Das folgende Kapitel schafft die theoretischen Ansätze, die für den empirischen Teil von essentieller Bedeutung sind. In diesem Kapitel werden vor allem folgende Begriffe erläutert: „Kultur“, „Interkulturelle Kommunikation“ und „Kulturdimensionen“.
Das Geheimnis der Nationalität eines jeden
Volkes ist nicht aus seiner Kleidung und Küche
zu erschließen, sondern aus seiner Art, die Dinge zu verstehen.
(Wissation Belinski, in: Litschev 2001: 9)
Kultur ist bereits seit langer Zeit Gegenstand verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Besonders intensiv setzen sich seit jeher Anthropologie und Ethnologie, seit einigen Jahrzehnten auch Soziologie, Psychologie und Sprachwissenschaften (vgl. Kutschker/Schmid 2008: 669) damit auseinander. Die Tatsache, dass sich verschiedene Wissenschaftsdisziplinen mit Kultur beschäftigen, führte in der Vergangenheit zu unterschiedlichen Auffassungen darüber, was überhaupt über Kultur zu verstehen ist. Bereits 1952 haben Kroeber und Kluckholn über 150 Definitionen von Kultur gezählt und miteinander verglichen. (Thomas 2005: 21)
Auf eine Aufstellung und einen Vergleich unterschiedlicher kulturanthropologischer Definitionen wird hier bewusst verzichtet. Stattdessen fokussiert diese Arbeit auf die Definitionen von E.T. Hall, Geert Hofstede und Alexander Thomas, deren Theorien gewissermaßen das Standardwissen der Interkulturalisten repräsentieren.
E.T. Hall versteht „Kultur“ als „silent language“ oder eine „verborgene Dimension“ (vgl. Moosmüller 2000: 17). Sie steuert Menschen, ohne dass diese sich dessen bewusst sind. „Die verborgene Seite der Kultur hat die Leute herumgestoßen, sie reagierten harsch auf Verhalten, das einfach nur anders war“ (Hall 1992: 221). Für ihn spielt die Kommunikation als Kulturmerkmal eine wichtige Rolle, so dass er „Kultur“ mit „Kommunikation“ gleichsetzt. “Culture is communication and communication is culture” (Hall 1959: 186).
Geert Hofstede knüpft auf Hall an und definiert Kultur als „collective programming of the mind“, da sie „erlernt und nicht ererbt“ ist:
Kultur ist immer ein kollektives Phänomen, […] sie ist die kollektive Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen von anderen unterscheidet. Dabei versteht man unter einer Gruppe eine Anzahl von Menschen, die Kontakt zueinander haben. (Hofstede 1993: 18f.)
In dem Sinne ist „Kultur“ ein zwischen Gesellschaftsmitgliedern geteiltes Wissen an Standards des Wahrnehmens, Glaubens, Bewertens und Handelns (Goodenough 1957). Es bezieht sich auf Weltbilder, Werte, soziale Normen und Handlungsmuster, die durch nationalstaatliche Grenzen oder eine Menge von konstanten ethnischen Merkmalen wie Rasse, Sprache, Religion usw. von anderen Gesellschaften unterscheidbar ist.
Die weitere Definition, die der vorliegenden Arbeit von Bedeutung ist, stammt aus der Untersuchung von Alexander Thomas. Seine Definition berücksichtigt den Aspekt, wie man die Zusammenarbeit zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen verbessern kann und wie man sich auf eine solche Zusammenarbeit gut vorbereitet. (vgl. Thomas 2005: 21)
Kultur ist ein universelles Phänomen. Alle Menschen leben in einer spezifischen Kultur und entwickeln sie weiter. Kultur strukturiert ein für die Bevölkerung spezifisches Handlungsfeld, das von geschaffenen und genutzten Objekten bis hin zu Institutionen, Ideen und Werten reicht. Kultur manifestiert sich immer in einem für eine Nation, Gesellschaft, Organisation oder Gruppe typischen Orientierungssystem. (ebd.: 22)
Der zentrale Bestandteil dieser Definition ist der Begriff „Orientierungssystem“. Dieses Orientierungssystem wird aus spezifischen Symbolen wie z.B. Sprache, Gestik, Mimik, Kleidung, Begrüßungsritualen, etc. gebildet und nimmt Einfluss auf das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller Mitglieder in einer Gesellschaft. (vgl. Thomas 1996: 112)
In dieser Arbeit wird unter dem Begriff „Kultur“ eine Nationale Kultur verstanden. Auch wenn die Nationalstaaten keine kulturelle Homogenität bieten und den Menschen eines Landes zu Recht oder zu Unrecht bestimmte kollektive Eigenschaften wie etwa „typisch deutsch“ oder „typisch chinesisch“ zugeteilt werden, handelt es sich trotzdem um ein sinnvolles Unterscheidungsmerkmal für Forschungszwecke, da Daten hierfür wesentlich einfacher zu generieren sind als beispielsweise in Bezug auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen oder Regionen innerhalb eines Nationalstaates.
