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E-Book

Hoffnung wagen

Gedanken zur Rückbesinnung auf den American Dream

AutorBarack Obama
VerlagGoldmann
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl480 Seiten
ISBN9783641224240
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Persönlich, glaubwürdig, visionär - Ansichten und Standpunkte des politischen Hoffnungsträgers der USA vor seiner Wahl 2008
Wie US-Senator Barack Obama im Wahljahr 2008 Millionen Menschen für sich gewann, ist Legende. Zu seinem schnell aufsteigenden Stern in hohem Maße beigetragen hat sein zuvor erschienenes Buch »Hoffnung wagen« (»The Audacity of Hope«). Hier präsentierte Obama sich als Mann der Integration, als Liberaler im positiven Sinn mit klaren Positionen. Uns allen machte er Hoffnung auf eine Renaissance des »besseren Amerika«. Nicht wenige wünschen sich Barack Obama heute sehnsüchtig zurück ins Weiße Haus.

Barack Obama war der 44. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, der im November 2008 ins Amt gewählt wurde, das er für zwei Amtszeiten innehatte. Er ist Autor der internationalen Bestseller »Ein amerikanischer Traum«, »Hoffnung wagen« und »Ein verheißenes Land«. 2009 wurde er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Er lebt mit seiner Frau Michelle in Washington, D.C. Sie haben zwei Töchter, Malia und Sasha.

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Leseprobe

PROLOG


Es ist jetzt fast zehn Jahre her, dass ich zum ersten Mal für ein politisches Amt kandidierte. Ich war damals fünfunddreißig, hatte vier Jahre zuvor mein Jurastudium abgeschlossen, war frisch verheiratet und insgesamt ungeduldig, was mein Leben betraf. Ein Sitz im Senat von Illinois war frei geworden, und mehrere Freunde schlugen mir vor zu kandidieren, weil sie fanden, dass ich als Bürgerrechtsanwalt und dank meinen Kontakten aus meiner Zeit als Community Organizer1 ein geeigneter Kandidat sei. Ich besprach die Sache mit meiner Frau, und dann tat ich, was jeder tut, der zum ersten Mal für ein politisches Amt kandidiert: Ich sprach mit jedem, der mir zuhören wollte. Ich besuchte Nachbarschaftstreffen und kirchliche Veranstaltungen, Schönheitssalons und Friseure. Wenn ich zwei Leute an einer Ecke stehen sah, überquerte ich die Straße und überreichte ihnen Wahlkampfbroschüren. Und wo immer ich hinkam, bekam ich verschiedene Versionen derselben zwei Fragen zu hören.

»Wo haben Sie diesen komischen Namen her?«

Und: »Sie machen einen wirklich netten Eindruck. Warum wollen Sie sich in einem so schmutzigen und gemeinen Bereich wie der Politik engagieren?«

Mit der zweiten Frage war ich vertraut. Sie war nur eine Variante der Frage, die mir Jahre zuvor gestellt worden war, als ich in Chicago ankam und dort in Vierteln mit einkommensschwacher Bevölkerung arbeitete. Die Frage brachte eine zynische Haltung nicht nur gegenüber der Politik, sondern gegenüber dem bloßen Gedanken eines öffentlichen Engagements zum Ausdruck, eine Haltung, die sich (zumindest in den Vierteln der South Side, die ich zu vertreten versuchte) durch den generationenlangen Bruch von Versprechen verfestigt hatte. Normalerweise reagierte ich mit einem Lächeln auf die Frage, nickte und sagte, dass ich den Skeptizismus meines Gesprächspartners verstünde. Es gebe aber auch eine andere politische Tradition, und sie habe schon immer bestanden, von der Gründungszeit der Vereinigten Staaten bis zu den glorreichen Tagen der Bürgerrechtsbewegung, und diese Tradition beruhe auf dem einfachen Gedanken, dass wir gemeinsame Interessen mit unseren Mitmenschen hätten, dass uns mehr miteinander verbinde als trenne und dass wir, wenn genug Menschen an diese Idee glaubten und danach handelten, zwar nicht alle Probleme lösen, aber etwas Sinnvolles erreichen könnten.

