Sie sind hier
E-Book

Ich habe jetzt genau das richtige Alter. Muss nur noch rauskriegen, wofür

AutorAdrienne Friedlaender
VerlagBlanvalet
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783641231842
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Was geht noch und wenn Ja, wie oft?
Verliebt, verlobt, verheiratet ... Und dann glücklich bis ans Ende aller Tage? Das Leben ist nicht planbar und die Liebe noch viel weniger. Aber muss man sich davon ausbremsen lassen oder gleich den Kopf in den Sand stecken? NEIN, sagt Adrienne Friedlaender und schreibt mit Witz und erfrischender Ehrlichkeit übers Leben, das nie tut, was man von ihm will; übers Vollgas-Geben beim Suchen und Finden der Liebe, über verflixt-verrückte Onlinedates, das Älterwerden und was das alles miteinander zu tun hat. Denn: Auch Sie haben jetzt genau das richtige Alter, Sie müssen nur noch rauskriegen, wofür!

Ein Buch für Frauen, die vom Leben zurück auf Start geschickt wurden und vor den Fragen stehen: Und jetzt? Was will ich eigentlich - und was geht da noch?

Adrienne Friedlaender, Jahrgang 1962, ist freie Journalistin. Seit mehr als zehn Jahren schreibt sie Porträts, Kurzgeschichten, Interviews und Reisereportagen aus aller Welt für Tageszeitungen, Magazine und Online-Medien. 2017 erschien ihr erstes Buch »Willkommen bei den Friedlaenders!«, mit dem sie die SPIEGEL-Bestsellerliste eroberte. Seitdem widmet sie sich in ihren fröhlichen und lebensklugen Büchern den Themen, die sie ganz persönlich bewegen. Adrienne Friedlaender lebt mit zwei ihrer vier Söhne in Hamburg.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

3


Emergency Room im Realitätscheck:
verliebt, verlobt, verheiratet und schwups, im Kreißsaal


Warum lernen wir in der Schule eigentlich so wenig fürs echte Leben? Mein romantisches Geburtswissen hatte ich überwiegend aus Fernsehserien bezogen. Ganz ehrlich: Drehbuchautoren sollten besser recherchieren. Zum Beispiel bei mir …

»Und wie ist das so mit der Geburt?«, hatte ich meine Mutter einige Wochen zuvor gefragt, als der Stichtag näher rückte. »Wie war es bei dir damals, als ich zur Welt kam?« Ich wog bei einer Größe von knapp eins sechzig fast achtzig Kilo, quälte mich schnaufend durch den Tag, wälzte mich wie ein Wal auf dem Trockenen unruhig durch die schlaflosen Nächte und dachte nur noch an eines: die Geburt! Ich freute mich wahnsinnig auf mein Baby, hatte aber gleichzeitig großen Respekt vor dem Ungewissen.

»Ach, Kind«, antwortete meine Mutter und streichelte mir mit entrücktem Blick über den Bauch. »Wenn du dein Baby erst im Arm hältst, ist das alles vergessen.« Weiter ging sie einfach nicht auf die Frage ein. Damals dachte ich noch, sie hätte aus Scham so geantwortet.

Ähnlich erging es mir auch bei Tante Lotti. Und Oma Ruth erinnerte sich aufgrund fortschreitender Demenz gar nicht, überhaupt einmal Kinder bekommen zu haben.

Wen wundert es also, dass ich mein Geburtswissen überwiegend aus Fernsehserien bezog? Emergency Room und Co. weckten große Erwartungen. Ich hatte Frauen gesehen, die sich auf Taxi-Rückbänken vor Schmerzen krümmten, während die Fahrer, rote Ampeln ignorierend, durch die Stadt rasten, um das Leben von Mutter und Kind zu retten. Heute glaube ich, dass ihre Angst weniger Mutter und Baby galt als einem Abgang des Fruchtwassers auf den Velourssitzen. Aber damals war ich noch voller Illusionen. Natürlich war ich deshalb auch kurz beleidigt, als Theo, mein erster Mann, aus Kostengründen darauf bestand, in unserem Wagen zu fahren, statt ein Taxi zu rufen. Auch verwirrte mich, dass außer mir niemand aufgeregt zu sein schien. Mit den Worten »Du kannst dich schon mal anmelden, ich park das Auto außerhalb des Geländes« setzte Theo mich einfach vor dem Kreißsaal ab.

