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Identität und die Dekonstruktion rassistischer Strukturen im Kontext postkolonialer Kritik

AutorChristiana M. Wetzel
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl101 Seiten
ISBN9783638863988
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2002 im Fachbereich Soziologie - Individuum, Gruppe, Gesellschaft, Note: 2,0, Universität Hamburg (Institut für Soziologie), 49 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Einleitung Verortung dieser Arbeit im Kontext des postkolonialen Diskurses Im Rahmen dieser Examensarbeit habe ich mich mit den gesellschaftlichen Diskursen befasst, in denen Rassismus als ein Strukturmerkmal funktioniert. Meine Bearbeitung dieses Themas bezieht sich auf den Westen bzw. die Konstruktion des Westens. Aktuelle Relevanz ist gegeben durch die jüngere Darstellung des Orients und des Westens in Medien und Politik gerade seit dem 11. September 2001. Dabei ist für mich von besonderem Interesse, in welchem Rahmen 'rassistische' Diskurse stattfinden, was sie nützlich macht und aufrecht erhält. In diesem Zusammenhang beschäftige ich mich auch mit der Frage nach Identität, da ich die Beschaffenheit von Identität als untrennbar verbunden mit Abgrenzungs- und Identifikationsprozessen sehe. Ich stütze mich in dieser Arbeit hauptsächlich auf Quellen aus dem anglo-amerikanischen Raum, jedoch auch auf europäische Texte aus England und Deutschland. In englischer Sprache gibt es eine anregende Fülle von Literatur zum postkolonialen Diskurs. Mit dieser Arbeit möchte ich einen groben Umriss der geschichtlichen Zusammenhänge geben, in denen das Bild des Westens und seiner Antagonisten - des Ostens und Afrikas, der 'Dritten Welt' - als solches erwuchs und beleuchten, wie und weshalb rassistische Strukturen Teil des Fundaments der westlichen philosophischen / politischen Ordnung darstellen und dieses sichern, und ferner, wie sich innerhalb oder auch jenseits dessen Identitäten entwickeln und bedingen können. Parallel dazu möchte ich die Ansätze einiger TheoretikerInnen, die sich mit postkolonialer Theorie beschäftigen, darstellen, um mir persönlich wichtige Anregungen und Sichtweisen vorzustellen. Der scheinbar fundamentale Widerspruch zwischen Begriffen wie dem des Westens als reine, hohle Konstruktion und denselben Begriffen, die gleichwohl soziale Interaktion bestimmen, ist ein Kernpunkt dieser Arbeit. Um die heutige Situation von Migranten, sowie die Beziehungen von indigenen und 'zugewanderten' Völkern und Individuen in der jetzigen Zeit annähernd nachvollziehen und die eigene Position ausmachen zu können, ist es als wichtig, sich der herrschenden Diskurse bewusst zu werden und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Gesellschaftliche Diskurse bedingen die Perspektive aller Handelnden. Auch die Art der Unterscheidung, die zwischen dem Umfeld und dem Ich als Subjekt gemacht wird, hängt ab von gesellschaftlichen Diskursen.

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Leseprobe

2. Rassistische Diskurse


 

 2.1. Sprache und Diskurs


 

Welche Rolle spielt die Sprache in der Verständigung über ein Bewusstsein ? Da Sprache das grundlegende Mittel der Verständigung darstellt, auf dem jede Theoriebildung und –analyse fusst, möchte ich zunächst auf sie eingehen.

 

Sprache ist eine Sammlung von Zeichen, welche Mittler sind zwischen einer Präsenz, über die sich unmittelbar nicht verständigen lässt und Subjekten, die die Wahrnehmung dieser Präsenz mitteilen wollen. Diese Mitteilung kann nur geschehen über Trennung, über eine Aufteilung in Subjekt und Objekt. Das Bindeglied zwischen Subjekt und Objekt bzw. das Element ihrer Trennung ist die Sprache. Verbale Sprache ist ein Mittel der wörtlichen Auseinander-Setzung. Ein Bewusstsein zu 'haben',  bedeutet, zu Unterscheidungen fähig zu sein. Dazu ist es nötig, sich als Subjekt getrennt von einem Objekt zu sehen, sich ausserhalb der Präsenz zu stellen. Mit diesem Sich-ausserhalb stellen meine ich nicht die Einnahme einer vermeintlich objektiven Position, sondern eine Versubjektivierung, die eine Verständigung über Wahrnehmung erst möglich macht und mithilfe derer das Erkennen der eigenen Position innerhalb des Geschehens möglich ist. In diesem Sinne handelt es sich um eine Trennung vom Unmittelbaren, um jene Unmittelbarkeit zu erkennen; es handelt sich nicht um einen Ausschluss durch Einbeziehung, sondern um eine Einbeziehung durch Ausschluss. Diese Trennung oder der Ausschluss wird vollzogen mittels Sprache. Das Bedürfnis der Mitteilung geht der Sprache jedoch immer voraus und begründet diese:

 

"Language is necessary in order for speech to be intelligible and to produce all of its effects; but the latter is necessary in order for language to be established; historically, the fact of speech always comes first." [1]

 

Sprache ist demnach ein Mittel, das durch das Bedürfnis zur Mitteilung existiert – in welcher Form und auf welche Weise diese Mitteilung geschieht, ist damit nicht gesagt. Jedoch ist Sprache ein gemeinschaftlich geschaffenes Produkt und der Ausdruck so nicht frei von Einzelpersonen wählbar. Sich mittels Sprache verständlich zu machen beinhaltet die Bedingung, sich dem sprachlichen Ausdruck, seinen konstruierten Implikationen und Regeln anzupassen, sprachlich, und so auch gedanklich:

 

"..the subject ( in its identity with itself, or eventually in its consciousness of its identity with itself, ...) is inscribed in language, is a 'function' of language, becomes a speaking subject only by making its speech conform ... to the system of the rules of language as a system of differences ..." [2]

 

Sprache vereint so in sich das Paradoxon, 'individuelles' Bewusstsein ausdrücken zu wollen, jedoch nur unter der Bedingung, sich kollektiver Sichtweise, die den sprachlichen Ausdruck formt, anzuschliessen. Verstanden werden können nur Worte, deren Bedeutung allgemein bereits bekannt ist. Daraus ergibt sich eine begrenzte Zahl von Sinnzusammenhängen.  Der Ausschluss von der Präsenz wird vorgenommen, um einen Zusammenschluss von Bewusstsein zu erreichen. Sprache erfüllt so eine Doppelfunktion: sie ermöglicht Mitteilung über Bewusstsein - sie ermöglicht den kontinuierlichen Prozess der Identitätsbildung -, und sie formt zugleich dieses Bewusstsein. Diese dialektische Eigenschaft findet sich auch im Zusammenhang mit dem Charakter von Identität. Identitätsbildung als Prozess konstituiert sich im kontinuierlichen Austausch mit 'äusseren' Gegebenheiten und Abläufen, die das 'eigene' Verständnis der Welt bedingen und von dieser Basis aus es widerum formen. Sprache kann so als Mittel gesehen werden, das den Prozess der Identitätsbildung entscheidend bedingt.

 

Kultur und Imperialismus sind, so Edward Said, untrennbar miteinander verbunden. Zwar bedeutet das Vorhandensein von Kultur nicht gleichsam das Vorhandensein von Imperialismus, jedoch lässt sich umgekehrt sagen, dass der Imperialismus früherer Tage durch Kultur verkörpert, ausgedrückt und weitergetragen wird. Der europäische Imperialismus des achtzehnten Jahrhunderts wurde mittels europäischer Kultur verbreitet und weitergetragen. Kulturelle Gepflogenheiten wurden aufoktroyiert, angenommen, vorgelebt, geteilt. Ein Basiselement von Kultur ist die Sprache als Mittel zur Verständigung. Sprache bestimmt die Art und Weise, in der Informationen aufgenommen werden. Sie produziert und formt Begrifflichkeiten. Sprache ist mitnichten ein neutrales Medium, sie steckt den grundsätzlichen Rahmen ab, in dem sich Aktionen und Reaktionen bewegen, wie Goyvaerts anschaulich darstellt: 

 

„...there is an intricate relationship between language, culture and perception. Culture is not a chaotic tangle of individual opinions because language itself imposes certain structures of perception. As members of a culture and speakers of a language, we learn implicit classifications (including kin relations and social obligations) and consider those classifications to be accurate renderings of the world. Since the linguistic categories vary, different cultures also exhibit a distinctive consensus about the nature of existence.“ [3]

 

Dies mag leicht nachvollziehbar klingen - jedoch: welche Folgerungen ergeben sich daraus, welche Implikationen hat dies ?

