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E-Book

The Innovators

Die Vordenker der digitalen Revolution von Ada Lovelace bis Steve Jobs

AutorWalter Isaacson
VerlagC. Bertelsmann
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl640 Seiten
ISBN9783641176839
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Sind sie jetzt Nerds, Weltverbesserer oder Spieler - diejenigen, die alles für möglich halten und nur durch die Frontscheibe schauen? Der Steve-Jobs-Biograf Walter Isaacson gibt diesen Vordenkern des digitalen Zeitalters ein Gesicht. Er blickt auf Erfinder und abenteuerlustige Unternehmer, die keine Grenzen akzeptieren, die unerbittlich und lustvoll Zukunft machen wollen. Die großen Namen wie Jobs und Gates stehen dabei immer für die Vielen, die in einem Zeitalter, das keine Alleinherrscher über Informationen duldet, permanent Ideen produzieren und Entwicklungen vorantreiben. Die Reise geht von Ada Lovelace über Alan Turing, John von Neumann, Konrad Zuse und Grace Hopper bis zu den genialen Kindern des Silicon Valley.



Walter Isaacson, geboren 1952, ist Journalist und Schriftsteller. Er begann seine Karriere bei der Sunday Times, bevor er zum Time Magazine wechselte, dessen Herausgeber er 1996 wurde. In der Zeit nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war er als Vorstand bei CNN tätig, bis er 2003 die Leitung des Aspen Institute übernahm, die er bis 2018 innehatte, um sich danach einer Geschichtsprofessur an der Tulane University zu widmen. Neben seiner journalistischen und akademischen Tätigkeit gilt Walter Isaacson als einer der renommiertesten Biografen unserer Zeit und ist als Autor mit Büchern über Benjamin Franklin, Henry Kissinger, Leonardo da Vinci und Jennifer Doudna hervorgetreten - wobei »Steve Jobs. Die autorisierte Biografie des Apple Gründers« zum Weltbestseller avancierte und allein in Deutschland über 900.000 Exemplare verkaufte. Isaacson wurde 2021 mit der National Humanities Medal ausgezeichnet. Bei C.Bertelsmann erschienen zuletzt »The Innovators« (2018) und der internationale Bestseller »Elon Musk« (2023).

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Leseprobe

KAPITEL 1

Ada, Countess of Lovelace

Poetische Wissenschaft

Im Mai 1833 wurde die damals siebzehnjährige Ada zusammen mit anderen jungen Damen am englischen Königshof eingeführt. In Anbetracht ihres nervösen und widerspenstigen Wesens hatten sich die Familienangehörigen gefragt, wie sie die Angelegenheit wohl meistern werde, aber sie schlug sich am Ende »recht gut«, wie ihre Mutter berichtet. Zu denen, die Ada an jenem Abend kennenlernte, gehörte der Duke of Wellington, dessen schnörkellose Manieren sie bewunderte, sowie der neunundsiebzigjährige französische Botschafter Talleyrand, für den sie nur die Bezeichnung »alter Affe« übrig hatte.1

Als einziges eheliches Kind des Dichters Lord Byron hatte Ada den romantischen Geist ihres Vaters geerbt, ein Wesenszug, dem ihre Mutter dadurch entgegenzuwirken suchte, dass sie ihre Tochter in Mathematik unterrichten ließ. Die Kombination aus beidem legte bei Ada den Grundstein für das, was sie als »poetische Wissenschaft« zu bezeichnen pflegte, in der sich ihre überbordende Fantasie mit ihrer Faszination für Zahlen vereinte. Für viele, ihren Vater eingeschlossen, kollidierte das immens gesteigerte Zartgefühl der Romantik höchst schmerzvoll mit der Technikversessenheit der industriellen Revolution, doch Ada war an beider Schnittstelle gut aufgehoben.