Ich liebte Theo für seine klare Struktur, seine vernünftigen Ideen, den kühlen, klaren Kopf, seine Vernunft. Er war der Fels in der Brandung meines oft so turbulenten Lebens. Und es gab keinen Mann, von dem ich in diesem Moment lieber ein Kind bekommen hätte. Und ich hatte auch nicht erwartet, dass Theo meine zarten achtzig Kilo in den Kreißsaal trug, aber dass er mich einfach ganz allein vor der Tür absetzte, um einen günstigeren Parkplatz zu suchen, hat in unserer Ehe nachhaltige Spuren hinterlassen. Auch die erwartete Ärzteschar mit im Laufschritt wehenden weißen Kitteln blieb komplett aus. Einzig Schwester Hilde traf ich auf dem leeren Flur.

»Erstes Kind?« Sie musterte mich streng durch dicke Brillengläser, und sofort schämte ich mich zuzugeben, noch keiner kleinen Fußballmannschaft das Leben geschenkt zu haben. »Dann ist ja Zeit«, stellte Hilde energisch fest und schickte mich, gänzlich unbeeindruckt von meinen immer heftiger werdenden Wehen, in den Warteraum.

»Ahhhhrg! Verflixt, verflucht, verdammte, verfi… Sch…!« Es drangen Worte aus meinem Mund, von deren Existenz in meinem Wortschatz ich bis zu diesem Tag gar nichts gewusst hatte. Aber wenn die Wehen im Minutentakt kommen und man gerade das Gefühl hat, dass es einem den Unterleib zerreißt, kann man schon mal die Contenance verlieren. Ich schnaufte, stöhnte, fluchte und hörte mich selbst fremdartige Laute von mir geben, die ich bislang ähnlich nur aus Tierdokumentationen kannte. Ich weinte und wimmerte, hielt mich verzweifelt an Theo fest, um ihm im nächsten Moment zu verbieten, mich anzufassen, weil ich keine Berührung ertrug.

Keineswegs ermutigend waren die Schreie aus dem Nebenzimmer, die wie aus einem Horrorfilm klangen. »Was passiert denn da drüben gerade?«, fragte ich Schwester Hilde ängstlich in einer der Wehenpausen.

»Nicht mehr als hier«, antwortete sie pragmatisch und wenig aufgeregt.

Im Laufe der nächsten Stunden lösten sich die letzten romantischen Gedanken zur Geburt in bestialischen Schmerzen auf und mit ihnen auch die Idee, dass ich Hand in Hand gemeinsam mit meinem geliebten Ehemann die Wehen wegatmen würde, wie wir es bei Kerzenlicht im Partner-Geburtsvorbereitungskurs gelernt hatten. Jetzt machte es mich eher aggressiv, Theo zu beobachten, der die Dauer der Wehen mit der Stoppuhr kontrollierte und bei dem Versuch, im Gleichtakt mit mir zu atmen, irgendwie aussah wie ein Karpfen auf dem Trockenen. Ich drohte, ihn zu verlassen, noch bevor unser Kind das Neonlicht des Kreißsaals erblicken würde, wenn er nicht sofort aufhörte.

Was Schmerzen aus einem machen. Apropos Schmerzen. Ich hätte die gern geteilt. Oder ganz abgegeben. Dazu hatte mir meine Mutter sogar einen Witz erzählt: »Mann und Frau im Kreißsaal. Der Arzt sagt zum Vater: ›Es gibt da eine neue Technik, anhand derer es uns möglich ist, die Geburtsschmerzen zwischen dem Vater und der Mutter aufzuteilen. Sie sagen, wie viel Sie Ihrer Frau abnehmen möchten, ich stelle es entsprechend ein. Möchten Sie das ausprobieren?‹ Der Mann beginnt zaghaft mit dreißig Prozent – und merkt nichts. Mutig erhöht er auf fünfzig Prozent, noch immer kein Schmerz. Schließlich weist er den Arzt an, hundert Prozent zu übertragen, auch jetzt spürt er keinen Schmerz, aber die Frau erlebt eine leichte Entbindung, und das Baby kommt gesund zur Welt. Als die beiden stolz mit ihrem Nachwuchs zu Hause eintreffen, liegt der Briefträger tot vor der Tür.« Dann fügte meine Mutter noch süffisant grinsend hinzu: »Ja, ja, so ist das, mein Kind. Gut, dass Männer nicht immer alles wissen.« Sie und ihre Geschichten … Bei uns hätte es höchstens bis zur Ohnmacht gereicht. Und die hätte tatsächlich meinen Mann getroffen. Meinen Traummann, der kurz vor meinem dreißigsten Geburtstag in mein Leben galoppiert war …

