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Integrierte Versorgung. Neue Perspektiven im Deutschen Gesundheitswesen

Neue Perspektiven im Deutschen Gesundheitswesen

AutorHeike Patt
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl62 Seiten
ISBN9783638479677
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Gesundheit - Gesundheitswesen, Note: 1,3, Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Rhein-Neckar e. V., 39 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Das Deutsche Gesundheitssystem steht vor dem Wandel. Schon die vergangenen drei Jahrzehnte versuchte die Politik mit zahlreichen Reformen den Kostenanstieg einzudämmen. Es gibt nur wenige Wirtschaftbereiche die in solch kurzer Zeit mit so vielen Gesetzesänderungen zu tun hatten, wie das Deutsche Gesundheitssystem. Schlagworte wie Verzahnung, Kooperation oder Vernetzung fielen bereits in den vergangenen Jahren, doch blieb es lediglich bei Gesprächen und Diskussionen. Anstatt die Strukturen und Anreize des Systems zu verändern, wurde weiterhin eine Budgetierung und Rationierung verfolgt und der entscheidende Durchbruch blieb bis heute aus. Die Einführung der Integrierten Versorgung (IV) durch die Gesundheitsreform 2000 war keineswegs eine Neuenddeckung für den maroden Gesundheitssektor. Bereits im Jahr 1973 wurde durch das Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes ein Ausschuss von Wissenschaftlern und Praktikern ins Leben gerufen, mit der Aufgabe, eine Analyse der Notwendigkeit sowie den Möglichkeiten und Grenzen einer integrierten medizinischen Versorgung vorzunehmen. Das Ergebnis war erwartungsgemäß positiv. Doch aufgrund der Beharrlichkeit vieler Leistungsanbieter konnte sich das neue System nicht durchsetzten. [...] Das Ziel der Arbeit ist es, dem Leser eine Übersicht vom System der Integrierten Versorgung sowie deren mögliche Auswirkungen auf das Deutsche Gesundheitswesen zu verschaffen. Zu ergänzen ist, dass die unter 5. aufgeführten Gedanken nicht abschließend sind. Zur Umsetzung des Systems müssen Managementstrukturen aufgebaut werden, wie man sie in der bisherigen Gesundheitsversorgung noch nicht kennt. Leider kann aber im Rahmen dieser Arbeit nur ein Abriss über wesentliche Punkte der Umsetzung gegeben werden.

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Leseprobe

3      Integrierte Versorgung


 


3.1    Begriffsdefinitionen


 


3.1.1    Integrierte Versorgung


 

Eine klare und einheitliche Definition des Begriffes der Integrierten Versorgung (IV) liegt nicht vor. Selbst der Gesetzgeber verzichtet in §140a auf eine detaillierte Definition.

 

Dortiger Wortlaut ist: „ ...können die Krankenkassen Verträge über eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung der Versicherten oder eine interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung mit den ... abschließen“.

 

3.1.2    Integration


 

Der Begriff Integration stammt aus dem lateinischen, dem Wort „integer“ und meint die „[Wieder]herstellung einer Einheit [aus Differenziertem]“, sowie die „Einbeziehung, Eingliederung in ein größeres Ganzes“.[24]

 

In der Soziologie bedeutet Integration „das Einbinden einer Minderheit in eine größerer

 

soziale Gruppe“.[25]

 

Im Bezug auf die IV ist dies so zu verstehen, dass die Patientenbetreuung, mit all ihren einzelnen Segmenten, eine Einheit bilden soll.

 

Die Versorgung erfolgt in einem Kontinuum von der Vorsorge bis zur Rehabilitation und der Patient steht dabei im Mittelpunkt. Es muss eine Kooperation und Koordination auf horizontaler, d.h. innerhalb der Versorgungssektoren (z.B. zwei Fachärzte im vertragsärztlichen Bereich) und/oder auf vertikaler Ebene, d.h. sektorenübergreifend (z.B. Krankenhaus und Vertragsarzt) stattfinden.

 

Im Gegensatz zu der oben geforderten besseren Verzahnung der Leistungsanbieter meint die Integration: Ein Zusammenfügen mehrerer gleichartiger und/oder unterschiedlicher Leistungsanbieter und die Neugestaltung der Versorgungsstrukturen. Die Verzahnung geht weiterhin mit getrennten Sektoren einher, in denen es lediglich gilt, die einzelnen Schnittstellen zu verbessern.[26]

 

 

Abbildung 4: Die Integrierte Versorgung

 

3.1.3    Kooperation und Koordination


 

Kooperation bezeichnet man als „Zusammenbringen von Handlungen zweier oder mehrerer Personen/Systeme derart, dass die Wirkungen der Handlungen zum Nutzen aller dieser Personen/Systeme führen“.[27]

 

Das Ziel der IV, Ineffizienzen und Qualitätsverluste abzubauen, kann nur durch eine Zusammenarbeit der verschiedenen am Versorgungsprozess beteiligten Leistungsanbieter erreicht werden.

 

In der Vergangenheit haben sich die einzelnen Anbieter lediglich auf die Erbringung ihrer Teilleistung konzentriert. Bei der IV bedarf es der Zusammenarbeit aller am Versorgungskontinuum Beteiligten wie Ärzte, Pflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln etc., denn nur so können Synergieeffekte erzielt werden.

