Wie bereits dargestellt, kann Arbeitsunzufriedenheit, resultierend aus einem negativen Soll-Ist-Vergleich als eine zentrale Ursache für die Entstehung von Innerer Kündigung gesehen werden. Da es sich bei den Begriffen Arbeitszufriedenheit und Arbeitsunzufriedenheit um theoretische Konstrukte handelt, bedarf es hierbei einer definitorischen Veranschaulichung als Basis für die Operationalisierung der verschiedenen Dimensionen und somit der Möglichkeit, diese empirisch zu erforschen.
Dabei sind Arbeitszufriedenheit bzw. -unzufriedenheit nicht leicht zu definieren, da es in der wissenschaftlichen Literatur mittlerweile eine Vielzahl an verschiedenen Definitionen und darin verwendeten Termini und Begrifflichkeiten gibt. So gab es dem Forscher Edward A. Locke zufolge bereits in den 1970er Jahren mehr als 3000 Veröffentlichungen zum Thema Arbeitszufriedenheit (vgl. Mertel, 2006, S. 18).
Weinert (1998, S. 201) schätzt die Zahl der Forschungsarbeiten auf etwa vier- bis fünftausend. Roedenbeck (2004, S. 17) stellt fest, dass die „gesamte Literatur der Zufriedenheitsforschung auf etwa 15.310 Artikel geschätzt [wird].“ Diese immense Menge an wissenschaftlichen Arbeiten erschwert dabei, das Thema Arbeitszufriedenheit ganzheitlich zu erfassen. Trotz dieser Problematik hat die Erforschung der AZ wichtige Erkenntnisse gebracht, wie es zur Entstehung von Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation kommen kann.
Im Folgenden werden verschiedene Theorien und Modelle dargestellt und hinsichtlich der Brauchbarkeit zur Beantwortung der Fragestellung und auch der Operationalisierung des Phänomens Innere Kündigung geprüft.
Nach Gebert und von Rosenstiel (1996, S. 74) kann „Arbeitszufriedenheit (...) als ein (...) emotionaler Zustand interpretiert werden, der durch die Erfahrung erlebnismäßig positiv gefärbter Entspanntheit charakterisiert wird“. Somit kann Arbeitszufriedenheit als die emotionale Reaktion auf einen positiv ausgehenden Soll-Ist-Vergleich gesehen werden.
Die verschiedenen Ansätze zur Bestimmung von Arbeitszufriedenheit fassen Gebert und von Rosenstiel (1996, S. 73f) zusammen (vgl. Tab. 4). Dabei „lassen sich die verschiedenen Ansätze zur Bestimmung von AZ auf folgende Dimensionen beschreiben:“
Tabelle 4: Konzeptionen von Arbeitszufriedenheit (Quelle: In Anlehnung an Gebert / von Rosenstiel, 1996, S. 74)
Die Tabelle zeigt, dass der Versuch, Arbeitszufriedenheit definitorisch zu erfassen, sich auf verschiedene Dimensionen beziehen kann. Somit kann zwischen einem bedürfnisorientierten und einem anreizorientierten Ansatz unterschieden werden. „[S]tatt einer Befriedigung von X (einem Bedürfnis) geht es hier um die Befriedigung mit X (einer Umweltbedingung)“ (Neuberger, 1974, S. 159). Arbeitszufriedenheit als Einzel- und der Gesamt-AZ zu definieren, hat zur Folge, dass die Betrachtung als Gesamt-AZ „unterschiedliche Grade der Zufriedenheit bezüglich einzelner Bedürfnisse bzw. situativer Merkmale nicht mehr erkennen [lässt]“ (Gebert / von Rosenstiel, 1996, S. 74).
Die Unterscheidung nach vergangenheits- bzw. zukunftsorientierter AZ ist möglich, wobei der Begriff „im letzteren Fall in die Nähe des Konstrukts Motivation rücken würde“ (ebd.).
Dieser Ansatz führt jedoch dazu, dass unter Arbeitszufriedenheit „sehr Unterschiedliches verstanden werden [kann]“ (Gebert / von Rosenstiel, 1996, S. 74), mit der Folge, dass es „»Die« AZ-Definition (...) nicht geben [kann]; vielmehr ist zuvor zu fragen, was eigentlich erklärt bzw. vorhergesagt werden soll“ (ebd.).
Weinert (1998, S. 203) versteht die Arbeitszufriedenheit als ein aus mehreren Dimensionen bestehendes Konstrukt, wobei er diese in drei Dimensionen teilt:
1. Es ist eine emotionale Reaktion auf die Arbeitssituation
2. AZ wird oft davon bestimmt, in welchem Maße das Arbeitsergebnis unsere Erwartungen übertrifft
3. AZ repräsentiert mehrere miteinander in Bezug stehende Einstellungen.
Bei der Betrachtung der verschiedenen Theorien und Ansätze zur Beschreibung und Erfassung von Arbeitszufriedenheit fällt jedoch auf, dass bei vielen ein Soll-Ist-Vergleich zentral ist (vgl. Gebert / Rosenstiel, 1996, S. 74f.). Wie bereits bei der Betrachtung des psychologischen Arbeitsvertrages dargestellt, versteht man unter den Soll-Werten die Erwartungen, Wünsche und Vorstellungen des Arbeitnehmers von seiner zukünftigen Stelle. Die Ist-Werte zeigen den wahrgenommenen Zustand der aktuellen Arbeitssituation. Der Vergleich der Soll- und Ist-Werte führt zu einer subjektiven Bewertung der aktuellen Arbeitssituation und damit zu der Einschätzung, ob der derzeitige Zustand als zufriedenstellend oder unbefriedigend einzuschätzen ist. So kann man von Arbeitszufriedenheit sprechen, wenn die „Soll-Ist-Differenz klein ist“ (Gebert / Rosenstiel, 1996, S. 75). Grundlage für den Soll- und Ist-Vergleich können verschiedene Aspekte der Arbeit sein, wie in Tabelle 5 veranschaulicht wird. Diese lassen sich in Arbeitsinhalt und -bedingungen, organisationale, soziale und finanzielle Bedingungen aufteilen.
Tabelle 5: Aspekte der Arbeit (Quelle: In Anlehnung an Semmer / Udris, 2007, S. 161)
Welchen Wert die einzelnen Aspekte für die Fachkraft haben, lässt sich nicht pauschalisieren, denn es gibt „über die Gewichtung der einzelnen Aspekte (...) unterschiedliche Auffassungen“ (Semmer / Udris, 2007, S. 161). Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass jede Fachkraft die Wichtigkeit der einzelnen Aspekte selber für sich bewertet, so dass zum Beispiel für die Eine die Bezahlung einen höheren Wert hat, als die Möglichkeit der Selbstverwirklichung, während für die Andere ein angenehmes Betriebsklima mehr zählt als viele Urlaubstage.
Neben der Feststellung, dass Arbeitszufriedenheit der Meinung vieler Autoren nach auf der Basis des Vergleiches von Soll- und Ist-Werten besteht, stellt Weinert (1987, S. 296) fest, dass „[i]m allgemeinen aber, und unter Berücksichtigung interindividueller Unterschiede (...) gesagt werden [kann], daß für eine generell als hoch einzustufende AZ eine Arbeitssituation vorhanden sein muß:
a) die geistig fordernd ist;
b) die den physischen und geistigen Bedürfnissen des Mitarbeiters entspricht;
c) die das Gefühl des Erfolgs vermittelt;
d) die Möglichkeiten zur Anwendung und Erweiterung von Interessen und Fähigkeiten bietet;
e) in der die Mitarbeiter das Gefühl der Achtung und Selbstwertschätzung durch Leistung erfahren;
f) in der ein vom Individuum als „angemessen“ beurteiltes Be- und Entlohnungssystem vorhanden – und dieses an die individuelle Leistung gekoppelt ist;
g) in der ein Führungsstil herrscht, der Selbstverantwortung und Eigeninitiative fördert, und der der Eigenentwicklung des Individuums dienlich ist“.
Somit lässt sich zusammenfassen, dass es Elemente der Arbeitssituationen gibt, die grundlegend für eine hohe Arbeitszufriedenheit sind. Die Fachkraft fühlt sich gefordert, jedoch nicht unter- oder überfordert, wodurch ihre Bedürfnisse nach physischer oder geistiger Betätigung befriedigt werden. In dieser Tätigkeit hat sie das Gefühl, mit ihrer Arbeit etwas zu bewirken und den Erfolg sehen zu können. Dabei hat sie die Möglichkeit der Weiterentwicklung, indem sie Neues dazulernen kann und damit ihren Interessen gerecht wird. Weiterhin fühlt sich die Fachkraft von Vorgesetzten und Kollegen wertgeschätzt, was sich auch positiv auf das Selbstwertgefühl auswirkt. Sind diese Bedingungen erfüllt, so kann mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Arbeitssituation als zufriedenstellend wahrgenommen wird. In welchem Maße das Fehlen einer oder mehrerer Komponente die Zufriedenheit mindert, kann wiederum als abhängig von den Soll-Vorstellungen jeder einzelnen Fachkraft bezeichnet werden.
Neben diesen Definitionen und Aspekten der Arbeitszufriedenheit haben Bruggemann et al. (1975) sowie Hackmann und Oldham (1975) einen wertvollen Beitrag zum Verstehen des Entwicklungsprozesses von Arbeitszufriedenheit geliefert. Nachfolgend wird auf diese Modelle näher eingegangen.
Das dynamische Modell von Anges Bruggemann (Bruggemann et al., 1975) betrachtet das Konstrukt Arbeitszufriedenheit als einen Prozess und versteht AZ als das „Ergebnis von Abwägungs- und Erlebnisverarbeitungsprozessen“ (Neuhold, 2006, S. 26). Bruggemann et al. nach umfasst die Arbeitszufriedenheit dabei drei Kernvariablen (vgl. Kolb, 1996, S. 22):
1. Soll-Ist-Wert-Vergleich
2. Veränderung des Anspruchsniveaus (Soll-Zustand)
3. Problembearbeitungsverhalten
Die Basis für die Zufriedenheit mit der Arbeitssituation, in der eine Person sich befindet, stellt somit der „individuelle(…) Vergleich zwischen den eigenen Bedürfnissen und Erwartungen einerseits (=SOLL) und den Möglichkeiten ihrer Realisierung in der gegebenen Arbeitssituation andererseits...