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Interessenverbände und ihr Einfluss auf die Gesundheitspolitik

Lobbyarbeit zum Wohle des Patienten?

AutorTorsten Haas
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl76 Seiten
ISBN9783638585361
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2004 im Fachbereich Organisation und Verwaltung - Sonstiges, Note: Sehr Gut, Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung - Fachbereich Sozialversicherung Berlin (Sozialversicherung, Abteilung Knappschaftsversicherung), 83 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Wenn du dir die Macht im Staate sichern willst, dann fange damit im Gesundheitswesen an.' (Präsident der Bundesärztekammer (1978 bis 1999), Karsten Vilmar, sinngemäß nach Lenin) Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den im Gesundheitssystem agierenden Interessenverbänden, dem Einfluss, den sie auf die Gesundheitspolitik ausüben, und der Fragestellung, inwiefern sich diese Lobbyarbeit auf das Patientenwohl auswirkt. Bei dem deutschen Gesundheitsmarkt handelt es sich um einen Markt, der durch ein enormes Wachstum geprägt ist. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig- oder pflichtversichert ist. Unsere Gesellschaft wird immer älter und ist deshalb in Zukunft vermehrt auf die Leistungen des Gesundheitswesens angewiesen. Des Weiteren stellt das Gesundheitssystem einen großen Arbeitsmarkt mit vielen Millionen Beschäftigten dar und ist eine 'ewige Reformbaustelle', die durch einige strukturelle Mängel gekennzeichnet ist. Dies alles sind Ansatzpunkte für mächtige organisierte Gruppen, die im Gesundheitswesen aktiv sind und versuchen ihre Interessen gegenüber dem System und der Politik durchzusetzen. Das Scheitern vieler notwendiger Reformen ist nicht allein auf die knappen finanziellen Mittel zurückzuführen, sondern auch auf die erfolgreichen Eingriffe bestimmter Interessenverbände. Bei der Lobbyarbeit spielt sich vieles im Verborgenen ab und wird deshalb von der Öffentlichkeit nicht immer wahrgenommen. Weil es kaum ersichtlich ist, ob es bei der Einflussnahme immer sozial gerecht zugeht, ist es mein besonderes Anliegen, dem geneigten Rezipienten evident zu machen, dass es sich hierbei um die Durchsetzung von Partikularinteressen handelt, die dem Patientenwohl abträglich sind. [...]

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Leseprobe

4 Schwachstellen im Gesundheitsmarkt


 

4.1 Nulltarifmentalität der Nachfrageseite


 

Auf vollkommenen Märkten wird die Nachfrage über den Preis gesteuert. Im Prinzip geht es darum, die Bedürfnisse von Anbietern und Nachfragern so aufeinander abzustimmen, dass alle Akteure daraus einen maximalen Nutzen ziehen können. Diese „Austauschbeziehungen“ sind demnach so zu koordinieren, dass alle Beteiligten zufrieden gestellt werden, d. h. bei steigenden Preisen reduziert sich die Nachfrage. Sinkende Preise wirken sich entgegengesetzt aus. Das bedeutet aber nicht, dass der Konsument bei immer weiter fallenden Preisen bis ins unendliche nachfragen wird. Auch bei einem Preis von Null ist die nachgefragte Menge begrenzt. Dieser Wert wird Sättigungsmenge (SM){82} genannt und stellt sich ein, wenn sich der Konsument von einem weiteren Bezug einer Mengeneinheit keinen zusätzlichen Nutzen mehr erhofft.{83}

 

Dass es sich beim Gesundheitsmarkt nicht um einen gewöhnlichen Markt handelt und deshalb die Gesetzmäßigkeiten der fallenden Nachfrage außer Kraft gesetzt sind, wird im Folgenden aufgezeigt:

 

Der Patient zahlt Beiträge an die gesetzliche Krankenkasse und diese erstattet im Gegenzug den Erbringern alle notwendigen Aufwendungen und Leistungen der medizinischen Versorgung. Der Preis für diese Leistungen ist aus der subjektiven Sicht des Patienten Null. Dabei ist der monatliche Beitrag für sein Konsumverhalten irrelevant, da er unabhängig vom Krankheitsrisiko geleistet wird. {84} Auch eine zu leistende Zuzahlung fällt im Krankheitsfall kaum ins Gewicht, da es sich bei dem versicherten Patienten um einen Menschen mit gesundheitlichen Beschwerden handelt. Er will einzig, dass seine Krankheit behandelt und die Schmerzen gelindert werden. Wenn ein kranker Mensch einen Arzt aufsucht, handelt er deshalb selten rational und daher auch nicht kostenbewusst; er will einfach nur gesund werden. Dieser Umstand macht ihn erpresserisch dem System gegenüber und beeinflussbar für Einflüsterungen von Lobbyisten.{85}