 

Um die Kooperation der einzelnen Sektoren sicherzustellen, bedarf es einer Koordination der Beteiligten. Koordination ist wiederum „das wechselseitige Abstimmen der Aktivitäten in arbeitsteiligen Gruppen und Organisationen. Kooperation wird hergestellt, indem alle Mitglieder einen allgemeinen Operationsplan annehmen, der die Arbeit inhaltlich spezifiziert und die verfahrensmäßigen Beziehungen der Mitglieder untereinander festlegt“.[28]

 

In der IV kann die Koordination durch die direkte Kommunikation der Mitglieder miteinander, eine Standardisierung der einzelnen Prozesse in Form von Leitfäden und Behandlungspfaden, Zielvorgaben, der gemeinsamen Arbeit in Qualitätszirkeln, Entwicklung von Qualitätsstandards sowie der elektronische Patientenakte unterstützt werden.

 

3.2    Abgrenzung zur Regelversorgung, Modellvorhaben nach §§ 63-65 SGB V und Strukturverträgen nach § 73a SGB V


 


3.2.1     Regelversorgung


 

Die bisherige Regelversorgung ist, wie bereits erwähnt, durch eine Fragmentierung in der Leistungserbringung und Finanzierung geprägt und wird im § 69 und den Abschnitten 2-8 des 4. Kapitels konkretisiert.

 

Die IV sowie die Regelversorgung sind jeweils eigenständige Versorgungsformen, die Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede aufzeigen.

 

Als Gemeinsamkeit ist bedingt, die freie Arztwahl der Patienten zu nennen. In der Regelversorgung ist diese nach §76 tatsächlich frei. Bei der IV ist sie aber nur auf die teilnehmenden Leistungsanbieter begrenzt.

 

Weitere Gemeinsamkeiten sind die Verpflichtung zur Qualitätssicherung und Wirtschaftlichkeit, die Beschränkung der Teilnahme auf Leistungserbringer, die nach dem SGB V zugelassen sind sowie die unumgängliche Teilnahme der Krankenkassen als Vertragspartner.[29]

 

Unterschiede bestehen bei der Patientenbehandlung die bei der IV sektorenübergreifend stattfindet wie auch bei der Vertragsgestaltung, Vergütung und dem Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigung (KV).

 

Die Vertragsgestaltung der IV ist sehr vielseitig. So können sich die Krankenkassen oder deren Verbände ihre jeweiligen Vertragspartner selbst auswählen, was eine Zunahme des Wettbewerbs zwischen den Leistungsanbietern sowie den Krankenkassen bedeutet. Die angebotenen Leistungen und die Voraussetzung der Inanspruchnahme jener Leistungen werden individuell festgelegt.

 

Des Weiteren ist es lt. §140b Abs.3 S 4 sowie Abs.4 S 3 den Leistungserbringen auch möglich Leistungen zu erbringen, die vom gemeinsamen Bundesausschuss nicht abgelehnt wurden. Das bedeutet, dass die Vertragspartner nicht an das Leistungserbringungsrecht des SGB V gebunden sind[30] (siehe auch 4.2.2).

 

Die Vergütung der IV erfolgt im Gegensatz zu der vertragsärztlichen Versorgung nicht nach den §§ 85 und 87, sondern wird laut § 140c individuell vertraglich festgelegt. Dies schafft den jeweiligen Vertragspartnern einen größeren Gestaltungsspielraum und mehr Anreize.

 

Die Leistungserbringer haben lt. § 140c Abs.2 die Möglichkeit eine Budgetverantwortung für das Gesamtbudget oder auch für Teilbudgets zu übernehmen, was zusätzlich Anreize für eine wirtschaftlichen Versorgung der Patienten setzt (siehe auch 4.2.3).

 

Der Sicherstellungsauftrag der KV nach § 75 Abs.1 wurde nach § 140a Abs.1 S 2 insoweit eingeschränkt, dass für die Sicherstellung der Versorgung im Rahmen der IV allein die Vertragspartner, d.h. Kostenträger verpflichtet sind.[31]

 

Für Verträge, die bis zum 31. Dezember 2006 abgeschlossen werden, wurde der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach §71 Abs.1 mit der Begründung aufgehoben, dass Vertragspartner beim Abschluss von Verträgen horrende Investitionskosten aufzubringen haben[32] (siehe auch 4.2.4). Ein weiterer finanzieller Anreiz der IV ist auch die Anschubfinanzierung, auf die unter 4.2.5.1 näher eingegangen wird.

 

3.2.2    Modellvorhaben nach §§ 63-65 SGB V


 

Modellvorhaben wurden erstmals im Jahr 1988 durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen[33] in das SGB V aufgenommen.

 

Ziel war es und ist es noch heute, eine „Weiterentwicklung der Verfahrens-, Organisations-, Finanzierungs- und Vergütungsformen der Leistungserbringer“[34] voranzubringen.

 

Die erste wesentliche Reform erfuhren die Modellvorhaben durch das 2. GKV-Neuordnungsgesetz, mit dem Ziel, die ambulanten und stationäre Verzahnung weiter zu verbessern.

 

Durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 entfiel die zwingende Teilnahme der KV an den Modellvorhaben. Somit konnte die GKV und ihre Verbände erstmals direkt mit den zugelassenen Leistungserbringern Verträge abschließen. Dies brachte eine direkte Vergütung der Leistungserbringer durch die GKV mit sich.[35]

 

Was sind nun die Unterschiede zur IV?

 

Wie auch die Regelversorgung haben die Modellvorhaben Gemeinsamkeiten mit der IV.

 

Diese sind:

 

Die möglichen Abweichungen von den Regelungen des 4. Kapitels im SGB V, des Krankenhausfinanzierungsgesetz...

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