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Ich konnte nichts für dich tun

Trauern und weiterleben nach einem Verlust durch einen Suizid

AutorEva Terhorst
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783451808487
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Der Tod eines geliebten Menschen ist besonders schwer zu verarbeiten, wenn dieser den Weg des Suizids gegangen ist. War es eine Tat aus akuter Verzweiflung oder die Folge einer langjährigen Depression? Gab es Anzeichen? Hätte ich etwas tun können? Erschwerend kommt hinzu, dass der Suizid in unserer Gesellschaft weitgehend tabuisiert ist. Die Trauerberaterin und Autorin Eva Terhorst bietet konkrete Informationen und Hilfestellungen, um diese schwere Zeit besser zu bewältigen. Sie zeigt betroffenen Angehörigen auf, wie sie jenseits von Schock, Entsetzen und Schuldgefühlen ihren Weg der Trauer finden können.

Eva Terhorst war PR-Beraterin, wurde Trauerbegleiterin, nachdem sie wieder einen geliebten Menschen verlor. Als sie 15 Jahre alt geworden war, nahm ihre Mutter sich das Leben. Als sie Anfang 40 war, starb ihr Lebensgefährte an Krebs. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

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Leseprobe

Teil I:

Suizid verstehen


Kapitel 1:
Zahlen und Fakten


Definition und Sprachgebrauch


Suizid ist die vorsätzliche Beendigung des eigenen Lebens. Einem Suizid gehen objektive und/oder subjektive Einengungen voraus, die durch seelische, körperliche, kulturelle und ideologische Ursachen bedingt sind.

Das früher gebräuchliche Wort »Selbstmord« wird nicht mehr verwendet, denn Mord liegen laut Strafgesetzbuch Eigenschaften wie Heimtücke, Grausamkeit, Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Habgier, sonstige niedere Beweggründe und Ermöglichungs- oder Verdeckungsabsichten zugrunde. Das trifft auf Menschen, die Suizid begehen, nicht zu; sie befinden sich in höchster seelischer Not und sind keine Mörder.

Auch der Begriff »Freitod« wird heute vermieden, da es der Handlung etwas Freiwilliges, Selbstbestimmtes und Romantisches beigibt, was nicht der Realität entspricht.

Warum es wichtig ist, über Suizid Bescheid zu wissen


Dieses Buch ist vor allem für Menschen gedacht, die einen geliebten Menschen durch Suizid verloren haben und nun an sich und der Welt zweifeln. Sich selbst zu töten gilt als letzter Ausweg, doch oftmals wird es gar nicht bemerkt, dass es jemandem so schlecht geht, dass er nicht mehr leben kann. Manchmal ist es sogar so, dass Menschen, die nach außen hin sehr fröhlich oder sogar glücklich erscheinen, ihr Leben selbst verkürzen. Für Angehörige und Freunde ist das mehr als erschütternd und überhaupt nicht nachvollziehbar. Darum ist es wichtig, mehr über die Hintergründe von Selbsttötungen zu erfahren. Wenn ein Suizid in unserem nahen Umfeld geschieht und wir uns nur oberflächlich und mit Halb­wissen damit beschäftigen, kann das zu Gedankengängen führen und uns in Gefühlswelten bringen, die uns nicht weiterhelfen, sondern im Gegenteil bewirken, dass wir uns in unserem bisher geborgenen Umfeld unsicher fühlen und Schuldgefühle entwickeln. Meistens sind Schuldgefühle in solchen Fällen unbegründet, doch um das herauszufinden, benötigen wir tiefergehende Informationen.

Im Ganzen gesehen unterscheiden sich Suizide, und seien sie sich in manchen Fällen noch so ähnlich. Einige der vielfältigen Informationen in diesem Buch mögen daher für Ihren persönlichen Fall gänzlich unwichtig erscheinen, andere geben Ihnen Hinweise und Aufschluss auf die bestimmte Situation, in der der Mensch, den Sie verloren haben, gesteckt haben könnte. Die ausführlichen Informationen über Suizid und Trauer sollen Ihnen helfen, den Verlust und das Geschehen zu bewältigen. Ich möchte Sie auch zu Verständnis dafür geleiten, dass es völlig in Ordnung ist, sich unter diesen Umständen komplett überfordert zu fühlen, und dass es manchmal wichtig ist, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch darüber Bescheid zu wissen ist wichtig.