Für mich war das ein ziemlich überzeugender kleiner Vortrag. Ich weiß zwar nicht sicher, ob die Leute, denen ich ihn hielt, davon ähnlich beeindruckt waren wie ich, aber viele von ihnen schätzten doch meine Ernsthaftigkeit und meinen jugendlichen Überschwang so sehr, dass ich in den Senat von Illinois gewählt wurde.

 

Sechs Jahre später, als ich beschloss, für den US-Senat zu kandidieren, war ich meiner Sache schon nicht mehr so sicher.

Allem Anschein nach hatte ich mit meiner Entscheidung für eine Karriere als Politiker Erfolg gehabt. Nach zwei Wahlperioden, in denen ich für die Minderheitsfraktion der Demokraten gearbeitet hatte, errang meine Partei im Senat von Illinois die Mehrheit. Danach bekam ich eine ganze Reihe von Gesetzen durch, angefangen bei einer Reform des Systems der Todesstrafe in Illinois bis zu einer Erweiterung des staatlichen Gesundheitsprogramms für Kinder. Ich behielt meine Stelle als Dozent an der juristischen Fakultät der University of Chicago, weil mir die Arbeit gefiel, und wurde häufig als Redner zu Veranstaltungen in der Stadt eingeladen. Auch bewahrte ich mir meine Unabhängigkeit, meinen guten Namen und meine Ehe, drei Dinge, die statistisch gesehen gefährdet waren, sobald ich den Fuß in die Landeshauptstadt setzte.

Doch die Jahre hatten auch ihren Tribut gefordert. Zum Teil lag es vermutlich einfach daran, dass ich älter wurde. Wenn man sich selbst gut beobachtet, lernt man jedes Jahr mehr über die eigenen Fehler – blinde Flecke in der Wahrnehmung, sich wiederholende Denkmuster, die genetisch oder von der Umwelt bedingt sein können, sich aber mit der Zeit fast unweigerlich verschlimmern, so sicher wie ein Hinken irgendwann zu Schmerzen in der Hüfte führt. Bei mir war einer dieser Fehler meine chronische Unrast; eine Unfähigkeit, selbst wenn alles gut lief, das Positive in meiner unmittelbaren Umgebung zu erkennen. Dieser Fehler ist, glaube ich, typisch für das moderne Leben (und ein Wesenszug der Amerikaner), und er tritt nirgends deutlicher zutage als in der Politik. Ob er tatsächlich durch die Politik verstärkt wird oder ob die Politik einfach Menschen anzieht, die diesen Wesenszug haben, ist eine offene Frage. Jemand sagte einmal, jeder Mann versuche in seinem Leben den Erwartungen seines Vaters gerecht zu werden oder die Fehler seines Vaters wiedergutzumachen, und ich glaube, das ist nicht die schlechteste Erklärung für meine Schwäche in dieser Hinsicht.

Jedenfalls war es eine Folge dieser Unrast, dass ich im Jahr 2000 gegen einen amtierenden demokratischen Kongressabgeordneten kandidierte. Die Entscheidung war unklug, und ich erlitt eine schwere Niederlage – die Art von Lektion, aus der man lernt, dass das Leben keineswegs so laufen muss, wie man es geplant hat. Eineinhalb Jahre später waren meine Wunden einigermaßen vernarbt, und ich aß mit einem Medienberater zu Mittag, der mich seit geraumer Zeit ermutigt hatte, für ein Bundesamt zu kandidieren. Zufällig fand das Essen Ende September 2001 statt.

»Ihnen ist bestimmt klar, dass sich die politische Dynamik verändert hat«, sagte der Medienberater, während er in seinem Salat herumstocherte.

»Wie meinen Sie das?«, fragte ich, obwohl ich genau wusste, was er meinte. Wir blickten beide auf die Zeitung, die neben ihm lag. Auf der Titelseite war ein Bild von Osama bin Laden.

»Teuflisch, nicht?«, sagte er. »Wirklich großes Pech. Sie können natürlich Ihren Namen nicht ändern. Die Wähler werden misstrauisch, wenn man so was tut. Wenn Sie erst am Beginn ihrer Karriere stünden, könnten Sie vielleicht einen Spitznamen benützen oder was in der Art. Aber jetzt …« Er brach ab, zuckte entschuldigend die Achseln und winkte dem Kellner, damit er uns die Rechnung brachte.

