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E-Book

Ich bin, wer ich war

Mit Demenz leben

VerlagResidenz Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783701744664
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Erkrankte und Pflegende erzählen von ihrem Leben mit Demenz In diesem Buch lernen Sie starke Persönlichkeiten kennen: Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen erzählen von ihrem Leben. Niemand kann das besser als sie selbst, denn sie sind ProtagonistInnen und ExpertInnen zugleich. Sie beschreiben ihre Sorgen, Freuden und Ängste. Sie sprechen über Gewesenes und Zukünftiges, über Liebe und Partnerschaft, über Isolation und auch darüber, wie ihnen manchmal die Kraft ausgeht. Eindrucksvolle Fotos aus Vergangenheit und Gegenwart sowie ein umfangreicher Serviceteil der Volkshilfe Österreich zu Unterstützungsangeboten, Kontaktadressen und Fakten zu Prävention, Diagnostik, Betreuung und Pflege ergänzen dieses einfühlsame Buch.

Erich Fenninger geboren 1963 in Bad Vöslau, seit 2003 Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe Österreich und Geschäftsführer der Volkshilfe Solidarität. Vorstandsmitglied zahlreicher Sozialorganisationen und wissenschaftlicher Beirat der FH St. Pölten. Dagmar Fenninger, geboren 1966 in Villach, studierte Sonder- und Heilpädagogik. Sie leitet das Referat Jugend und Familie der Volkshilfe Österreich. Teresa Millner-Kurzbauer, geborten 1979 in St. Pölten, studierte nach ihrer Karriere als Krankenschwester Pflegewissenschaft. Seit 2011 leitet sie den Fachbereich Pflege und Betreuung der Volkshilfe Österreich.

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Leseprobe

Ich betreue und pflege ein Mitglied meiner Familie


DIE ERSTEN VORBOTEN DER DEMENZ

Demenzerkrankungen kündigen sich langsam an. Zuerst bemerken die Betroffenen, dass etwas nicht stimmt, dann die ihnen nahestehenden Menschen. Die Abweichung von gewohnten Verhaltensmustern wird wahrgenommen. Die Person ist nicht bei der Sache, kann sich nur schwer konzentrieren, vergisst viel und verlegt Dinge. Der erste Gedanke lautet meist: »Jetzt wird er alt« oder »Jetzt wird sie alt«.

Sich wiederholendes Fehlverhalten führt bei den nahen Angehörigen oft zu Verärgerung, die in Vorwürfen mündet. Man ärgert sich über Unkonzentriertheit, über mangelnde Motivation, über fehlendes Engagement und glaubt, es wäre ein Nichtwollen, doch tatsächlich handelt es sich um ein Nichtkönnen. Auch die erkrankten Menschen verstehen nicht, warum ihre Merkfähigkeit nachlässt. Die Reaktionen ihrer Umgebung verstärken eine bereits vorhandene Verunsicherung. Es beginnt eine Art Versteckspiel. Die Betroffenen versuchen, die Abnahme ihrer Kompetenzen zu verschleiern und zu kompensieren. Sie weichen schwierigen Situationen aus, entziehen sich jenen Aufgaben, die sie überfordern könnten. Das vermeidende Verhalten wird als Faulheit und Sturheit fehlinterpretiert, Konflikte sind die Folge. Dieser belastende Zustand kann über Monate oder sogar Jahre anhalten, ehe die wahre Ursache erkannt wird, denn es ist nicht einfach, Demenzerkrankungen als solche zu identifizieren und von normalen Alterungsprozessen zu unterscheiden.

Den Angehörigen wird in den folgenden Jahren ein großes Maß an Akzeptanz abverlangt werden. Menschen entwickeln sich weiter und ändern sich. Erkenntniszugewinn, Erfahrungen, neue Interessen, Erwerbstätigkeit, veränderte Lebensumstände, Ereignisse und Schicksalsschläge sind die Motoren der menschlichen Veränderung und Weiterentwicklung.

