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E-Book

Ich war Jack Falcone

Wie ich als FBI-Geheimagent einen Mafiaclan zerschlug

AutorJoaquin Garcia
Verlagriva Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl272 Seiten
ISBN9783864134654
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Ein Gesetzeshüter schleust sich unter falscher Identität in den innersten Kreis der New Yorker Mafia ein und spielt seine Gangsterrolle so gut, dass ihm nach zwei Jahren die Mitgliedschaft in der Cosa Nostra angeboten wird - dieser unglaubliche Coup gelang dem FBI-Geheimagenten Joaquin Garcia. Sein Erlebnisbericht über die New Yorker Unterwelt ist so spannend wie ein Thriller - aber wahr!

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Leseprobe

Teil zwei


Der Fall entwickelt sich


Kapitel 10  


Treffen mit Großvater Munster


Am 28. Februar 2003 wurde der ehemalige Gambino-Capo Greg DePalma aus dem Gefängnis entlassen. Zuerst war diese Nachricht für uns nicht mehr als eine Randnotiz. Später wurde aus Greg mein Hauptziel und mein Entree in die Welt des organisierten Verbrechens; aber das hätte damals keiner von uns vorhersagen können. Soweit wir wussten, war DePalma längst abgehalftert. Klar, einst hatte er Paul Castellano und dann John Gotti nahegestanden, den legendären Bossen des Gambino-Clans in den 1970er- und 80er-Jahren. Zudem gründete und leitete er damals das West­chester-Premier-Theater, das dem Westbury Music Fair auf Long Island nachempfunden war und der Mafia zig Millionen Dollar einbrachte, weil sie es finanzierte, baute und betrieb. Auf dem berühmten Foto von Frank Sinatra, Carlo Gambino, Castellano und anderen Mafiagrößen steht DePalma vorne in der Mitte.

Das Foto kam zustande, als Sinatra im Theater sang und zahlreiche führende Mitglieder der Cosa Nostra in New York waren, um »familiäre Probleme« im ganzen Land zu lösen. Anwesend waren unter anderem Jimmy »das Wiesel« Fratianno aus San Francisco, Mike Rizzitello aus Los Angeles, Tony Spilotro aus Las Vegas, Russell Bufalino aus Scranton und mehrere Partner von Angelo Bruno, dem Boss aus Philadelphia. Außerdem wollten sie Aniello »Neil« Dellacroce und Carmine Galante »huldigen«, die das Magazin Time 1977 als »Favoriten im Kampf um die Nachfolge des Mafia-Oberhauptes Carlo Gambino« bezeichnete.

Im Westchester-Premier-Theater waren die Betrügereien ebenso erfinderisch wie lukrativ. Die Abendkasse verkaufte beispielsweise ganze Sitzreihen gegen Barzahlung. Es waren Plätze, die in keinem bekannten Saalplan des Theaters eingezeichnet waren. Diese Einnahmen waren reiner Profit für die Mafia und tauchten in den Büchern des Theaters nie auf. Bevor das Theater bankrottging, verdienten die New Yorker Mitglieder des organisierten Verbrechens daran über neun Millionen Dollar. DePalma ­allein schöpfte Hunderttausende von Dollar ab.

Bevor DePalma beim Theater mitmischte, führte er mehrere kriminelle Unternehmen. Er war Hehler, hatte ein Büro in der Canal Street und spezialisierte sich auf den Verkauf gestohlener Juwelen. Als Kredithai gab er verzweifelten Geschäftsleuten und heruntergekommenen Spielern Dar­lehen zu Wucherzinsen. Zudem besaß er eine stille Beteiligung an einer trendigen Diskothek namens Fudgie. Er brachte viele Stars in die Clubs, um ihnen Glanz und Publicity zu verschaffen. Gregs »stille Beteiligung« bedeutete in Wirklichkeit, dass er den wahren Eigentümer erpresste, wie es bei der Mafia Tradition war.