 

Es stellt sich eine so genannte „Nulltarifmentalität“{86} ein, welche den Patienten dazu anregt, das Angebot über die SM hinaus in Anspruch zu nehmen, solange er sich einen zusätzlichen Nutzen verspricht.{87}

 

Verstärkend kommt hinzu, dass ihm die entstandenen Kosten in der Regel nicht mitgeteilt werden, es sei denn er lässt sich eine Patientenquittung{88} ausstellen, da die Abrechnung der Leistungen nach dem Sachleistungsprinzip erfolgt. Aus diesen Gründen ist das Gesetz der fallenden Nachfragekurve außer Kraft gesetzt.{89}

 

4.2 Macht der Anbieter


 

4.2.1 Krankenhäuser


 

Ein Problem des Krankenhaussektors ist der enorme Einfluss des Staates auf die Planung hinsichtlich des Angebotes und der Krankenhausversorgung. Die Interventionen des Staates gehen dabei noch weiter als in der ambulanten Versorgung{90}. Die Mehrheit der Krankenhäuser befindet sich in staatlicher Hand oder ist eng mit ihr verbunden. Es liegt in der Obliegenheit der öffentlichen Verwaltung den Bedarf an Krankenhäusern zu planen. Dazu stellen die Bundesländer Krankenhausbedarfspläne auf, die aus ihrer Sicht den erforderlichen Angebotsstrukturen gerecht werden. Das ist insoweit problematisch, als Krankenhäuser, die nicht in der Planung aufgeführt sind, ihre Leistungen nur mit vorheriger Einzelleistungsvereinbarung mit den Kken abrechnen können. Dies kommt einer Marktschließung gleich, da die Bundesländer selbst bestimmen, wer zu ihren Einrichtungen in Konkurrenz treten kann. Es ist zweifelhaft, ob diese Praxis immer dem Patientenwohl dient. Da im Sektor der stationären Versorgung somit kaum Wettbewerb vorhanden ist, braucht die öffentliche Hand auch nicht auf Konkurrenz zu achten. Es besteht kaum ein Anreiz, auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten einzugehen. Hinzu kommt, dass lokalpolitische Interessen die Entscheidungen über die Errichtung von Krankenhäusern erheblich beeinflussen, weil in den Aufsichtsräten oft regionale Geschäftsleute und Politiker vertreten sind.{91}

 

4.2.2 Ärzte


 

Genau wie auf herkömmlichen Märkten ist davon auszugehen, dass Ärzte und andere Dienstleister, unter Außerachtlassung ihrer humanitären Aufgaben Gesundheitsdienstleistungen anbieten, um ein möglichst hohes Erwerbseinkommen zu erzielen, denn sie sind ja gleichzeitig auch Unternehmer. Allerdings gelten hier die allgemeinen Regeln des Marktes ebenfalls nicht. Auf herkömmlichen Märkten steht den Unternehmern eine ganze Reihe von Instrumenten zur Verfügung, die sie zu ihrem Vorteil einsetzen können. Dazu gehören u. a. Marketing, Produktionsgestaltung, Preis und auch entsteht Wettbewerb. Nur wer ein Gut in entsprechender Qualität kostengünstig produziert und es zu einem angemessenen Preis anbietet, wird hohe Gewinne machen und auf dem Markt bestehen bleiben. Der Verbraucher konsumiert in der Regel nur das Produkt, bei dem das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Er übt dadurch eine gewisse Kontrolle aus und trennt bei den Anbietern die „Spreu vom Weizen“. Diese Verläufe sind auf dem Gesundheitsmarkt gestört. Aufgrund der Nulltarifmentalität hat der Patient kein großes Interesse die Anbieter zu kontrollieren. Von der Allgemeinheit wird der Beruf des Arztes sowieso nicht als Gewerbe betrachtet, da der Arzt als „uneigennütziger Helfer“ des Patienten gesehen wird und sich somit eigennützige Ziele seitens des Arztes von allein verbieten. Das Standesethos sei Kontrolle genug, so die allgemeine Meinung. Erbringt ein Arzt durchweg gute Leistungen, wird der Patient dies honorieren und den Arzt immer wieder aufsuchen, wobei es dem Patienten allerdings egal ist, ob diese gute Leistung auch auf effiziente Art und Weise zustande gekommen ist. Das heißt, dass es den Patienten nicht unbedingt interessiert, ob bei der Behandlung überhöhte Ausgaben entstanden sind. Der Patient bekommt von den Kosten - wie bereits erwähnt - ja auch gar nichts mit. Erschwerend kommt hinzu, dass ein Arzt der qualitativ gute Leistungen erbringt, mit diesen - aufgrund des ärztlichen Standesethos - nicht werben darf. Einem guten Arzt bleibt also nur die Mundpropaganda; er hat ansonsten keine Chance, für sich zu werben. Nach Oberenders / Fleischmanns Auffassung würde das System dadurch undurchsichtig und Wettbewerb könne nur eingeschränkt stattfinden. {92}