Im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen vorrangig interkulturelle Beziehungen. Diese entstehen, wenn Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen aufeinander treffen, miteinander agieren und kommunizieren. Solche Interaktionen bieten einen hervorragenden Nährboden für Verständigungsschwierigkeiten, womit in diesem Kontext keineswegs die sprachlichen gemeint sind. Als Folge kann das Verhalten des fremdkulturellen Gegenübers falsch gedeutet und die Folgen des eigenen Handelns können nicht realitätsgerecht antizipiert werden. Entsprechend kann es zu Störungen der Kommunikation oder sozialen Konflikten kommen. An den folgenden Beispielen wird diese Problematik sichtbar:
Wenn Ihr japanischer Partner der Meinung ist, dass Ihre Firma den Auftrag schlecht abgewickelt hat, wird er seine Unzufriedenheit nur sehr verdeckt zum Ausdruck bringen. Eine Abkühlung der Geschäftsverhältnisse wird Sie daher wundern, denn Sie haben bei einer dermaßen zurückhaltenden Reaktion nicht mit solchen Folgen gerechnet.
Wenn Ihr spanischer Geschäftspartner zu lange auf seine Entscheidung warten lässt, werden Sie möglicherweise daraus den Schluss ziehen, dass er nicht mehr an einer Kooperation mit Ihnen interessiert ist. Diese Schlussfolgerung kann durch den hohen Wert von Zeit in der deutschen Kultur erklärt werden. Doch sie wird falsch sein, da Zeit von Spaniern nicht also knapp betrachtet wird wie von Deutschen. (Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Berlin e.V.: 2)
By knowing the language of a culture, you know its voice –
by knowing its values, you know it heart.
(Thiedermann, in: Yoosefi/Thomas 2003: 9)
Interkulturelle Kommunikation ist eine relativ neue interdisziplinäre Wissenschaft (vgl. Moosmueller 2000: 15). Kommunikation ist die Bezeichnung für den Austausch einer Information durch soziale Interaktion, wobei bei jedem Kommunikationsvorgang vier Bestandteile unterschieden werden: der Sender (Adressanten) und Empfänger der Information (Adressaten), die Information selbst (Signal) und ein Kommunikationskanal (Decodierungseinrichtungen) (vgl. Fiehler 1995). Außer den verbalen Bestandteilen in der Kommunikation unterscheidet man zusätzlich die nonverbalen und paraverbalen Elemente (z.B. Heringer 2007: 81-104).
Als Bestandteil der internationalen Wirtschaftskommunikation wird interkulturelle Kommunikation durch Probleme der interkulturellen Perzeption und der Rückinterpretation bestimmt. Menschen aus verschiedenen Kulturen können objektiv gleiches Verhalten auf verschiedene Arten wahrnehmen und daraus falsche Schlüsse ziehen. Dies kann oft zum Entstehen von Konflikten sowie zu der Beendigung der Beziehung führen.
Moosmüller (2000: 26) unterscheidet bei der interkulturellen Kommunikation zwischen zwei Handlungskontexten: einerseits der internationale Kontext – dabei bilden zum großen Teil Organisationen, insbesondere multinationale Unternehmen, den Handlungsrahmen – und andererseits der multikulturelle Kontext – dabei geht es vor allem um die Probleme der interkulturellen Kommunikation innerhalb eines Nationalstaats. Im internationalen Kontext kommunizieren typischerweise einzelne Angehörige verschiedener Nationen miteinander. Zu den Standardsituationen gehören hier z.B. die Auslandsentsendung von Mitarbeitern einer Organisation, internationale Verhandlungen und internationale Kooperation in Arbeitsgruppen, was in der vorliegenden Arbeit der Fall ist.
Kulturelle Unterschiede sind der wichtigste Aspekt der interkulturellen Kommunikation. Durch deren systematische Erforschung und Abstrahierung entstehen kulturelle Dimensionen, die kulturelle Werte darstellen. Die kulturvergleichende Forschung beschäftigt sich mit den Fragen, wie nach den universellen Charakteristika von Menschen, kennzeichnenden Merkmalen für kulturelle Gruppen sowie der...