Nach der Pleite des Theaters war der Nachtclub Scores in Manhattan DePalmas nächstes einträgliches Opfer. Er und sein Sohn Craig verdienten damit Millionen Dollar. Dann wanderten Greg DePalma, Craig DePalma und John Gotti jun. wegen gemeinschaftlicher Erpressung in den Knast.

Als DePalma das Gefängnis verließ, gab es wenig Grund zu der Annahme, dass er wieder beim organisierten Verbrechen mitmischen würde. Immerhin war er über 70 Jahre alt; sein Sohn Craig lag im Koma und musste rund um die Uhr betreut werden; seine Bosse und Förderer im Clan waren längst tot – und zu allem Überfluss war da noch die Sache mit Nicky LaSorsa.

LaSorsa war ein Mafioso, den Greg zunächst zur Aufnahme in den Gambino-Clan vorgeschlagen hatte, ehe er beschloss, ihn zu beseitigen. Darum hatte er nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis allen Grund, um sein Leben zu fürchten; denn einige Gambinos wollten den eigenmächtigen Mordversuch an LaSorsa rächen.

Aber Greg DePalma hatte keine Lust, sich zur Ruhe zu setzen. Stattdessen hatte er die Lage sofort im Griff. Er besuchte Jerry Spogliari im Naked Truth und sagte: »Das war mein Club, und ich will ihn zurückhaben. Wenn du Schutzgeld zahlst, dann zahlst du künftig an mich.«

Greg verlangte von Spogliari einen Briefumschlag mit Bargeld. Das FBI erfuhr von Informanten, dass er versuchte, seine Machtbasis in der Bronx und im Westchester County, das im Norden an die Stadt grenzt, wiederherzustellen. Wir nahmen an, dass jemand ihn umbringen würde – LaSorsa, die Gambinos der neuen Generation, die den Club übernommen hatten, die Albaner oder jemand anders. Doch der zähe DePalma war plötzlich in seinem alten Revier allgegenwärtig, um seine Autorität wiederherzustellen. Andere Informanten berichteten, er strebe nach einem Bündnis mit Anthony Megale, dem neuen stellvertretenden Gambino-Boss, den man »das Genie« und »Mac« (kurz für Machiavelli) nannte. Wir erfuhren, dass Greg sich bemühte, seine Probleme mit der Führung der Gambinos beizulegen. Aber auf ihn wartete immer noch ein Auftragskiller.

Wenn die Justizbehörden glaubhafte Hinweise auf eine Todesdrohung erhalten, müssen sie den Betroffenen warnen, selbst wenn er ein Krimineller ist. Also ging Nat Parisi zu DePalma. Das war nicht schwierig, weil DePalma unter Bewährung stand. Parisi brauchte also nur seinen Bewährungshelfer einzuschalten.

»Wir haben erfahren, dass einige Gambino-Mitglieder Sie ermorden wollen«, sagte Parisi. »Es geht um Nicky LaSorsa.«

DePalma, inzwischen 71 und ein eiskalter Mafioso, schüttelte den Kopf. »Davon weiß ich nichts«, sagte er. »Danke für die Infor­mation. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.« Er empfahl Parisi, beim Hinausgehen nicht gegen die Tür zu stoßen.

Wir hätten DePalma gerne sagen hören: »Es stimmt. Ich habe ein großes Problem. Die Gambinos wollen mich umlegen. Wenn Sie mich ins Zeugenschutzprogramm aufnehmen, kann ich Ihnen eine Menge Informationen liefern.« Aber ich muss zugeben, dass ich großen Respekt vor Gregs Standhaftigkeit hatte – er war ein harter Kerl, ein echter Mafioso. Wenn er Schwierigkeiten hatte, wollte er sie selbst lösen, ohne »Hilfe von außen«. Ich fand sein Verhalten vorbildlich, gemessen am Ehrenkodex der Mafia.

