ich liebe dich. Er soll uns sexuell befriedigen, ohne dass wir sagen müssten, was wir mögen, und immer ein offenes Ohr haben für unsere Sorgen und Nöte. Sie soll schön und erfolgreich sein und in Gesellschaft brillieren, und zwar immer, damit alle Welt uns beneidet um diesen fabelhaften Menschen, den wir brauchen, so sehr brauchen, weil wir unsere eigene fabelhafte Seite noch nicht entdeckt haben.

Angenommen, wir begegnen in dieser Verfassung einer »ganz normalen« Person, die sich für uns interessiert. Je mehr wir nach Liebe hungern, desto eher sind wir bereit, unsere Wunschbilder auf sie zu übertragen, vorausgesetzt »die Chemie stimmt« und etwas Geheimnisvolles klickt zwischen uns. Wir mögen glauben, die große Liebe habe unser Herz berührt. Doch meist haben sich nur bestimmte Muster ineinander verhakt.

Was tatsächlich geschieht, finden wir im Laufe der Zeit heraus. »Wenn ihr euch in einem Jahr immer noch so liebt, habt ihr eine Chance«, pflegte meine beste Freundin trocken zu sagen, wenn ich wieder einmal von einer neuen großen Liebe erzählte.

Wahrnehmen und Idealisieren

Wenn wir uns einer anderen Person aus dem Gefühl des inneren Mangels heraus zuwenden, können wir ihre Stärken und Schwächen kaum richtig einschätzen, denn wir...

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