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E-Book

Inklusion und Schulentwicklung

Konzepte, Instrumente, Befunde

VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl230 Seiten
ISBN9783170312968
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Das Buch verknüpft zwei zentrale Herausforderungen, denen sich unser Bildungssystem gegenübersieht. Zum einen die Umsetzung der UN-Behindertenkonvention mit dem Ziel einer Schule, in der alle Kinder und Jugendlichen aufgenommen und optimal gefördert werden. Zum anderen die Einbettung der Inklusion in Prozesse konkreter Schulentwicklung. Nach der Einführung in die Ziele von Schulentwicklung analysiert das Buch Qualitätsmerkmale und zugehörige Indikatoren gegenwärtiger Schulentwicklungsinstrumente im Kontext von Inklusion und nimmt zudem Steuerungsfragen in den Blick. Anschließend werden Fallstudien zu Schulentwicklungsprozessen und Schulinspektionen vorgestellt, wobei sich für die Praxis reflektierte Anregungen ergeben. Ein Forschungsbericht über Schulentwicklung im Kontext der Gesamtschulentwicklung rundet die Thematik ab.

Prof. Dr. Vera Moser lehrt Pädagogik bei Beeinträchtigung des Lernens/Allgemeine Rehabilitationspädagogik am Institut für Rehabilitationswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin. Dr. Marina Egger ist dort wissenschaftliche Mitarbeiterin.

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Leseprobe

 

Einleitung


 

 

Seit der Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, im Folgenden UN-BRK) steht in Frage, wie dieses nun im Bildungsbereich implementiert werden sollte. Einerseits hat es auf der Ebene der Länder bereits Initiativen gegeben, die Schulgesetze entsprechend anzupassen und die Dimension der Inklusion grundlegend im Bereich der Rahmenbestimmungen zur Lehrerbildung, genauer in den »Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften« der Kultusministerkonferenz (2014) sowie in einer gemeinsamen Empfehlung von Hochschulrektorenkonferenz und Kultusministerkonferenz (2015) zu verankern. Darüber hinaus haben viele Bundesländer regionale und überregionale Studien zur Umsetzung von Inklusion in Schulen in Auftrag gegeben und Überlegungen dahingehend angestellt, Inklusion als Qualitätsdimension von Schule in den Schulinspektionen zu verankern (vgl. auch Kap. 9). Weiterhin nimmt die empirische Bildungsforschung die Qualität von Unterricht zunehmend auch unter dem Fokus des Umgangs mit heterogenen Lerngruppen in den Blick (vgl. hierzu z. B. die Qualitätsoffensive Lehrerbildung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Bildung, die bundesweit Projekte an Hochschulen fördert, die sich mit der Qualifizierung von Lehrkräften für inklusiven Unterricht befassen). Zudem wird derzeit geprüft, inwiefern sich die Umsetzung von Inklusion in Schulen in den Bildungsberichten der Bundesregierung darstellen lässt.

Auf der anderen Seite ist es aber vor allem auch die Einzelschule, die Inklusion in der Unterrichts-, Personal- und Schul(kultur)entwicklung verankert und dies auch in den Schulprogrammen darstellen soll. Hierfür gibt es zwar bereits eine Reihe von Instrumenten, die diesen Prozess unterstützen, das bekannteste hierfür ist sicherlich der Index für Inklusion von Booth und Ainscow, der zuerst von Boban und Hinz (2003) ins Deutsche übertragen wurde (eine überarbeitete Neufassung liegt mit Booth & Ainscow 2017 vor). Allerdings fehlt es bislang an begleitenden evaluativen Forschungen, die diesen Prozess unter spezifischen Gesichtspunkten analysieren ( Kap. 8). Insofern ist bislang unbekannt, was genau Schulen unter Inklusion verstehen, welche Instrumente sie hierfür nutzen und welchen Qualitätsmerkmalen sie dabei folgen. Dies ist letztlich auch der Tatsache geschuldet, dass weder unter wissenschaftlichen Expert*innen, noch unter Bildungspolitiker*innen eine einheitliche Aussage darüber getroffen worden ist, was eine inklusive Schule ausmacht und auf welchen notwendigen Standards diese basiert (vgl. auch Moser 2012).

Darüber hinaus gibt es im Bereich der Schulentwicklung nach wie vor keine in sich geschlossene Theorie, so dass dieses Buch für den Bereich der inklusionsorientierten Schulentwicklung Theoriebezüge sowie Strukturmerkmale eines solchen Prozesses – auch mit Bezügen zu deren bildungspolitischer Kontextuierung – ausloten möchte. Auf diese Weise soll der ubiquitären Ratgeber- und Praxisliteratur ein Ansatz an die Seite gestellt werden, der Schulentwicklung mit der Zielstellung Inklusion auch für den Bereich der wissenschaftlichen Analyse öffnet.

Der vorliegende Band versteht sich insgesamt als ein Beitrag, Ziele und Strukturen von Schulentwicklungsprozessen wie auch die Steuerungspraxen im Bildungssystem in den Blick zu nehmen, sowie andererseits eine systematische Analyse von Qualitätsmerkmalen und zugehörigen Indikatoren in der gegenwärtigen Landschaft vorhandener Schulentwicklungsinstrumente im Kontext von Inklusion vorzulegen. Die Beiträge dieses Bandes sind vorwiegend innerhalb der Forschungen um die Umsetzung der UN-BRK (2006) im Bildungssystem und in Einzelschulen im Graduiertenkolleg »Inklusion – Bildung – Schule: Analysen von Schulstrukturentwicklungen« an der Humboldt-Universität zu Berlin entstanden. Im Folgenden wird auf die Einzelbeiträge dieses Bandes überblicksartig eingegangen.