 

Des Weiteren ist die Ärzteschaft der massiven Einflussnahme seitens der pharmazeutischen Industrie ausgesetzt. Die Pharmalobby nimmt enormen Einfluss auf das Denken und Handeln der Mediziner.

 

4.2.3 Pharmaindustrie


 

Ca. 15.000 Pharmareferenten sorgen dafür, dass jeder Mediziner vom Studium bis zum Ruhestand eine „Rundumversorgung“ seitens der Pharmalobby erfährt; ein Mediziner wird durchschnittlich 170 Mal im Jahr besucht und beraten. Des Weiteren führt die Pharmaindustrie teilweise, wenn auch nicht offensichtlich, die ärztliche Fortbildung durch, für die eigentlich die KVen zuständig wären. Zwei Drittel der Veranstaltungen werden von der Pharmaindustrie durchgeführt und finanziert. Diese von der Pharmaindustrie organisierten Zirkeltreffen für Ärzte beeinflussen das Verschreibungsverhalten der Mediziner. So lud der englische Pharmariese SmithKleinBeecham 1998 hunderte Mediziner zu einem Wochenende in Paris ein. Durch solche Geschenke beeinflusst, ändert sich das Verschreibungsverhalten der Ärzte. Es ist festgestellt worden, dass sich bei einigen Ärzten die Verschreibungen von Medikamenten dieses Herstellers innerhalb eines Jahres verdreifachte. Die Ausgaben der Krankenkassen für Arzneimittel waren im Jahr 2003 (23 Milliarden Euro) doppelt so hoch wie im Jahr 1990. Die Kassen geben seit Jahren mehr für Arzneimittel aus, als für die 120.000 niedergelassenen Mediziner. Ein 65 Jahre alter Patient nimmt im Durchschnitt täglich sechs verschiedene Arzneimittel zu sich. Alleine von 2001 auf 2002 steigerten sich die Kosten für Arzneimittel um 11,7%. Diese Kostensteigerung basiert nicht auf der Entwicklung neuer Medikamente - nur 15% der seit 1990 zugelassenen 1.000 Präparate enthalten neue Wirkstoffe - sondern darauf, dass alte Medikamente durch teurere Medikamente ersetzt wurden; angeblich zum Nutzen des Patienten. Gegen die Volkskrankheiten Herztod und Krebs ist noch kein Heilmittel gefunden ebenso wenig wie für Rheuma, Allergien, Demenzen oder Stoffwechselerkrankungen. Es gibt viele hochrangige Wissenschaftler, die von der Pharmaindustrie bezahlt werden, um mit Gutachten und Dissertationen einen gegenteiligen Eindruck zu vermitteln. Diese Praktiken sind schon seit Jahrzehnten bekannt und der Kranke zahlt indirekt die Rechnung, da die dafür aufgewendeten Summen natürlich auf die Medikamentenpreise aufgeschlagen werden. {93}

 

4.3 Strukturprobleme


 

Viele der heutigen Probleme basieren auf den hergebrachten Maximen der GKV.

 

Diese sind u. a. Selbstverwaltung, Finanzierungs- und Versorgungsstruktur sowie sektorale Trennung. Diese Prinzipien werden zwar von den Akteuren im Gesundheitswesen weitgehend akzeptiert, weisen aber interne Probleme auf.{94}

 

4.3.1 Selbstverwaltung


 

Das Selbstverwaltungsprinzip als prägendes Strukturprinzip der...

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