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Insolvenzanfechtung von Vorstandsvergütungen

AutorMirko Werler
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl102 Seiten
ISBN9783668414617
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Kartellrecht, Wirtschaftsrecht, Note: 1,3, Hamburger Fern-Hochschule, Sprache: Deutsch, Abstract: Unternehmensinsolvenzen bringen es oft mit sich, dass Gläubiger, obgleich sie die von ihnen geschuldete Leistung erbracht haben, die Gegenleistung des Insolvenzschuldners nicht oder nur noch zu einem Bruchteil als Quote erhalten. Zusätzlich gibt die InsO dem Insolvenzverwalter in bestimmten Situationen die Verpflichtung auf, im Wege der Insolvenzanfechtung in bereits abgeschlossene Rechtshandlungen nachträglich rückabwickelnd einzugreifen und das aus der Insolvenzmasse abgeflossene zu dieser zurück zu fordern. Seit einigen Jahren sind auch Lohnzahlungen an Arbeitnehmer stärker in den anfechtungsrechtlichen Fokus gelangt. Der Arbeitnehmer findet sich nun unverhofft in der Rolle des Anfechtungsgegners wieder, zumal er womöglich sogar partiellen Lohnverzicht geübt oder dem Arbeitgeber Zahlungserleichterungen gewährt haben mag. Insofern verwundert es nicht, dass verschiedene Lohnanfechtungsversuche in Rechtslehre, Politik und Presse deutlichen Widerhall hervorgerufen haben und auch mehrfach Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen waren. Verändert man die vorliegende Thematik um den Parameter, dass es sich nicht um den Arbeitslohn nicht-leitender Angestellter, sondern um die Vergütung von Mitgliedern von Gesellschaftsorganen, wie etwa AG-Vorstandsmitgliedern, handelt, ändert sich die Perspektive: Vorstandsmitglieder bestimmen die Geschicke der Gesellschaft wesentlich mit, befinden sich regelmäßig in einer anderen Gehaltsklasse als nicht-leitende Angestellte und haben als 'Insider' Zugang zu mehr die wirtschaftliche Lage des Unternehmens betreffenden Informationen. Dennoch ist die Anfechtbarkeit von Vergütungszahlungen an Vorstandsmitglieder einer AG, anders als die Vergütungshöhe, bisher kaum thematisiert worden. Der Verfasser konzentriert sich darauf, diese Lücke zu füllen und untersucht, unter welchen Voraussetzungen die Insolvenzanfechtung von Vergütungszahlungen an Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften möglich ist.

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Leseprobe

2. Teil: Grundzüge der Insolvenzanfechtung


 

A. Sinn und Zweck der Insolvenzanfechtung


 

Allgemeines Ziel des Insolvenzverfahrens ist gem. § 1 S. 1[3] die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger. Dabei gilt das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung (par condicio creditorum). Danach haben grundsätzlich alle Gläubiger hinsichtlich der Befriedigung aus der Masse denselben Rang[4]. Umgekehrt sollen Bevorzugungen zugunsten einzelner Gläubiger dergestalt, dass diese in zeitlicher Nähe zur  Verfahrenseröffnung noch Befriedigung ihrer Forderungen zu Lasten der Masse erlangen, vermieden werden[5]. Jedoch kommt es im Vorfeld der Insolvenzeröffnung oftmals zu Rechtshandlungen oder Unterlassungen des Schuldners oder Dritter, die sich nach Verfahrenseröffnung als nachteilig für die Insolvenzmasse und damit als Beeinträchtigung der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung bzw. als Belastung der Gesamtheit der Gläubiger herausstellen. Durch das Institut der Insolvenzanfechtung wird es dem Insolvenzverwalter ermöglicht, durch das gerichtliche Geltendmachen der Insolvenzanfechtung nach Maßgabe der §§ 130-146 derartige Rechtshandlungen unter bestimmten Voraussetzungen rückgängig zu machen, um, so zu einer Masseanreicherung zu kommen. Letztlich handelt es sich bei der Insolvenzanfechtung damit um ein Mittel der Verwirklichung der par condicio creditorum[6].

