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Hochsensibilität als Persönlichkeitsmerkmal im Berufsfeld der Sozialen Arbeit

AutorChristin Pallaske, Sina Muva
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl84 Seiten
ISBN9783668278875
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Im Laufe des Lebens gehen wir alle durch 'Höhen und Tiefen'. Das Gefühl nicht 'richtig' oder 'anders' zu sein, bewegen wir oft in unseren Herzen. Dabei stößt man auch auf das Persönlichkeitsmerkmal der Hochsensibilität, welches oft als negativ betrachtet wird. Besonders im Bereich der Sozialen Arbeit können die Menschen durch die Gabe der hohen Sensibilität und des Einfühlungsvermögens beruflich äußerst erfolgreich sein. Dennoch begegnen sie oft Schwierigkeiten im beruflichen Alltag. Diese Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen mit diesem Persönlichkeitsmerkmal als wertvolle Menschen mit einem besonderen Charakterzug erkannt und vor allem anerkannt werden. Daher beschäftigen sich die Autorinnen mit der Frage: 'Wie kann man im sozialarbeiterischen Berufsalltag mit Hochsensibilität umgehen?' und beantworten was Hochsensibilität bedeutet und wie man zu diesem Merkmal in der Persönlichkeit kommt. Außerdem geben sie Tipps wie es möglich ist, einen angenehmen und professionellen Umgang mit hochsensiblen Klienten zu haben. Aus dem Text: Hochsensibilität Soziale Arbeit hochsensible Sozialarbeiter biologische Besonderheiten

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Leseprobe

3 Hochsensibilität in der Vergangenheit und Heute


 

3.1 Bedeutung in der Geschichte


 

Hochsensible Menschen spielten bereits früher in traditionellen Kulturen eine besondere und wichtige Rolle. In einer Gemeinschaft musste es immer auch Individuen geben, die ein Verständnis dafür hatten, die Zeichen der Zeit, die Wirkung von Pflanzen, die Kraft von Musik, Ritualen und Berührungen zu nutzen (vgl. Harke in Nasitta und Westphal 2015, S. 37). Elaine Aron geht davon aus, dass es in der Vergangenheit zwei Gruppen von Menschen in einer Gesellschaft gab: die “kriegerischen Könige” und ihre “priesterlichen Ratgeber” (vgl. Aron 2015, S. 46). Sogenannte “aggressive Kulturen” breiteten sich gern über ihre Grenzen aus, führten und gewannen Wettstreite und übernahmen die Führung in der Gesellschaft. Ihre Werte waren Expansion, Freiheit und Ruhm. Um eine erfolgreiche Regentschaft zu garantieren, brauchten sie jedoch auch eine Gruppe der Ratgeber, Berater, Richter und Priester. Diese galten als nachdenklich, bedacht, gewissenhaft und sehr kreativ in ihren Ideen. Sie hielten  das Gleichgewicht zwischen den Königen und Kriegern und traten dabei besonders für das Wohlergehen und den Schutz des Volkes ein (vgl. Aron 2015, S. 46 f.). “Hochsensible Menschen neigen dazu, diese Rolle auszufüllen” (Aron 2015, S. 47).

 

Sie sind oftmals die Musiker, Heiler, Schamanen, Priester, Dichter, Berater, Lehrer, Forscher oder Maler. Mit ihrer besonders feinen Wahrnehmung waren und sind sie wichtige Mitglieder in allen Kulturen unserer Erde und nehmen einen besonderen Platz in unserer Gesellschaft ein (vgl. Harke in Nasitta und Westphal 2015, S. 37). Nicht immer haben sie es dabei einfach. Sie machen sich durch ihre andere Rolle unbeliebt und brauchen ein starkes Selbstbewusstsein, um ihre Aufgaben gut ausführen zu können. Daher stellt sich folgende Frage: “Was bräuchte unsere Gesellschaft, damit Hochsensible ihre Wertschätzung und ihren Platz bekommen? Und, ganz wichtig: Was würde der Gesellschaft abhandenkommen, wenn [es keine hochsensiblen Menschen mehr gäbe, beziehungsweise diese versucht werden durch Medikamente den Normalsensiblen `angepasst´ zu werden?]” (Schorr 2014 a, S. 31).