Ich vermutete, dass er Recht hatte, und der Verdacht nagte an mir. Zum ersten Mal in meiner politischen Laufbahn wurde ich neidisch, wenn jüngere Politiker Erfolg hatten, wo ich gescheitert war; wenn sie höhere Ämter bekamen und mehr erreichten als ich. Die Freuden der Politik, die Adrenalinstöße in der Debatte, die animalische Wärme beim Händeschütteln im Wahlkampf, das Bad in der Menge, begannen gegenüber der Bürde des Amtes zu verblassen: dem Betteln um Geld, den langen Heimfahrten, wenn ein Bankett zwei Stunden länger als geplant gedauert hatte, dem miesen Essen und der schlechten Luft und den kurzen Telefongesprächen mit einer Ehefrau, die bis jetzt zu mir gehalten hatte, nun aber die Kinder nicht mehr allein aufziehen wollte und mich fragte, ob ich die richtigen Prioritäten setze. Selbst die parlamentarische Arbeit, das politische Gestalten, das mich überhaupt erst zu einer Kandidatur motiviert hatte, erschien mir inzwischen zu ineffektiv, zu weit entfernt von den wirklichen Schlachten um Steuern, Sicherheit, Gesundheit oder Arbeitsplätze, die alle in Washington geschlagen wurden. Ich zweifelte allmählich daran, ob ich den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Ich begann mich zu fühlen, wie sich vermutlich ein Schauspieler oder ein Sportler fühlt, der jahrelang vergeblich einem Traum nachgejagt ist. Er hat zwischen den Vorsprechterminen als Kellner gearbeitet oder in der Amateurliga hart erarbeitete Treffer erzielt und muss nun erkennen, dass er mit seiner Begabung und seinem Glück das Ende der Fahnenstange erreicht hat und sein Traum nicht in Erfüllung gehen wird. Nun kann er entweder wie ein Erwachsener den Tatsachen ins Auge sehen und sich eine vernünftigere Tätigkeit suchen, oder er stellt sich der Wahrheit nicht und endet als bitterer, streitsüchtiger und wohl auch bemitleidenswerter Mann.

 

Realitätsverweigerung, Wut, Verhandeln, Verzweiflung – ich weiß nicht, ob ich all diese von Fachleuten beschriebenen Stadien durchgemacht habe. An einem bestimmten Punkt jedoch gelangte ich zur Akzeptanz, zur Anerkennung meiner Grenzen und in gewisser Weise meiner Sterblichkeit. Ich fand einen neuen Schwerpunkt für meine Arbeit im Senat von Illinois und zog Befriedigung aus den Reformen und Initiativen, die ich in meiner Position anstoßen konnte. Ich verbrachte mehr Zeit zu Hause und erlebte mit, wie meine Töchter heranwuchsen. Ich pflegte die Beziehung zu meiner Frau und machte mir Gedanken über meine langfristigen finanziellen Verpflichtungen. Ich trieb Sport und las Romane und lernte, mich darüber zu freuen, dass sich die Erde um die Sonne dreht und die Jahreszeiten kommen und gehen, ohne dass ich mich dafür besonders anstrengen muss.

Es war, glaube ich, diese Akzeptanz, die es mir erlaubte, mich mit der wirklich verrückten Idee einer Kandidatur für den Senat der Vereinigten Staaten zu befassen. Als »Aufsteigen oder Aufhören« erklärte ich meine neue Strategie meiner Frau, als letzten Versuch, meine politischen Ideen zu verwirklichen, bevor ich mir eine ruhigere, stabilere und besser bezahlte Existenz suchte. Und meine Frau war (vielleicht mehr aus Mitleid denn aus Überzeugung) mit dieser letzten Kandidatur einverstanden, auch wenn sie sagte, dass ich nicht unbedingt mit ihrer Stimme rechnen solle, weil sie für unsere Familie ein ruhiges und gesichertes Leben vorziehen würde.

Ich tröstete sie damit, dass meine Chancen sehr schlecht waren. Der amtierende republikanische Senator Peter Fitzgerald hatte 19 Millionen Dollar aus seinem Privatvermögen ausgegeben, um seine Vorgängerin Carol Moseley Braun zu schlagen. Er war...

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