Die Grundlage jeder gelungenen Beziehung besteht darin, den anderen Menschen als eigenständige Persönlichkeit wahrzunehmen und zu schätzen, Entwicklung zuzulassen, die Person dafür zu respektieren und zu lieben, wie sie ist, und nicht dafür, wie sie sein sollte. Wir nehmen für uns selbst in Anspruch, so angenommen zu werden, wie wir sind, daher sollten wir das auch unseren Angehörigen zubilligen, uns mit ihren Veränderungen auseinandersetzen und sie akzeptieren. Beziehungen sind nicht statisch. Sie unterliegen einem Wandel, der durch die Veränderung und Entwicklung der involvierten Personen herbeigeführt wird und sie laufend beeinflusst.

In Beziehung zu sein bedeutet, aufmerksam zu bleiben und wahrzunehmen, wenn der oder die andere belastet ist und sich nicht gut fühlt. Ein respektvoller Umgang verlangt danach, weniger zu urteilen als zu verstehen. Ein stark verändertes Verhalten unserer Nächsten sollte uns also dazu bewegen, das Phänomen und die Ursachen für uns und im Dialog zu hinterfragen.

Ich fand meine Mutter in diesem Zusammenhang immer sehr charmant. Sie hat immer Komplimente gemacht, was man normalerweise ja auch nicht macht, an der Kassa zu sagen: »Oh, Sie haben aber schöne Haare.« Es gibt ja nicht nur Schwierigkeiten mit Demenzerkrankungen, sondern auch schöne Erfahrungen.

— David Sieveking

DAS DRÄNGEN AUF DEN ARZTBESUCH

Sobald sich der Verdacht erhärtet, dass eine Erkrankung vorliegen könnte, ist es den meisten Angehörigen ein Anliegen, die Ursachen für die Veränderung abzuklären. Nicht immer sind die Betroffenen dazu bereit. Die Bereitschaft, sich einer umfassenden medizinischen Untersuchung zu unterziehen, muss reifen. Jeder Mensch benötigt sein eigenes Tempo. Ein Drängen auf rasche Terminvereinbarung ist nur bedingt hilfreich, es kann zu Angst führen und Widerstand hervorrufen.

An Demenz erkrankte Menschen ordnen die eigenen Veränderungen oft ganz anderen Gründen wie etwa Stress oder Überarbeitung zu. Sie sehen keine Notwendigkeit für einen Arztbesuch. In einem solchen Fall sollten die Angehörigen eine Untersuchung vorschlagen, dabei aber der betroffenen Person ihr eigenes Tempo zugestehen. Das Wissen, dass an eine Diagnose immer auch Möglichkeiten geknüpft sind, um die Situation zu verbessern, ist hilfreich. Bekanntlich kann ja auch der Alterungsprozess an sich zu Überforderung und veränderten Verhaltensweisen führen. Sollte es sich hingegen um eine Demenzerkrankung handeln, helfen Information, Beratung und Therapie.

Angehörige können dazu beitragen, Angst zu minimieren und die positiven Aspekte einer medizinischen Abklärung in den Vordergrund zu stellen. Ist jemand nicht bereit, sich einer fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen, so besteht eventuell die Möglichkeit, diese Person zu einem Informationsgespräch beim Hausarzt oder der Hausärztin zu motivieren. Für eine umfassende Abklärung sind in der Regel mehrere Untersuchungen notwendig. Es kann den Betroffenen guttun, zu den Arztterminen begleitet zu werden, sofern sie dies wünschen. Stress und Aufregung werden dadurch reduziert, das Signal, nicht allein gelassen zu werden, wirkt entlastend.

DEMENZ IN MEINER FAMILIE – WAS BEDEUTET DAS FÜR MICH?

