Wie im Verlaufe der Arbeit festgestellt wurde, ist das Leistungsangebot im Private Banking in seiner Vielfalt kaum messbar, da es sich stets an den individuellen Wünschen der Kundschaft orientiert. Der Abgrenzung wegen werden nun die wesentlichen Aktivitäten der Anbieter im Sinne von Grundlagen- und Zusatzdienstleistungen benannt, bevor der Fokus in den Kapiteln 3.2 und 3.3 auf die traditionellen Kerngeschäftsfelder gelegt wird.
Zunächst ist hierbei das Depot- oder Execution-Only-Geschäft anzuführen, das mit 61% der verwalteten westeuropäischen AuM die größte Bedeutung im Hinblick auf das angelegte Volumen hat (vgl. McKinsey 2012b, S. 9). Dies verwundert nicht, wenn man die zuvor untersuchten Nachfragestrukturen im Hinblick auf die Zunahme der informierten Selbstentscheider betrachtet. Definiert ist das Depotgeschäft als Basis für die darauf aufbauende Anlageberatung und Vermögensverwaltung. In geschlossenen Depots werden Wertgegenstände von der Bank verwahrt, wohingegen offene Depots für die Wertpapierverwaltung verwendet werden (vgl. Schäli 1998, S. 39). Die Bank trägt hierbei keinerlei Verantwortung für die Kursentwicklung der Papiere und unterliegt auch keiner Beratungspflicht, da es sich um eine rein technische Verwaltung handelt (vgl. Sethe 2005, S. 25).
Die Zusatzdienstleistungen wurden zwar zum Teil schon in der Definition und den Abgrenzungen des Private-Banking-Begriffs (2.1 und 2.2) aufgeführt, sollen hier jedoch noch einmal vollständig erwähnt werden. Als Nicht-Kerngeschäft gilt zuallererst die Finanzierungsberatung. Diese ist eng verwoben mit dem Immobilienmanagement, umfasst aber auch die Finanzierung von Autos, Yachten und Konsumgütern. Ferner ist die Nachlass- und Erbschaftsberatung weit verbreitet, um die Assets der Kunden im Trauerfall im Hause behalten zu können. Typisch sind weiterhin die Versicherungs- und Altersvorsorgeberatung, die jedoch klaren Retail-Charakter haben. Wird das Vermögen eines Unternehmers betreut, so ist der Übergang zum Investmentbanking fließend, angeboten werden daher zum Teil auch Private Equity und Mergers & Acquisitions. Darüber hinaus werden Expertendienstleistungen im Bereich Kunst, Antiquitäten und Beteiligungsmanagement bereitgestellt. Das Thema der Stiftungsgründung und –betreuung ist aufgrund der gestiegenen Nachfrage ebenfalls bei allen größeren Anbietern präsent (vgl. Münchbach 2001, S. 38).
17 % der AuM westeuropäischer Private-Banking-Kunden werden in Form von Beratungsmandaten betreut (vgl. McKinsey 2012b, S. 9). Ziel dieses Kapitels soll es sein, das Geschäftsfeld der „Advisory Services“ zu definieren, die unterschiedlichen Begrifflichkeiten abzugrenzen und so zu einer Arbeitsdefinition des aktiven Wertpapiermanagements zu gelangen. Im Anschluss wird der Beratungsprozess beschrieben, wobei ein spezielles Augenmerk auf die Bedeutung der Berater gelegt werden soll. Von besonderem öffentlichen Interesse ist aktuell die Gebührengestaltung, die im weiteren Verlauf betrachtet wird. Schließlich folgt eine Erörterung der Erfolgsfaktoren und Vorteile sowie der Risiken und Nachteile für die Anbieter und die Nachfrager dieser Kerndienstleistung im Sinne der Forschungsfrage.
Die Begrifflichkeiten innerhalb des Beratungsgeschäfts sind im deutschsprachigen Raum besonders vielfältig. Klare Abgrenzungen werden in der Literatur selten verwendet und die Begriffe synonym genutzt, weshalb eine Einordnung an dieser Stelle nötig ist.
3.2.1.1 Anlageberatung
Die Anlageberatung, welche die nachfolgenden Beratungsarten umfasst, ist der Grundbegriff der Beratungsdienstleistungen und damit bei allen Vermögensgrößen und nicht nur im Private Banking vertreten. Das WPHG definiert die Anlageberatung als Wertpapierdienstleistung, bei der persönliche Empfehlungen in Bezug auf Finanzinstrumente abgegeben werden und diese vor dem Hintergrund der persönlichen Umstände des Anlegers geeignet sind (vgl. §2 Abs. 3 Nr. 9 WPHG). Damit liegt keine Anlageberatung vor, wenn Finanzprodukte für die breite Masse beworben werden oder wenn der Berater allgemeine Empfehlungen zur Vermögensstruktur gibt. Ferner ist es unerheblich, wer die Initiative ergriffen hat (vgl. Seiler 2008, S. 63). Kohlert (2008) beschreibt die Anlageberatung als Kernkomponente des intermediärbasierten Finanzsystems. Das bedeutet, dass der Anleger diversen Informationsangeboten gegenübersteht und typischerweise Wissens- und Beurteilungsdefizite aufweist, die durch den Finanzintermediär gemindert werden sollen. Der Kunde sucht also Rat bei seinem Berater, um die Informationen zu erhalten, die sein Vermögensverlustrisiko reduzieren und seinen Erfolg vergrößern können (vgl. Kohlert 2008, S. 58f.). Das wesentlichste Unterscheidungsmerkmal zum konkurrierenden Kerngeschäftsfeld der individuellen Vermögensverwaltung (3.3) ist, dass der Vermögensinhaber die Anlageentscheidungen eigenständig trifft, nachdem er beraten wurde. Es besteht fortlaufend ein punktueller Charakter, d.h. die Pflichten des Beraters enden mit der Kaufentscheidung des Kunden, eine Überwachung der Positionen ist formal nicht erforderlich (vgl. Sethe 2005, S. 26).
