In folgendem Kapitel wird das Untersuchungsgebiet Gunung Kidul vorgestellt. Um die Entwicklung dieser Region nachzuvollziehen, ist eine Betrachtung im Gesamtkontext der indonesischen Geschichte unabdingbar.
Am bekanntesten sind Indonesiens sechs Hauptinseln Sumatra, Sulawesi, Java, Bali, Kalimantan (ein Teil von Borneo) und West Papua (ehem. Irian Jaya, westliche Hälfte Neuguineas). Insgesamt besteht Indonesien jedoch aus über 13.677 Inseln, von denen ca. zwei Drittel unbewohnt sind, sich über 5150 km erstrecken und in einer Vulkanzone mit über 300 zumeist erloschenen Vulkanen liegen (Gaede 2006: 432, Weber 2014).
Karte 2: Gunung Kidul in Indonesien
Quelle: Bearbeitet nach Hossu 2012: 3
Von den knapp 220 Mio. Einwohnern leben 60% auf dem Land (Gaede 2006: 432). Aus wirtschaftlicher Sicht sticht besonders die Hauptinsel Java hervor. Hier leben rund 60% der indonesischen Bevölkerung auf nur knapp 7% der Landfläche, erwirtschaften allerdings rund 57,5% des Bruttoinlandprodukts (Weber 2014). Auf dieser Insel befindet sich auch im Nordwesten die Indonesische Hauptstadt Jakarta mit ca. 9,6 Mio. Einwohnern (Weber 2014). Südöstlich davon, in Zentraljava gelegen, fliegt man eine Stunde bis zur 3,54 Mio. Einwohnerstadt Yogyakarta (Weber 2014). Touristen ist diese Stadt durch die Nähe des UNESCO-Weltkulturerbes Borobudur bekannt, eines der größten und ältesten buddhistischen Heiligtümer, das 400 Jahre durch Lava und die Zurückgewinnung des Regenwaldes unentdeckt blieb. Nicht weit davon befindet sich der Vulkan Merapi, der zuletzt im Jahr 2010 ausbrach und 259 Menschen das Leben kostete (Spiegel Online 2010). Die Ruinen und Überbleibsel menschlicher Behausungen sind zwei Jahre später immer noch zu beobachten (vgl. Abbildung 6).
Abbildung 6: Die Überreste der Eruption des Merapi (2012)
Quelle: Eigene Aufnahmen 2012
Weiter südöstlich befindet sich die Region Gunung Kidul, das auf Deutsch „Südberge“ bedeutet.
Karte 3: Naturräumliche Gliederung Gunungkiduls
Bearbeitet nach Hossu 2010 in Dittmann, Fach, Fuchs, Hossu, Nestmann und Oberle 2011: 58
Anhand des Höhenprofils lässt sich Gunung Kidul in drei geomorphologische Zonen untergliedern:
1. Am höchsten gelegen ist die nördliche Baturagung Bergkette (zu Deutsch: Großer Fels) sowie das östliche Panggung Massiv (zu Deutsch: Bühne), die 200 bis 800 m ü.M. liegen.
2. Das flache Wonosari-Plateau (Javanisch: Ledok Wonosari) mit 100-200 m ü.M.
3. sowie Gunung Sewu (zu Deutsch: Tausend Hügel), ein Karstgebiet von 100-400 m Höhe ü.M.
Die 1400km² große Karstregion Gunung Sewu ist dabei durch seine verkarstete Hügellandschaft am stärksten von Trockenstress betroffen (Oberle 2011: 3). Im Osten Gunung Sewus befindet sich das Untersuchungsgebiet. Dieser Abschnitt wird von drei zentralen Wasserquellen versorgt, die sich in Seropan, Bribin und am Baronstrand befinden. Meine Untersuchungen konzentrieren sich auf das Gebiet, dass von der Bribinquelle versorgt werden soll. Um nachzuvollziehen wie es in dieser ariden Region möglich ist Wasser zu fördern, beschäftige ich mich im folgenden Kapitel mit dem Untergrund des Gebietes.
Insgesamt leben 25% der Weltbevölkerung in Karstgebieten (Oberle 2011: 3), sodass im Folgenden die Entstehung dieser Gebiete dargestellt werden soll. Der Begriff Karst wurde erstmals in Verbindung mit der kalkreichen Landschaft Sloweniens erwähnt (Pfeiffer 2010: 1, Ahnert 2009: 284). Damit sollten Gebiete beschrieben werden, die durch Korrosion[2] von löslichen Gesteinen und der Ausfällung löslicher Materialen einen ober- und einen unterirdischen Formschatz bilden. Neben löslichen Gesteinen sind hohe Niederschläge eine Voraussetzung für die Entstehung von Karstgebieten. Die Niederschläge versickern und durch die Atmung kleinster Bodenorganismen kommt es zur Anreicherung von Kohlenstoffdioxid. Die saure Kohlenstoffdioxidlösung begünstigt die Abtragung des Kalkgesteins und führt zu unterirdischen Höhlensystemen, die typisch für Karstgebiete sind (Pfeiffer 2010: 28-30, Ahnert 2009: 284, Schwanke 2010: 194,195). Ein weiteres Karstmerkmal ist die verminderte Speicherkapazität von Wasser, so dass Niederschläge bis zu einer wasserundurchlässigen Tonschicht versickern und dort unterirdische Flusssysteme bilden. Demzufolge sind in Karstgebieten keine natürlichen Oberflächengewässer zu beobachten. Durch unterschiedliche klimatische Bedingungen entstehen verschiedene Formen der Karstbildung. Nackter Karst bezeichnet eine freie Karstoberfläche, auf der keine Vegetation wächst. Im Gegensatz dazu steht der bedeckte Karst, der auf Grund seines Vegetationsbewuchses schwieriger zu erkennen ist. Überdeckter Karst ist noch schwieriger zu bestimmen, da er von einer jüngeren Sedimentationsschicht wie z.B. Löss überdeckt ist (Zepp 2014: 243).