Zudem sollten wir wissen, wie wir handeln können, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass es jemandem nicht gut geht und er möglicherweise suizidgefährdet ist. Besonders empfänglich für solche Anzeichen sind oft Personen, die einmal den Suizid eines geliebten Menschen erleben mussten. Es ist wichtig zu wissen, wie wir die betreffende Person ansprechen und ihr helfen können.

Natürlich ist Suizid ein sehr belastendes Thema, mit dem sich keiner freiwillig beschäftigen möchte. Also befassen wir uns erst dann damit, wenn es zu spät ist. Kennen wir uns aber besser darin aus, brauchen wir nicht mehr so viel Angst und Abwehr dagegen zu haben. Es kann uns nicht mehr so leicht beherrschen, denn wir haben Handwerkszeug zur Verfügung, um damit umzugehen. Das macht uns stärker und mutiger, und so kann es möglich sein, dass wir jemandem in seinen dunkelsten Zeiten einen Weg aufzeigen können.

Sterben gehört zu unserem Leben und die jährlichen Zahlen bestätigen, dass Suizid für viele unserer Mitmenschen zum Leben gehört. Das kann jeden von uns treffen, und das wiederum bedeutet, uns betrifft dieses Thema, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht.

Der Konflikt zwischen der Furcht vor Nachahmung und dem Bedarf an Aufklärung


Ein Grund dafür, dass oft sehr vorsichtig oder gar nicht über Sui­zid berichtet wird, ist die Furcht vor Nachahmung. Der Nachahmungseffekt gilt inzwischen als wissenschaftlich belegt. Er wird auch Werther-Effekt genannt: 1774 erschien Goethes »Die Leiden des jungen Werther«, ein in Briefform gehaltener Roman. Darin löst die Hauptfigur im Alter von 24 Jahren sein durch eine unerfüllte Liebe hervorgerufenes seelisches Leid durch Selbsttötung. Das Werk erschien anonym und trat eine Lawine an Suiziden in der gleichen Altersgruppe los. Das ging so weit, dass man sogar die Toten in gleicher Kleidung wie Werther vorfand; oft hatten sie auch das Buch bei sich. Dieser dramatischen Epidemie versuchten einige Städte und Landkreise Herr zu werden, indem der Verkauf des Buches verboten und unter Strafe gestellt wurde. Auch die 13 Jahre später leicht veränderte Fassung forderte erneut viele Todesopfer.

Ähnlich begründete erhöhte Suizidraten gibt es auch heute in besonderen Fällen, beispielsweise wenn sich ein bekanntes und beliebtes Pop-Idol das Leben nimmt. Die Verehrung kann tödlich enden, wenn eine Person krankhaft auf das Idol fixiert ist und sich im Tod mit ihm verbinden will. Deshalb wird die Presse nachhaltig dazu angehalten, am besten gar nicht oder nur sehr verhalten über solche Fälle zu berichten. Da der Nachahmungseffekt wissenschaftlich eindeutig erwiesen ist, ist das sicher gerechtfertigt; andererseits trägt dies dazu bei, dass das Thema Suizid tabuisiert wird und eine Aufklärung darüber schwierig ist.

Einem Suizid gehen Probleme voraus. In unserer Gesellschaft sind wir darauf ausgerichtet, dass eine Selbsttötung in keinem Fall eine Lösung für ein Problem darstellen soll. Da die Zahlen aber zeigen, dass Selbsttötung sehr wohl als Ausweg genutzt wird, wird nach und nach trotz der erhöhten Nachahmungsgefahr mehr über Suizid informiert. Denn es hat sich gezeigt, dass Aufklärung Suizide verhindern kann.