Die Diagnose nimmt zwar die Last des Nichtwissens, doch sie löst im gesamten Familiensystem einen Schock aus. Wir müssen davon ausgehen, dass sich ab nun vieles deutlich verändern wird. Das Leben wird nicht mehr sein, wie wir es gewohnt waren, alle für die Zukunft entworfenen Pläne sind plötzlich infrage gestellt. Je umsichtiger die Angehörigen mit dem erkrankten Menschen umgehen, desto eher wird dieser die Kraft finden, über seine Sorgen zu sprechen. Es tut gut, wenn andere bereit sind und sich die Zeit nehmen, um zuzuhören, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und die in Worte gefassten Gefühle empathisch zu reflektieren.

Ich wünsche mir, dass wir lernen, dass Demenz zum Leben dazugehört.

— Herbert Schäfer

Angehörige tendieren dazu, den Betroffenen auf Grund der Diagnose Verantwortung und Kompetenz abzusprechen. Sie greifen in die Tagesstruktur ein und gestalten sie um, versuchen Gefahrenquellen zu eliminieren und Abläufe zu vereinfachen. Vielfach handelt es sich dabei um vorgreifende Vorsichtsmaßnahmen. Doch meist führen diese Maßnahmen zu Irritation und weiterer Verunsicherung. Der Mensch, um den es geht, ist einen Tag nach der Diagnose derselbe wie am Tag zuvor, daran wird sich auch in den nächsten Tagen und Wochen nichts ändern. Er oder sie wird in der Lage sein, dieselben Dinge wie bisher zu tun, es wäre daher falsch, ihm oder ihr Kompetenzen und Verantwortungsbereiche abzusprechen. Das käme einer Entmündigung nahe. Die Diagnose gibt der Erkrankung einen Namen. Unser Ziel darf nicht sein, Fähigkeiten und Verantwortung vorsorglich abzutragen, sondern unsere Angehörigen adäquat zu unterstützen, damit sie ihre Kompetenzen so gut und so lange wie möglich erhalten können. Nur wenn wir die Eigenverantwortlichkeit der Betroffenen respektieren, werden wir sie nicht verwirren, irritieren oder entmündigen.

Alle Beteiligten brauchen Zeit, um sich auf den Befund einzustellen und damit umgehen zu lernen. Fürsorge darf nicht zur Fremdbestimmung durch Angehörige führen. Es ist jedoch hilfreich, für die Zukunft zu planen und vorzusorgen. Sie benötigen Informationen und Austausch. Entsprechende Angebote erhalten Sie im Internet unter www.demenz-hilfe.at, bei der Ärzteschaft und bei sozialen Organisationen, die Pflege und Betreuung anbieten. Neben dem zu generierenden Wissen ist es wichtig, auf die eigenen Gefühle, Sorgen und Ängste zu hören und diese zu reflektieren. Der Austausch mit anderen Menschen ist hilfreich. Sie sollten sich die Zeit nehmen, die eigenen Gefühle mit Freunden und Freundinnen zu besprechen. Dies kann ein Ventil darstellen und Erleichterung schaffen. Sie sollten jedenfalls in Erwägung ziehen, professionelle Hilfe durch Gesundheits- und Krankenpflege, Psychologie oder Therapie in Anspruch zu nehmen.

WARUM PFLEGE ICH?

Nach dem Erhalt der Diagnose drängen sich unzählige Fragen hinsichtlich der Organisation von Pflege und Betreuung auf. Es gilt zu klären, wer in welchem Ausmaß Pflege und Verantwortung übernehmen wird. Man sollte sich die Motivation bewusst machen, die zur Übernahme dieser Aufgabe führt. Was sind Ihre Gründe dafür? Welche Gefühle haben Sie diesbezüglich? Je klarer Sie sich der Gründe und der damit verbundenen Gefühle zu Beginn der Begleitung bewusst sind, desto tragfähiger werden sich diese in der Zukunft erweisen. Man sollte auch die Faktoren, die eine Pflegearbeit erschweren oder dagegen sprechen, bedenken, besprechen und abwägen, die eigenen Bedürfnisse nicht außer Acht lassen. Dies kann eine gute Basis dafür schaffen, sich selbst nicht zu überfordern, von Beginn an die gesamten innerfamiliären Ressourcen zu aktivieren, außerfamiliäre...

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