Kegelkarst und Turmkarst bezeichnen die Formbildungen, die typisch für die Tropen sind. Die Kegel besitzen im Verhältnis zu ihrer Höhe eine größere Grundfläche (vgl. Abbildung 7). Auch hier sind mikrobiologische Abbauprozesse in Kombination mit der Bildung organischer Säuren für die Formgebung verantwortlich (Zepp 2014: 246). Wie Abbildung 7 zeigt, ist in Gunung Sewu der Kegelkarst vorzufinden.
Abbildung 7: Das Landschaftsprofil Gunung Sewus
Quelle: Eigene Aufnahmen vom 18.10.2012 in Gunung Sewu
Portugiesen und Spanier waren die ersten Europäer, die Mitte des 15. Jahrhunderts Kontakt zum heutigen Indonesien aufnahmen. Insbesondere der Handel mit Gewürzen (Nelken und Muskatnuss) war Antrieb genug diese weiten Reisen auf sich zu nehmen. Die Niederländer erkannten im 16. Jahrhundert dieses Potenzial und errichteten ein Handelsmonopol für weitere 200 Jahre (Hossu 2013: 76). Schwach ausgeprägte Handelskontrollen, sich ausbreitende Korruption und hohe Kriegskosten erschwerten dieses System, so dass Pläne entstanden, kontrollierte Staatsplantagen zu errichten, um gewinnbringende Produkte wie Kaffee, Tee, Zimt, Baumwolle, Zuckerrohr oder Tabak zu kultivieren. Das Wirtschaftssystem wurde dazu grundlegend geändert. Ab dem 19. Jahrhundert wurden Straßen errichtet, Eisenbahnschienen verlegt und erste Bewässerungsanlagen installiert. Die strukturellen Verbesserungen basierten jedoch auf Zwangsarbeit und Indonesien erlitt im Zuge der holländischen Kolonialisierung eine ökonomische Ausbeutung. Die japanische Invasion 1942 verschlimmerte diese Lage. Mit militärischer Gewalt wurde vielen Indonesiern Hab und Gut genommen. Infolgedessen kam es zu Hungersnöten und Aufständen. „In vielen Regionen Indonesiens hinterließ die japanische Okkupation kahle Landschaften, deren Wiederherstellung Jahrzehnte benötigte und mitunter bis heute nicht abgeschlossen ist“ (Hossu 2013: 78). Erst drei Jahre später, nach Ende des zweiten Weltkrieges, gelang es Indonesien am 17. August 1945 seine Unabhängigkeit zu erklären (Wenzler-Cremer 2005: 29). Holländische Versuche der Zurückeroberung scheiterten. Um Indonesiens 13.677 Inseln besser zu vereinen wurde eine einheitliche Sprache, Bahasa Indonesia, eine modifizierte Form des Malaiischen als Landessprache eingeführt. Das Fundament der indonesischen Demokratie sollte durch die anschließend aufgeführten fünf Prinzipen (Pancasila) gesichert werden (Magnis-Suseno 1989: 38):
1. Der Glaube an einen Gott
2. Die Achtung vor dem Menschen in Gerechtigkeit und Kultiviertheit
3. Die Einheit Indonesiens
4. Die Volksherrschaft, geleitet durch die Weisheit gemeinsamer Beratung und Vertretung
5. Die soziale Gerechtigkeit für das ganze indonesische Volk
Wie das erste Prinzip verdeutlicht, spielt Religiosität in der indonesischen Verfassung eine große Rolle. Dazu zählen (inzwischen) sechs anerkannte Religionen: Der Islam, das Christentum, der Hinduismus, der Buddhismus, der Konfuzianismus sowie andere „Naturreligionen“. Mit einem Anteil von 87,2 % (Stand 2010) dominiert der Islam als Hauptreligion und macht Indonesien heute zum größten islamischen Staat der Welt (Weber 2014). Begründet liegt dies in forcierten Missionierungstätigkeiten, die nach Jahrhunderten der Unterdrückung Vertrauen schufen.
Der Staatsgründer Sukarno...