Während seiner gesamten Laufbahn war Greg 20 oder 30 Mal verhaftet worden. Er stellte sich fast immer dem Gericht, verpfiff nie seine Komplizen und saß seine Strafe immer ab – ein wahrer Gangster. Er respektierte die Mafia, lebte für sie und drückte immer Geld an seine Bosse ab. In der Welt der Kriminellen war er ein echter Samurai. Bald wurde uns klar, dass DePalma wieder an die Macht kommen würde, so hartnäckig war er. Meine Case Agents und ich entschieden, dass ich DePalma treffen und mir selbst einen Eindruck von seiner Zukunft in der Mafia verschaffen sollte.

An seiner Stelle hätte ich aller Welt zugerufen: »Ich hab genug. Ich bin 71 Jahre alt. Ich möchte nie wieder ins Gefängnis gehen, sondern mich nur noch um meinen Sohn kümmern. Wenn Sie mir mit ein paar Dollar helfen wollen, großartig. Aber meine kriminelle Zeit liegt hinter mir.« Doch das war nicht DePalmas Art. Er wollte zurück ins Leben, und es schien, als werde es ihm bald gelingen.

Jeder hätte Greg jederzeit ermorden können: die Gambinos, die Albaner, LaSorsa und all jene, die ihn aus einem Grund hassten, den andere längst vergessen hatten. Aber es war klar, dass DePalma demnächst im Gambino-Clan wieder eine beachtliche Rolle spielen würde. Ich musste ihn treffen. Die Frage war nur, wann und wo.

Am 4. März 2003, sechs Tage nach Greg DePalmas Entlassung aus dem Gefängnis, erhielten wir einen Tipp: Er wollte im Spaghetti Western essen, zusammen mit einigen Gangstern aus verschiedenen Mafiaclans, von denen ich einige kannte. Das Mahl sollte am späten Abend stattfinden, nachdem die anderen Gäste das Restaurant verlassen hatten. Wir beschlossen, dass ich an diesem Essen teilnehmen sollte.

»Ich trage eine Wanze, oder?«, fragte ich.

Nat schüttelte den Kopf.

»Warum nicht?«, wollte ich wissen.

»DePalma hat zu Protokoll gegeben, dass er keine neuen Bekanntschaften schließen will. Er will nicht mehr in den Knast.«

»Aber ich habe immer eine Wanze bei mir«, beharrte ich.

Nat war ebenso stur. »Nein.«

»Aber ich könnte wichtige Beweise verpassen!«

»Egal«, sagte Nat. »Auf keinen Fall.«

Also trug ich keine Wanze. Ich werde den Augenblick nie vergessen, als ich das Restaurant betrat, um schnell etwas zu trinken. Am anderen Ende des ansonsten leeren Speisesaals sah ich zehn Mafiosi an einem Tisch essen und trinken. Am oberen Ende saß Greg DePalma. Ich hatte Fotos von ihm gesehen und erkannte ihn sofort. Aber ich war nicht auf seine neue, bizarre Frisur vorbereitet, mit der er aussah wie der Großvater aus der Comedy­serie The Munsters. Er hatte das schüttere Haar von hinten nach vorne gekämmt.

Ich dachte daran, was DePalma Gerüchten zufolge mit Leuten anstellte, die ihn seiner Meinung nach bestohlen hatten. Spogliari erzählte mir, ­DePalma habe einmal einen Schlagbohrer an den Kopf eines Typen gehalten, der ihm im Naked Truth angeblich etwas gestohlen hatte. Einen anderen habe er mit einer Viehpeitsche in den Unterleib geschlagen. Greg selbst erzählte mir, er habe auf das Auto eines armen Kerls geschossen, nur um ihn zu ärgern. Der Betroffene – der damals im Auto gesessen hatte – bestätigte mir diesen Vorfall.

Gleich als ich Greg sah, dachte ich daran, dass er nach unseren glaubhaften Informationen jederzeit ermordet werden konnte, und dieses Restaurant war dafür ebenso geeignet wie jeder andere Ort. Obendrein wussten wir von unseren Informanten, dass er das FBI leidenschaftlich hasste, weil es ihn angeklagt und dann alles...

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