 

Interessanter Weise scheint es auch im Tierreich eine solche Mischung von hochsensiblen und normalsensiblen Individuen zu geben, welche evolutionsbiologisch durchaus sinnvoll ist. Es gibt die Individuen, die Reize tiefer verarbeiten und sich bei der Bewertung einer Situation mehr Zeit lassen, um diese mit früheren Erlebnissen und Erfahrungen zu vergleichen. Sie beobachten, bevor sie handeln. Die andere Gruppe von Individuen reagiert dagegen sofort. Für das Überleben einer Population ist offenbar eine Mischung aus beiden Verhaltensweisen innerhalb einer Gruppe von Vorteil (vgl. Thivissen 2015). “Biologen haben die beiden Muster bei mehr als 100 Tierarten entdeckt, unter anderem bei Fischen, Fruchtfliegen und Rhesusaffen” (Thivissen 2015).

 

Hochsensible und Normalsensible - beide - sind in ihrem Zusammenspiel wichtig für eine gelungene Gemeinschaft.

 

3.2 Entstehung des Konstruktes


 

Die US-amerikanische Psychologin Elaine N. Aron gilt als Pionierin der Hochsensibilität. Wie sie auf das Thema stieß, berichtet sie in einem Interview für “DIE WELT”: “1987 hatte ich einen medizinischen Eingriff, auf den ich nach Ansicht des Arztes überreagierte und er schickte mich daher zur Psychotherapie. In der zweiten oder dritten Stunde sagt mir die Therapeutin: `Ich glaube, Sie sind einfach hochsensibel.` Als ich nachfragte, wusste sie auch nicht genau, wie man das definiert, aber sie dachte, sie selbst und ihr Mann seien ebenso und das beeinflusse ihr ganzes Leben entscheidend. Das hat mich interessiert” (Strohmaier 2015). Und dann begann Aron zu recherchieren. Dies erwies sich als sehr schwierig, da kaum Literatur in diese Richtung erhältlich war. Am engsten mit dem Thema Sensibilität verwandt, war die Eigenschaft der Introvertiertheit. Carl Gustav Jung hatte zu Introversion bereits intensive Forschungen betrieben. Er war der einzige Tiefenpsychologe, der genauer auf die Sensibilität eingegangen ist. Jung war mit Sigmund Freud, dem bekannten österreichischen Neurologen und Tiefenpsychologen befreundet und galt selbst als hochsensibel.

 

Aron machte sich das Wissen Jungs zunutze, merkte jedoch schnell, dass Sensibilität und Introvertiertheit für sie nicht gleichgesetzt werden können (vgl. Aron 2015, S. 17 f.). Und dann begann sie selbst am Thema Sensibilität zu forschen:

 

“Damals arbeitete ich an der Universität von Santa Cruz und habe per Campus - Newsletter und Postern auf dem Unigelände nach Menschen gesucht, die von sich glaubten, sie seien besonders empfänglich für Reize” (Strohmaier 2015).

 

Als die Lokalzeitung einen Artikel über ihre Untersuchungsreihe veröffentlichte, gab es eine sehr große Resonanz der Leser durch hunderte von Anrufen und Briefen (vgl. Aron 2015, S. 17 f.).  Mit diesem Interesse und von den vielen Fragen der Bevölkerung geleitet, startete Aron gemeinsam mit ihrem Mann Arthur eine gründliche Forschungsarbeit zur HS. Zunächst führte sie Interviews mit 39 Studenten, um ein Konzept zu entwickeln. In weiteren Studien untersuchte sie rund 1300 Personen und erstellte aufgrund der Daten einen Fragebogen zur Messung von Hochsensibilität (vgl. Thivissen 2015). Aus den zu beobachtenden Eigenschaften und Reaktionen der Probanden entwickelte Aron eine HSP-Skala (HSP steht hier für „Highly Sensitive Person") um dabei drei „Sensibilitätsarten" zu messen: eine ästhetische Sensitivität für Feinheiten in Musik oder Kunst, eine niedrige Reizschwelle und eine leicht auslösbare Erregung. Die Werte korrelierten stark miteinander, weshalb die Forscherin auf ein einheitliches Merkmal schloss (vgl. Thivissen 2015). Spätere Forschungen konnten eine Validität dieses Konstrukts bestätigen und der HS-Test findet heute noch in der Psychologie zur empirischen Erfassung der Hochsensibilität Verwendung.