 

Nach § 143 Abs. 1 muss im Grundsatz das, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Insolvenzanfechtung führt damit im Ergebnis zu einer Masseanreicherung[7]. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang allerdings auch darauf hingewiesen, dass dieses Ergebnis gleichwohl nicht den Zweck der Insolvenzanfechtung bilde, da dieser vielmehr in der Verwirklichung des Grundsatzes der par condicio creditorum bestehe[8]. Die beiden genannten Aspekte stehen indes zueinander nicht in Widerspruch: Die aus einer erfolgreichen Insolvenzanfechtung resultierende Masseanreicherung erhöht die Chancen der Verfahrensfinanzierung[9] und damit der Verfahrenseröffnung, wodurch auch die par condicio creditorum stärkere Geltung erlangen kann. 

 

Zudem ist anzumerken, dass durch das Instrument der Insolvenzanfechtung regelmäßig an sich wirksam abgeschlossene Rechtsgeschäfte der Rückabwicklung anheim fallen. Dies steht zum Teil nicht ohne weiteres im Einklang mit dem verbreiteten, allgemeinen Rechtsempfinden. Dem Ziel der Massestärkung steht damit der Aspekt der Verwirklichung der Privatautonomie sowie der Schutz der Rechtssicherheit gegenüber[10]. Hieraus ergibt sich das besondere Spannungsfeld, in dem sich das Insolvenzanfechtungsrecht befindet.

 

B. Regelungssystematik und definitorische Grundlagen


 

Die in § 143 genannte Rechtsfolge des Rückgewähranspruchs greift ein, wenn einer der Tatbestände der §§ 129 i. V. m. 130 ff. erfüllt ist. § 129 ist dabei, als Normierung der Allgemeinen Voraussetzungen jeder Insolvenzanfechtung, den einzelnen präzisierenden Anfechtungstatbeständen vorangestellt. Für die einzelnen Anfechtungstatbestände werden in der Literatur nicht durchgehend die amtlichen Überschriften der InsO benutzt. Daher soll im Folgenden neben der Systematik auch die gängige Terminologie erwähnt werden.  

 

Die InsO definiert einen kritischen Zeitraum von drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag (sog. Krise[11]), innerhalb dessen die Hürden einer Anfechtung relativ niedrig sind. Die Anfechtbarkeit besteht zunächst für Rechtsgeschäfte, die den Gläubiger unmittelbar benachteiligen, § 132. Dies betrifft Rechtsgeschäfte, die eine Verbindlichkeit begründen oder ihre Erfüllung zusagen[12], oder aber als einseitige Rechtshandlungen die Rechtslage beeinflussen[13]. Gemäß § 132 Abs. 2 stehen dem Rechtshandlungen gleich, durch welche die Durchsetzung von Forderungen des Schuldners erschwert wird oder Ansprüche gegen ihn erhalten oder durchsetzbar werden. Die Anfechtung nach § 132 wird – plakativ – auch als Verschleuderungsanfechtung bezeichnet[14].

 

Gesonderte Anfechtungsregeln innerhalb der Krise gelten für Rechtshandlungen, durch die eine Sicherung gewährt oder eine Befriedigung ermöglicht wird. Die InsO differenziert hierbei danach, ob auf die Sicherung bzw. Befriedigung ein Anspruch bestand (kongruente Deckung, § 130) oder nicht (inkongruente Deckung, § 131). Entsprechend verwendet die Literatur für die Anfechtungen nach §§ 130 und 131 auch die Bezeichnung „Deckungsanfechtung“[15]. In ihrem Anwendungsbereich verdrängen die Tatbestände der Deckungsanfechtung die Verschleuderungsanfechtung nach § 132 als leges speciales.

 

Die §§ 130-132 werden insgesamt als besondere Insolvenzanfechtung bezeichnet, was den Hintergrund hat, dass diese kein Gegenstück in der Einzelanfechtung nach dem AnfG hat, bei welcher ein Gläubiger in der Zwangsvollstreckung nicht vollständig befriedigt wurde[16].