Erschütternde Zahlen


Laut WHO stellt Selbsttötung eines unserer größten Gesundheitsprobleme dar. In Deutschland sterben jährlich mehr als 10.000 Menschen an Suizid. Die Dunkelziffer liegt etwa 25 Prozent höher. Das ist ein Zehntel der Versuche, die unternommen werden, denn dabei handelt es sich in Deutschland um die erschütternd große Zahl von jährlich mehr als 100.000 Versuchen. Bei einem Vergleich der Suizidrate (Suizide pro 100.000 Einwohner) zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz stellten sich die Zahlen1 2013 wie folgt dar: Deutschland 18,9, Österreich 25,6, Schweiz 21,0 Suizide pro 100.000 Einwohner.

Weltweit vollziehen etwa 800.000 Menschen jährlich Suizid, mehrere Millionen Menschen versuchen es. Das bedeutet, dass sich alle 40 Sekunden jemand das Leben nimmt, fast jede Minute unternimmt jemand einen Versuch.

Alters- und länderübergreifend lässt sich ablesen, dass dreimal häufiger Männer als Frauen durch Suizid aus dem Leben gehen. Das mag damit zusammenhängen, dass sie sich seltener Hilfe bei Angehörigen, Freunden oder in Therapien suchen. Es gilt immer noch als männlich, seine Probleme mit sich selbst auszumachen. Ebenso scheinen Männer, die sich professionelle Hilfe suchen, auch weniger in der Lage zu sein, die Möglichkeiten einer Therapie auszuschöpfen. Diesen Schicksalen gehen oft lange und seelisch wie körperlich quälende Monate und Jahre voraus, von denen die Angehörigen ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen sind.

In der Bundesrepublik lassen sich bei den Suizidraten teilweise deutliche Unterschiede ablesen. So lagen die Suizidraten 2013 in Sachsen und Sachsen-Anhalt bei 16,5 und 16,3 wohingegen sich in Nordrhein-Westfalen und Berlin Raten von 9,8 und 10,2 ablesen ließen2. Diese Unterschiede sind teilweise darin begründet, dass es in den neuen Bundesländern noch nicht so viele Beratungs- und Therapieangebote wie in den alten Bundesländern gibt. Auch gibt es bundesländerübergreifend in ländlichen Gebieten zu wenig Angebote für Menschen in Konflikt- und Krisensituationen. Dies ist eine weitere Bestätigung dafür, wie wichtig eine versierte Aufklärung und eine gute Gesundheitsversorgung sind, die genügend Therapieplätze für uns alle bereit hält.

In Deutschland gibt es die höchste Anzahl an Suizidopfern im Alter zwischen 50 und 55 Jahren; hier unterscheidet sich die Rate auffallend von den Raten in anderen Altersklassen.

Die genannten Zahlen gehen ebenso wie die folgenden auf den Suizid-Welt-Report der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zurück3, wobei die Ausführungen sich auf Deutschland beziehen, aber insgesamt auf Österreich und die Schweiz übertragbar sind4.

Risikogruppen

Suizid ist ein allgemeines Thema, das sich durch alle Alters-, Bildungs- und sozialen Schichten zieht. Allerdings gibt es durchaus Gruppen mit erhöhtem Risiko. Zu diesen gehören ältere Männer, Homosexuelle, junge Frauen mit Migrationshintergrund (vermutlich durch die erhöhte Gewalt, die sie zu ertragen haben), Frauen in Lebenskrisen, Ärztinnen und Ärzte, ganz besonders Neurologen und Psychiater, narzisstisch gestörte Menschen und Personen in existenziellen, wirtschaftlichen Nöten.

Risikofaktoren

Zu den häufigsten Risikofaktoren zählen in der Vergangenheit unternommene Suizidversuche, Angststörungen, Depressionen sowie übermäßiger Konsum von Alkohol und anderen Drogen. In 90 Prozent der Suizide spielen psychische Erkrankungen, ganz besonders Depression eine vorherrschende...

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