 

Aron leitete das Thema damals erstmals ein und arbeitete es wissenschaftlich auf. Sie begann also mittels Fragebögen sich dem Thema zu nähern und veröffentlichte ihre Forschungsergebnisse dann 1996 im Buch “The highly sensitive person” (Hochsensible Menschen), wodurch sie zum ersten Mal diesen Begriff prägte.  In einem Interview meinte sie zur HS: “[Es ist] ein Persönlichkeitsmerkmal, eine alternative Überlebensstrategie der Natur, die den Menschen heute noch Vorteile bringt” (Strohmaier 2015).

 

Ihr Buch wurde zum Standardwerk des HS-Themas und ist bisher in 70 Sprachen übersetzt wurden (vgl. Strohmaier 2015). Unter dem Titel “Sind sie hochsensibel?” erschien es 2005 auch in deutscher Sprache und ist bereits in der zehnten Auflage erhältlich.

 

Aron selbst sagt zu ihrer Forschung: “Deswegen sage ich auch nicht, ich hätte das Persönlichkeitsmerkmal entdeckt, aber ich habe ihm einen anderen Namen gegeben. Es war immer da, man nannte es Schüchternheit oder Introvertiertheit. Der Psychologe Jerome Kagan sprach von gehemmt und ungehemmt” (Strohmaier 2015).

 

Kagan hatte beobachtet, dass Kinder in einem Raum voller Spielzeug ganz unterschiedlich reagierten. Einige Kinder spielten sofort los, andere standen erst mal reglos in der Ecke und schauten zu.  Desweiteren setzte er Säuglinge verschiedenen Reizen aus und beobachtete dabei, dass 20 Prozent der Kinder stark auf diese Stimulation reagierten, indem sie zappelten, weinten und versuchten zu entkommen. Diese Kinder entwickelten sich später als deutlich vorsichtiger und zurückhaltender, weshalb er sie als “gehemmt” bezeichnete (vgl. Schorr 2014 a, S. 13).

 

Neben Kagan beschäftigten sich unter anderen auch Alice Miller mit “dem begabten Kind” und  der russische Physiologe Ivan Pawlow mit der “Reizbarkeit”. Er fand heraus, dass jeder Mensch einen Punkt besitzt, bei dem er sich auf Grund von Überstimulation vor weiteren Reizen verschließt (sogenannte “transmarginale Hemmung”) (vgl. Pilgerstorfer 2014). Hierbei belegte Pawlow den gleichbleibenden Anteil von 15 bis 20 Prozent der Probanden, die eine deutlich niedrigere Reizschwelle als die anderen aufwiesen. Bei seinen Versuchen zur Empfindsamkeit setzte er Versuchspersonen steigendem Lärm aus und war über eine deutliche Zweiteilung der Reaktionen innerhalb der Gruppe überrascht. 15 bis 20 Prozent der Probanden kamen schnell an die Grenze ihrer Belastbarkeit, während die übrigen 85 Prozent der untersuchten Personen erst viel später gemeinsam ihre Lärmgrenze erreichten (vgl. Schorr 2014 a, S. 12 f.).

 

Es wird deutlich, dass sich vor Aron schon einige Wissenschaftler dem Thema der HS näherten. Brigitte Schorr geht in ihrem Buch “Hochsensibilität. Empfindsamkeit leben und verstehen” der Frage nach, warum erst Mitte der 90er Jahre durch Elaine N. Aron das Thema eine so breite Resonanz in der Öffentlichkeit fand (vgl. Schorr 2014 a, S. 14). Schorr vermutet, dass sich die Menschen durch zunehmende Hektik, Informationsflut und Krisen, ihrer Sensibilität stärker bewusst werden. So sei in den letzten Jahren ein ständig wachsendes Bedürfnis zum Wissen über die HS zu...

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