3.2.1.2 Vermögensberatung
Die Vermögensberatung ist ein Sonderfall der Anlageberatung, in dem die zuvor beschriebene punktuelle Beratung in eine laufende Überwachung übergeht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Bank auch automatische Umschichtungen vornimmt, die Dispositionsbefugnis liegt weiterhin beim Vermögensinhaber. Es handelt sich daher definitiv nicht um eine Vermögensverwaltung, auch wenn die Begrifflichkeit „weisungsgebundene Vermögensverwaltung“ in der Literatur synonym verwendet wird. Beraten werden wie bei der Anlageberatung ausschließlich Finanzprodukte (vgl. Sethe 2005, S. 27f.). In der Praxis findet sich die Begrifflichkeit häufig im Affluent-Segment der Banken wieder, um die intensivere Beratung im Vergleich zum Retail-Geschäft deutlich zu machen. Eine rechtliche Grundlage, wie bei der Anlageberatung, besteht allerdings nicht.
3.2.1.3 Vermögensbetreuung
Eine weitere Steigerung ist die Vermögensbetreuung (auch: strategisches Vermögensmanagement), denn hier wird nicht nur das Finanzvermögen sondern das gesamte Vermögen des Kunden dauerhaft betreut. Charakteristisch sind eine besonders stark ausgeprägte Analyse der Vermögenssituation sowie ein deutlicher Fokus auf die Vermögensstruktur. Die Empfehlungen des Beraters, die während dieses Dauerschuldverhältnisses regelmäßig erfolgen, beziehen sich auch auf die Anlagen bei anderen Instituten sowie auf Versicherungen, Beteiligungen und Immobilien (vgl. Sethe 2005, S. 28f.). Es bildet sich durch die genannten Eigenschaften im Sinne der ganzheitlichen Betrachtung eine Überschneidung zum Begriff des Private Banking selbst heraus, denn die Zielgruppe kann aufgrund des hohen Beratungsumfanges nur eine sehr vermögende sein. Wegen der weiterhin fehlenden Delegationsmöglichkeit der Entscheidungen ist die Abgrenzung zur individuellen Vermögensverwaltung trennscharf.
3.2.1.4 Aktives Wertpapiermanagement
Das aktive Wertpapiermanagement ist ein noch sehr junger Begriff innerhalb der Branche und es gibt in der Literatur keine allgemeingültige Definition. Nichtsdestotrotz wird diese Dienstleistung in steigender Zahl von Private-Banking-Anbietern bereitgestellt und beworben, weshalb im Folgenden eine praxisnahe Arbeitsdefinition gefunden werden soll.
Das Wertpapiermanagement selbst findet sich ursprünglich im institutionellen Geschäft wieder. Als Kernbereich der Finanzierungstheorie bietet es eine akademische Grundlage für das Investmentbanking und das Asset Management, es umfasst u.a. die Segmente Kapitalmarktforschung, technische und fundamentale Wertpapieranalyse, Portfoliomanagement, Asset Allocation, Aktien- und Anleihenbewertung, Optionsbewertung und –strategien, Performance-Messung und Risikomanagement (vgl. Steiner/Bruns/Stöckl 2012, S. 1 - 6). Es versteht sich von selbst, dass all diese Facetten in ihrer Gänze für eine klassische Anlageberatung zu komplex sind und im Zweifel den Privatkunden als auch den Berater überfordern würden. Dennoch sind viele Teilaspekte in speziellen Kundensituationen gerade im individuell geprägten Private Banking relevant und müssen von einem Spezialisten gefiltert und aufbereitet werden, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Daher haben sich viele Anbieter entschlossen, eine eigenständige Wertpapierabteilung organisatorisch in ihre Private-Banking-Einheiten zu implementieren. Die dort ansässigen Wertpapierspezialisten oder Wertpapiermanager beschäftigen sich ausschließlich mit den Wertpapierdepots ihrer zugeordneten Kunden in Form einer dualen Betreuung mit dem Relationshipmanager, der weiterhin die Gesamtkundenverantwortung trägt (diese Interaktion wird unter 3.2.2.2 tiefergehend analysiert). Dieser hat somit freie Kapazitäten für alle anderen Kundenbedürfnisse während die Experten in der Wertpapierabteilung auf Kundenanfragen...