Es überraschte daher nicht, dass ihr Debüt bei Hofe allem Glanz des Anlasses zum Trotz auf sie weniger Eindruck machte als ihre Teilnahme an einem anderen royalen Großereignis der Londoner Season, bei dem sie Charles Babbage begegnete, damals einundvierzig Jahre alt, Witwer, eine Berühmtheit auf dem Gebiet der Naturwissenschaften und der Mathematik und eine in Londons besseren Kreisen gern gesehene Koryphäe. »Ada fand mehr Gefallen an einer Gesellschaft, die sie am Mittwoch besucht hatte, als an all den Zusammenkünften der großen Welt«, berichtete ihre Mutter einem Freund. »Sie traf dort ein paar Leute aus der Wissenschaft – unter anderen Babbage, über den sie entzückt war.«2

Babbage’ hochspannende wöchentliche Abendgesellschaften, zu denen bis zu dreihundert Gäste erschienen, vereinten Lords in Frackschößen und Damen in Brokatgewändern mit Literaten, Industriellen, Dichtern, Staatsmännern, Forschern, Botanikern und anderen »Naturwissenschaftlern« (scientists, ein Begriff, den ein Freund von Babbage erst kürzlich geprägt hatte).3 Dadurch, dass er naturwissenschaftliche Gelehrte in sein erhabenes Reich einlud, so ein berühmter Geologe, habe Babbage »den gesellschaftlichen Rang erfolgreich an den Maßstäben der Wissenschaft justiert«.4

An solchen Abenden wurde getanzt, gelesen, gespielt und vorgetragen, dazu gab es ein reiches Buffet an Meeresfrüchten, Fleisch, Geflügel, exotischen Getränken und gekühlten Desserts. Die Damen ergötzten sich an lebenden Bildern (tableaux vivants) und stellten in Kostümen berühmte Gemälde nach. Astronomen bauten ihre Teleskope auf, Forscher führten ihre elektrischen und mechanischen Erfindungen vor, und Babbage erlaubte seinen Gästen, mit seinen mechanischen Puppen zu spielen. Höhepunkt der Abendgesellschaft – und einer der vielen Gründe, warum Babbage sie abhielt – war die Vorführung eines Teilmodells seiner Differenzmaschine, einer gigantischen mechanischen Rechenmaschine, an der er in einem feuersicheren Gebäude neben seinem Haus baute. Babbage stellte das Modell mit großem Pomp vor, betätigte mit theatralischer Geste die Kurbel und ließ es eine Zahlenreihe addieren. Dann, just in dem Moment, da die Zuschauer sich zu langweilen begannen, zeigte er, wie sich der geordnete Ablauf durch Anweisungen, die er der Maschine zuvor eingegeben hatte, mit einem Schlag verändern ließ.5 Diejenigen, die sich besonders fasziniert zeigten, wurden dann über den Hof zu den vormaligen Ställen komplimentiert, in denen die komplette Maschine erbaut wurde.

Babbage’ Differenzmaschine, die Polynome berechnen konnte, beeindruckte die Menschen aus ganz unterschiedlichen Gründen. Der Herzog von Wellington glaubte, sie könne von großem Nutzen sein, um zu Beginn einer Schlacht die verschiedenen Unwägbarkeiten zu analysieren, mit denen ein General es zu tun bekommen könnte.6 Adas Mutter, Lady Byron, staunte über die »Denkmaschine«. Was Ada anging, die später den berühmten Ausspruch tun sollte, dass Maschinen niemals wahrhaft würden denken können, so berichtet eine Freundin, die sie zu der Vorführung begleitet hatte: »Miss Byron, jung, wie sie war, durchschaute ihre Funktionsweise und vermochte die Schönheit der Innovation gebührend zu würdigen.«7

Ihre Liebe zu sowohl Dichtkunst als auch Mathematik prädestinierte Ada dafür, in einer Rechenmaschine auch Schönheit zu erblicken. Sie war ein typisches Kind der Romantik, einer Epoche, in welcher der Wissenschaft eine gewissermaßen lyrische Leidenschaft für Erfindungen und Entdeckungen eigen war. Es war eine Zeit, in der »wissenschaftliches Arbeiten von fantasievoller Intensität und Spannung« erfüllt war, schrieb Richard Holmes in The Age of Wonder. »Es wurde beflügelt von einem gemeinsamen Ideal der leidenschaftlichen, ja rücksichtslosen, persönlichen Hingabe an das Entdecken.«8

Kurz: Es war eine Zeit, der unseren nicht unähnlich. Die Errungenschaften der industriellen Revolution – Dampfmaschine, mechanischer Webstuhl und Telegraf – verwandelten die Welt des 19. Jahrhunderts in ganz ähnlicher Weise, wie die Fortschritte der digitalen Revolution – Computer, Mikrochip und Internet – unsere Welt heute verändert haben. Im Zentrum beider Zeitalter standen Erneuerer, die ihre Fantasie und Leidenschaft mit staunenswerten technischen Errungenschaften zu vereinen wussten, eine Mischung, die Adas poetische Wissenschaft hervorbrachte und das, was der Dichter Richard Brautigan im 20. Jahrhundert als »machines of loving grace« bezeichnen sollte.