 

In seinem Aufsatz „Language and Identity“ 2 spricht der von Griechenland nach Schweden emigrierte Theodor Kallifatides von dem Prozess der Selbstentfremdung und Irritation im Zusammenhang mit dem Leben in einem anderen Land mit anderer Sprache. Er sagt, jede Sprache habe eine eigene, spezielle Persönlichkeit und Identität. Ausgehend davon könne man schliessen, dass die „Identität“ der Sprache die personelle, menschliche Identität mitbedingt. Der Prozess, in dem sich persönliche Identitätsvorstellungen bewegen, setzte sich somit zusammen mittels des Charakters von Sprache. Identität, so komplex sie auch zu definieren sein mag, kann u.a. verstanden werden als eine Ideen- und Konzeptsammlung eines Individuums, die sich in einem konstanten Prozess der Bewegung befindet und sich unter dem Einfluss einer neuen Sprache stark verändern bzw. kollabieren kann. Das Bewusstsein einer Person ist abhängig von den Mitteln mit denen und durch die es geschaffen und erhalten wird. Ansichten und Werte, die eng mit dem verbunden sind, was ich hier die Vorstellung von „persönlicher Identität“ nennen möchte, können unter dem Vakuum der Entfremdung zerfallen. Dies wird oft als "Bruch" wahrgenommen. An jenen "Bruchstellen" der Identität wird das zugrundeliegende Selbstbild und seine bisher vermutete Kontinuität besonders deutlich erkennbar. Eine unbekannte Sprache kann zu Identitätskonflikten führen, weil sie einen anders gearteten Rahmen darstellt, in den die Form des bisherigen Selbstverständnisses nicht hineinpasst. Die Dekonstruktion eines Selbstbildes oder auch kollektiver Vorstellungen bieten die Chance zur Veränderung, zur Anpassung an eine neue Realität. Sprache dient als Werkzeug, mit dem Identitäten konstruiert werden können, (kollektive) Selbstbilder verwirklicht und weitergetragen werden können: mittels Geschichten, Legenden, Beschreibungen und Erinnerung, ob mündlich oder schriftlich. Sprache stellt ein einflußreiches Machtmittel dar.

 

Sprache bedeutet ein Mittel zur Macht. Durch Sprache kann Wahrheit generiert und Wissen vermittelt werden. Der enge Zusammenhang zwischen Macht und Wissen oder „Wahrheit“ macht Sprache zu einem so einflussreichen, konstitutiven Element der Machtausübung und Kontrolle.

 

The big thing is not always to take something which belongs to somebody else. The big thing is that it is called „theft“. But that was exactly what was missing in my life in those days: the moral impact of language.“ [4]

 

Sprache bestimmt das Denken, da sie den Rahmen darstellt, der 'denkbar ist'.

 

Sie bestimmt das Bewusstsein. Denkt ein Mensch bildlich statt in Worten, so ist doch meist die Sprache jenes Medium, mit dem er seine Gedanken nach aussen transportiert und die alsbald die Gedanken formt. Sprache als Kommunikationsmittel hat einen grossen Einfluss auf die Art der Bilder, in denen gedacht wird und auf die Art der Assoziationen, die mit Worten verknüpft werden. Kollektive Identitäten wie z.B. das Konstrukt der Nation, definieren sich zum grossen Teil über eine einheitliche, gemeinsame Sprache. Die Wichtigkeit von Sprache als Machtmittel wird in Konfliktsituationen deutlich an der politischen Praxis des Verbots bestimmter Sprachen unter Androhung von Sanktionen. Frantz Fanon schreibt in diesem Zusammenhang:

 

„To speak means to be in a position to use a certain syntax, to grasp the morphology of this or that language, but it means above all to assume a culture, to support the weight of a civilisation.“ [5]

 

Jede Sprache transportiert ein eigenes Weltbild, und das abhängig ist vom sprachlich zugelassenen Ausdruck. Es mag paradox klingen, einen eigenständigen Standpunkt in einer Sprache formulieren zu wollen, die...

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