Vera Moser widmet sich eingangs ( Kap. 1) einer definitorischen Grundlegung von Inklusion. Als Zielstellung der Organisationsentwicklung von Schulen wird Inklusion in den vier Dimensionen Ankerkennung, Teilhabe, Antidiskriminierung und Bildungsgerechtigkeit verortet. Die normative Definition von Inklusion nach Biewer (2009, 193) wird unter Berücksichtigung deren Grenzen erklärt und in dem Beitrag favorisiert verwendet. Dieses Inklusionsverständnis, welches inzwischen den Heterogenitäts- und Integrationsdiskurs in Deutschland miteinander verschmolzen hat, ist leitend für die Beiträge dieses Bandes, Ausnahmen hiervon werden ggf. präzisiert.

Marina Egger geht anschließend ( Kap. 2) der Frage nach der Qualität im Bildungssystem am Beispiel der Organisation Schule nach, skizziert den Diskussionstand zu Qualität und setzt diesen in Relation zu Inklusion. Sie zeigt, dass keine allgemeingültige Definition von Qualität im Bildungssystem, sondern unterschiedliche Verständnisse von Qualität je nach Interessengruppe existieren. Effektivität, soziale Gerechtigkeit, Humanisierung und Demokratisierung werden im Anschluss an Fend (2001) und Klafka (1998) als ›zentrale‹ Qualitätskriterien für ›alle‹ Schulen gesehen. Für die inklusionsbezogene Qualitätsdebatte wird festgehalten, dass Kriterien guter Schulen im Wesentlichen auch für eine inklusive Schulqualität gelten. Gleichwohl wird angenommen, dass der Qualitätsdiskurs im Kontext von Inklusion angesichts einer fehlenden definitorischen Klarheit bezüglich Inklusion und einer dünnen Datenlage derzeit noch eng geführt wird.

Marina Egger und Dana Tegge betrachten eine kontinuierliche Qualitätssicherung als Ziel aller Steuerungsbestrebungen und setzen sich in Kapitel 3 mit der Frage auseinander, wie ein Bildungssystem gesteuert wird, um den mit der Umsetzung von Inklusion verbundenen Veränderungen zu begegnen. Ausgehend vom vorherrschenden Steuerungsverständnis analysieren sie insbesondere die derzeit als zentral geltenden Steuerungsinstrumente im Bildungssystem im Hinblick darauf, inwieweit sie geeignet erscheinen, die mit der Implementation eines inklusiven Bildungssystems einhergehenden Anforderungen aufzugreifen. Zudem arbeiten die Autorinnen Ansatzpunkte für eine Auseinandersetzung mit inklusionsbezogenen Aspekten der Bildungssteuerung am Beispiel eines Inklusionsberichts als Steuerungsinstrument auf kommunaler Ebene heraus und stellen sie abschließend zur Diskussion.

Vera Moser geht davon aus, dass der Einzelschulentwicklung im Kontext der Umsetzung von Inklusion eine zentrale Aufgabe in der Bildungssteuerung zukommt. In ihrem Beitrag ( Kap. 4) stellt sie die theoretischen Grundlagen der Organisationsentwicklung vor und zeigt anschließend Spezifika der Schulentwicklung auf ( Kap. 5). Der weitere Beitrag von Vera MoserKap. 6) analysiert theoretische Ansätze und methodische Zugänge der Schulentwicklungsforschung im Kontext der konjunkturellen bildungspolitischen Herausforderungen. Sie identifiziert und beleuchtet fünf folgende, für die Entwicklung von Einzelschulen bedeutsame Themenfelder der jüngeren Schulentwicklungsforschung: Theorien der Steuerung und der Akteur*innenkonstellationen, Schulkulturen, Steuergruppen, externe Beratungen und Evaluationskompetenzen der Lehrkräfte im Kontext von Schulentwicklung. Das Thema Schulentwicklung wird im nächsten Beitrag ( Kap. 7) mit Blick auf Inklusion weiterhin vertieft: Vera Moser analysiert Befunde und Forschungslücken zu inklusiver Schulentwicklung unter besonderer Berücksichtigung von Schulkulturen und Steuerungspraktiken sowie am Beispiel bundeslandbezogener Forschungen. Sie bemängelt die gegenwärtige unverbindliche Anwendung von inklusionsbezogenen Schulentwicklungsinstrumenten und Qualitätsindikatoren und deren Abkoppelung von politischen Entscheidungsprozessen.

Sophie-Cathérine Görtler vergleicht anschließend ( Kap. 8) ausgewählte, inklusionsbezogene, indikatorengestützte Schulentwicklungsinstrumente und stellt eine Überbetonung der Dimension ›Unterrichtsentwicklung‹ in den analysierten Instrumenten sowie einen Entwicklungsbedarf in der Beziehungsgestaltung des Schulpersonals und in den Kommunikationsstrukturen der Organisation Schule fest. Aus dieser Analyse schlussfolgert sie nicht nur die o. g. überbetonten oder vernachlässigten Bereiche der Instrumente, sondern auch eine fehlende und dringend erforderliche Auseinandersetzung mit verbindlichen Standards für inklusive Schulen, die über die ersten, für einzelne Schulen Orientierung bietenden Ansätze hinausgehen sollen.

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