 

Die Tatbestände der §§ 133 ff. werden dagegen unter den Begriff der allgemeinen Insolvenzanfechtung gefasst. Einen praktisch sehr bedeutsamen Fall stellt insoweit die vorsätzliche Benachteiligung gem. § 133 dar (auch: „Vorsatzanfechtung“). Diese betrifft gem. § 133 Abs. 1 Fälle, in denen der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor Insolvenzantragstellung oder nach diesem Antrag Rechtshandlungen mit dem Vorsatz vornimmt, die Gläubiger zu benachteiligen und der andere Teil zur Zeit der Handlung den Benachteiligungsvorsatz kannte oder seine Kenntnis zu vermuten ist. Daneben sind nach § 133 Abs. 2 vom Schuldner mit nahestehenden Personen geschlossene entgeltliche Verträge, durch welche die Gläubiger unmittelbar benachteiligt werden, anfechtbar.

 

Leistet der Schuldner unentgeltlich („Schenkungsanfechtung“), so ist die Leistung nach Maßgabe des § 134 anfechtbar, sofern sie nicht früher als vier Jahre vor Antragstellung vorgenommen wurde und die Leistung sich nicht auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts bezieht.

 

§§ 135 und 136 schließlich behandeln die Anfechtung von Rechtshandlungen mit Bezug zu Gesellschafterdarlehen bzw. zu stillen Gesellschaftern.

 

C. Allgemeine Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung, § 129 InsO


 

Eine wirksame Insolvenzanfechtung erfordert in jedem Fall eine objektiv gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung des Schuldners vor Insolvenzeröffnung.

 

I. Rechtshandlung, § 129 InsO


 

§ 129 eröffnet nach seinem Wortlaut die Möglichkeit der Anfechtung von Rechtshandlungen. Unter einer Rechtshandlung ist jedes von einem Willen getragene und rechtlich bedeutsame Handeln zu verstehen, das die Vermögenssituation des Schuldners nachteilig beeinflusst hat[17].

 

§ 129 Abs. 2 stellt ein Unterlassen einer Rechtshandlung gleich.

 

II. Gläubigerbenachteiligung, § 129 InsO


 

Es ist weiterhin nach dem Wortlaut des § 129 Abs. 1 kumulative Voraussetzung jeder Insolvenzanfechtung, dass die Rechtshandlung die Insolvenzgläubiger benachteiligt. Von einer Gläubigerbenachteiligung ist auszugehen, wenn durch die Rechtshandlung die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkleinert und somit der Zugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert wird[18].

 

D. Besondere Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung, §§ 130 ff.  InsO


 

I. Anfechtungsgründe


 

Zu den allgemeinen Voraussetzungen des § 129 müssen kumulativ weitere Voraussetzungen hinzutreten, insbesondere ist das Vorliegen eines Anfechtungsgrundes nach §§ 130-135 erforderlich. Die Anfechtungstatbestände beschreiben die gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlungen, die durch das Instrument der Insolvenzanfechtung vermögensrechtlich neutralisiert werden können. Die folgenden Ausführungen entsprechen keiner erschöpfenden Darstellung sämtlicher Anfechtungsgründe, sondern sollen überblicksartig als Basis der später folgenden, spezifischen Betrachtung der Insolvenzanfechtung von Vergütungszahlungen dienen[19].

 

1. Kongruente Deckung, § 130 InsO

 

Rechtshandlungen, die einem Insolvenzgläubiger in der Krise oder nach Insolvenzantragstellung eine Sicherung oder Befriedigung gewähren oder ermöglichen, können gem. § 130 anfechtbar sein.

 

§ 130 betrifft sog. kongruente Deckungen, d. h. Sicherungen und Befriedigungen, auf die der Insolvenzgläubiger im Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung einen Anspruch hatte[20]. Dies setzt objektiv voraus, dass die erlangte Leistung der Parteivereinbarung entspricht[21]. In § 130 Abs. 1 S. 1 werden mit Nr. 1 und Nr. 2 zwei Fallgruppen genannt, die sich hinsichtlich des Zeitpunkts der Vornahme der Rechtshandlung unterscheiden. Danach...

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