Damals ritt ich durch die Lüneburger Heide, das Heidekraut leuchtete mir hoffnungsvoll lila entgegen, und ich murmelte mantramäßig: »Ich wünsche mir einen Mann fürs Leben. Ich wünsche mir einen Mann, der mich liebt. Ich wünsche mir Ehe, Kinder, eine glückliche Familie.« In der letzten Zeit hatte ich nämlich von meiner Mutter, die sich langsam Sorgen machte, ob ihre Tochter noch vermittelbar sei, auffällig viele Glücksratgeber geschenkt bekommen, und so übte ich mich in der Kraft der positiven Gedanken. Was soll ich sagen: Als ich nach zwei Stunden wieder auf den Hof ritt, putzte meine Reitpartnerin Anna gerade ihr Pferd. Und neben ihr stand der Adonis der Lüneburger Heide – und strahlte mich an.

Anna stellte ihn mir als Theo vor.

Theo war dreißig Jahre alt, smart, kurz vor ungebunden und: Er konnte reiten. Zwar nicht zu vergleichen mit Little Joe – Theo fiel bei jedem Ausritt mindestens einmal von seinem wilden Braunen –, aber trotzdem: Ich hatte ihn gefunden, meinen Retter! Er würde mich von den Irrwegen meines Lebens auf den Pfad des Glücks führen. Von jetzt an bis in alle Ewigkeit … Und nein, die Heideluft war mir gut bekommen, und ich war nicht betrunken. Ich war einfach verliebt und fühlte mich wie auf Droge. Vielleicht erklärt das die rosaroten Fantasien. Vielleicht aber hatten auch unzählige Liebesromane und Märchen wie Dornröschen, Aschenputtel und Co. ihre Spuren hinterlassen. Auf jeden Fall – zack, waren wir verheiratet. Und schwups, war ich schwanger und verrückt vor Freude, dass ich ein Baby bekam, auch wenn das bedeutete, dass ich eine Metamorphose von der Frau zum Mehlsack durchleben musste und unerwartete, schräge Dinge passierten. Zum Beispiel: Ich stand in der Bäckerei. Eine fremde Hand hatte sich unbemerkt von hinten genähert, strich über meinen prallen Babybauch und riss mich aus meiner Überlegung, ob ich meinen ungezügelten Appetit auf Süßes vor dem Abendessen noch schnell mit einem Stück Lübecker Marzipantorte stillen sollte oder doch lieber nur mit einem kleinen Windbeutel.

»Na, wann ist es denn so weit?« Karin Brandmüller, eine entfernte Bekannte meiner Schwiegermutter, ließ ihre Hand fachmännisch über die Rundungen meines Bauches kreisen, als könnte sie so den exakten Geburtstermin ertasten.

Und mir wurde klar: Mit zunehmendem Bauch wächst nicht nur das Baby, sondern auch das Bedürfnis wildfremder Menschen, diesen anzufassen!

Dabei hat doch fast jeder schon mal davon gehört, dass es so etwas wie einen körperlichen Distanzraum gibt. Sozusagen eine territoriale Grenze, die nur von nahestehenden Menschen und auf Wunsch überschritten werden darf. Im Supermarkt, an der Bushaltestelle, beim Friseur oder sogar mitten auf der Straße verlieren wildfremde Menschen angesichts einer schwangeren Frau jegliche Hemmungen. Zugegeben – mein Bauchumfang hatte solch gewaltige Ausmaße, dass der Nabel diese Distanzgrenze von einer Armlänge überschritt, und Menschen, an denen ich vorbeilief, hätten einen Sprung rückwärts machen müssen, um meinen persönlichen Wohlfühlabstand herzustellen. Okay, das wäre vielleicht zu viel erwartet gewesen, aber das ist doch trotzdem kein Grund fürs hemmungslose Anfassen, oder?

Anteilnahme und Freude an meinem Zustand waren toll. Aber sollte es nicht möglich sein, all das verbal auszudrücken – zumindest, bis man sich gegenseitig vorgestellt hat?