Lord Byron

Ihr poetisches und aller Konvention abholdes Wesen hatte Ada von ihrem Vater geerbt, ihre Liebe zu Maschinen aber hätte er nicht mit ihr geteilt. Er war eher ein Technikfeind. In seiner Antrittsrede vor dem House of Lords, die er im Februar 1812 im Alter von 24 Jahren hielt, verteidigte Byron die Anhänger von Ned Ludd, der seinerzeit vehement gegen Maschinenwebstühle wetterte. Mit sarkastischer Schärfe verhöhnte Byron die Fabrikanten, die dem Oberhaus ein Gesetz vorgelegt hatten, das die Zerstörung automatisierter Webstühle bei Todesstrafe verbot. »Diese Maschinen waren für sie insofern vorteilhaft, als sie die Beschäftigung einer größeren Anzahl von Arbeitern unnöthig machten, die nun dem Hungertod überlassen wurden«, stellte Byron fest. »Die abgedankten Arbeiter glaubten sich in ihrer Einfalt den Verbesserungen im Mechanismus aufgeopfert, statt sich über diese für die Menschheit so wohlthätigen Verbesserungen in den Künsten zu freuen.«

Lord Byron (1788–1824), Adas Vater, in albanischer Tracht, Porträt von Thomas Phillips, 1835

Zwei Wochen später veröffentlichte Byron die beiden ersten Gesänge seines epischen Gedichts Ritter Harold’s Pilgerfahrt, einer überaus romantisierenden Darstellung seiner Wanderungen durch Portugal, Malta und Griechenland, und, so bemerkte er später, »wachte eines Morgens auf und war berühmt«. Schön, verführerisch, immer in Bedrängnis, grüblerisch und sexuellen Abenteuern nie abgeneigt, führte er das Leben eines Byron’schen Helden, dessen Archetypus er in seiner Dichtung gleichzeitig erstehen ließ. Er wurde zum Liebling des literarischen London und täglich auf drei Gesellschaften gefeiert, besonders denkwürdig darunter ein rauschendes Fest am Morgen, dessen Gastgeberin Lady Caroline Lamb war.

Lady Caroline, obzwar mit einem mächtigen Aristokraten verheiratet, der später Premierminister wurde, verliebte sich bis über beide Ohren in Byron. Er fand, sie sei »zu dünn«, aber sie hatte unkonventionelle sexuelle Vorlieben, die ihn bezauberten (sie kleidete sich gerne als Page). Sie hatten eine turbulente Affäre, nach deren Ende sie ihm obsessiv nachstellte. Sie bezeichnete ihn als »irre, schlechte und gefährliche Bekanntschaft«, was voll und ganz auf ihn zutraf. Auf sie auch.

Auf Lady Carolines Ball hatte Lord Byron außerdem eine zurückhaltende junge Frau bemerkt, die, wie er sich erinnerte, »eher schlicht gekleidet« war. Annabella Milbanke, neunzehn, stammte aus einer wohlhabenden Aristokratenfamilie. Am Abend vor der Morgengesellschaft hatte sie Ritter Harold gelesen, mit gemischten Gefühlen. »Er ist gar zu sehr Manierist«, schrieb sie. »Am besten gelingt ihm die Darstellung tiefer Gefühle.« Als sie ihn am anderen Ende des Saales erblickte, tobten in ihr gefährlich widerstreitende Empfindungen. »Ich machte keine Anstalten, mich ihm vorstellen zu lassen, denn all die anderen Damen umwarben ihn in lächerlicher Weise, und mühten sich redlich, sich die Hiebe seines Spotts zu verdienen«, schrieb sie an ihre Mutter. »Mich verlangt es nicht nach einem Platz in seiner Gefolgschaft. Ich habe kein Opfer auf dem Altar Ritter Harolds dargebracht, obwohl ich seine Bekanntschaft nicht ausschlagen würde, wenn es sich so ergäbe.«9

Diese Bekanntschaft, so wollte es das Schicksal, ergab sich. Nachdem er ihr in aller Form vorgestellt worden war, befand Byron, dass Annabella eine geeignete Ehefrau für ihn abgeben würde – ein für seine Verhältnisse seltener Sieg der...

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