Ich würde ja zu gern mal die Reaktion erleben, wenn ich mit den Worten »Na, Weihnachten ein paar Gänsekeulen zu viel gegessen?« in fremde Hüften und Bäuche kneifen würde. Oder wenn ich einem stolzen Vater zwinkernd in den Schritt fasste: »Na, wieder mal für Nachwuchs gesorgt?«

Auf das Betätschelt-Werden war ich jedenfalls...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Gesellschaft - Männer - Frauen - Adoleszenz

Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt

E-Book Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt
Unsere Angst vor Freiheit, Markt und Eigenverantwortung - Über Gutmenschen und andere Scheinheilige Format: ePUB

Freiheit und Eigenverantwortung statt Ideologie und Bürokratie - Günter Ederer analysiert auf Basis dieser Forderung die existenziellen Probleme unserer Gesellschaft: Bevölkerungsrückgang,…

Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt

E-Book Die Sehnsucht nach einer verlogenen Welt
Unsere Angst vor Freiheit, Markt und Eigenverantwortung - Über Gutmenschen und andere Scheinheilige Format: ePUB

Freiheit und Eigenverantwortung statt Ideologie und Bürokratie - Günter Ederer analysiert auf Basis dieser Forderung die existenziellen Probleme unserer Gesellschaft: Bevölkerungsrückgang,…

Mitten im Leben

E-Book Mitten im Leben
Format: ePUB/PDF

Die Finanzaffäre der CDU hat nicht nur die Partei und die demokratische Kultur der Bundesrepublik in eine ihrer tiefsten Krisen gestürzt, sondern war auch der Auslöser für Wolfgang Schäubles Verzicht…

Mitten im Leben

E-Book Mitten im Leben
Format: ePUB/PDF

Die Finanzaffäre der CDU hat nicht nur die Partei und die demokratische Kultur der Bundesrepublik in eine ihrer tiefsten Krisen gestürzt, sondern war auch der Auslöser für Wolfgang Schäubles Verzicht…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Klartext.

E-Book Klartext.
Für Deutschland Format: ePUB/PDF

Streitbarer Querulant, umstrittener Politiker, Nervensäge, wandelndes Medienereignis - all das und mehr ist Jürgen Möllemann. Nach langem Schweigen redet das Enfant terrible der deutschen Politik zum…

Weitere Zeitschriften

Menschen. Inklusiv leben

Menschen. Inklusiv leben

MENSCHEN. das magazin informiert über Themen, die das Zusammenleben von Menschen in der Gesellschaft bestimmen -und dies konsequent aus Perspektive der Betroffenen. Die Menschen, um die es geht, ...

Augenblick mal

Augenblick mal

Die Zeitschrift mit den guten Nachrichten "Augenblick mal" ist eine Zeitschrift, die in aktuellen Berichten, Interviews und Reportagen die biblische Botschaft und den christlichen Glauben ...

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg)

SPORT in BW (Württemberg) ist das offizielle Verbandsorgan des Württembergischen Landessportbund e.V. (WLSB) und Informationsmagazin für alle im Sport organisierten Mitglieder in Württemberg. ...

dima

dima

Bau und Einsatz von Werkzeugmaschinen für spangebende und spanlose sowie abtragende und umformende Fertigungsverfahren. dima - die maschine - bietet als Fachzeitschrift die Kommunikationsplattform ...

EineWelt

EineWelt

Lebendige Reportagen, spannende Interviews, interessante Meldungen, informative Hintergrundberichte. Lesen Sie in der Zeitschrift „EineWelt“, was Menschen in Mission und Kirche bewegt Man kann ...

VideoMarkt

VideoMarkt

VideoMarkt – besser unterhalten. VideoMarkt deckt die gesamte Videobranche ab: Videoverkauf, Videoverleih und digitale Distribution. Das komplette Serviceangebot von VideoMarkt unterstützt die ...

Euro am Sonntag

Euro am Sonntag

Deutschlands aktuelleste Finanz-Wochenzeitung Jede Woche neu bietet €uro am Sonntag Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den Themen Geldanlage und Vermögensaufbau. Auch komplexe Sachverhalte ...

F- 40

F- 40

Die Flugzeuge der Bundeswehr, Die F-40 Reihe behandelt das eingesetzte Fluggerät der Bundeswehr seit dem Aufbau von Luftwaffe, Heer und Marine. Jede Ausgabe befasst sich mit der genaue Entwicklungs- ...