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E-Book

Interkulturelle Teams führen

Diversität intelligent und kreativ nutzen

AutorSonja Andjelkovic
VerlagSchäffer-Poeschel Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl187 Seiten
ISBN9783791040714
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis43,99 EUR
Migration, Digitalisierung, neue Märkte ... Unternehmen müssen sich zunehmend mit Interkulturalität im Management auseinandersetzen. Dabei stellen sich Führungskräfte drängende Fragen: - Wie kann ich Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Background erfolgreich führen? - Wie kann ich Unterschiede als Chancen, Diversität als Wettbewerbsvorteil begreifen und gestalten? - Wie gehe ich mit meinen eigenen Werten, Widersprüchen und kulturellen Erwartungen um?Die Autorin, die u.a. bereits in Afghanistan, Ägypten, Armenien, Georgien, Ghana, Indien, Jordanien, Ruanda, Saudi-Arabien und im Irak gearbeitet hat, macht sich für eine neue Form des interkulturellen Managements stark und zeigt, welche wichtige Rolle Emotionen, Intuition und ko-kreative Prozesse spielen. In ihrem anwendungsorientierten Buch erläutert sie fundiert und humorvoll, wie kulturelle Unterschiede nicht tabuisiert oder in politischer Correctness neutralisiert, sondern angepackt, diskutiert und mit Wertschätzung und Humor kreativ genutzt werden können.

Sonja Andjelkovic, Studium der Geschichts- und Kulturwissenschaften und Ausbildung zum Systemischen Coach, ist als Trainerin für international agierende Organisationen tätig. Arbeitsschwerpunkte sind Trainings in interkultureller Kompetenz, Verhandlungsführung und internationaler Moderation sowie Beratung in der Personal- und Organisationsentwicklung. Eigene interkulturelle Erfahrungen sammelte sie im arabischen Raum, Afrika, Südosteuropa und Asien.

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Leseprobe

2   Was ist Kultur und wozu brauchen wir sie?


Wie schon erwähnt: Kultur ist nicht statisch. Kultur ist ein dynamisches Gebilde, das die Lebenswelten von Menschen gleichzeitig erschafft und von Menschen wiederum erschaffen wird. So wie der Mensch die Kultur braucht, um sich selbst zu begreifen, braucht die Kultur den Menschen, um zum Leben erweckt zu werden.

Quelle: Thomas Andjelkovic

Abb. 2: Kultur ist menschlich

Kultur ist also eine zutiefst menschliche Angelegenheit. Auch wenn wir nicht darüber nachdenken, so prägt uns Kultur bis in den persönlichen Mikrokosmos hinein, aus dem wiederum die nächsten Funken von Kultur nach außen dringen, die andere Menschen anstecken und Neues in die Kultur bringen. Kultur ist also ständig Veränderungen unterworfen und wird permanent angepasst, um die Haltung und das Verhalten von Menschen sich selbst und ihrer Umwelt gegenüber zu gestalten. Der Mensch und seine Umwelt sind also die zwei Größen, die Kultur erschaffen.

Umwelt ist ein großer Begriff und kann alles Mögliche umfassen. Als Beispiel möchte ich die uns umgebende Natur als einen Aspekt von Umwelt aufgreifen und dies als prägenden Faktor für Kultur näher erläutern.

Stellen Sie sich vor, Sie lebten in der Wüste, in der es 50 Grad Celsius heiß wird. Wie wahrscheinlich wäre es, dass Sie eine ausgeprägte Biergarten-Kultur entwickeln würden?

Eher unwahrscheinlich.

Würden Sie große Fenster haben, die viel Sonne in Ihr Wohnhaus lassen? Sie würden sicherlich versuchen, der Sonne zu entkommen.

Also würden Sie die Fenster verdunkeln, verkleinern oder ganz weglassen. Wie würde sich dies auf Ihre Kultur auswirken? Sie würden sicherlich einen stärkeren Fokus auf das Innere Ihres Hauses haben und weniger auf das Äußere. Einen Garten können Sie bei diesen Temperaturen nur sehr mühselig und mit viel Wasser (das Sie vielleicht nicht haben) am Leben halten.

Ich stelle immer wieder erstaunt fest, dass es bei vielen meiner Bekannten und Arbeitskolleg*innen aus heißen Ländern in den Wohnungen picobello aussieht, während draußen Plastikabfall die Baumwipfel und Büsche säumt. Sie finden es zwar nicht schön, nehmen es aber hin, da ihr ästhetischer Schwerpunkt sich auf das bezieht, worin sie überwiegend ihre Zeit verbringen, nämlich in den Häusern - nicht außerhalb. Ein Naturbewusstsein mit allem, was dazugehört, Naturschutz, Mülltrennung, Baumnummerierung, öffentliche Parkanlagen und ihre Pflege empfinden die meisten meiner Bekannten aus sehr heißen Gegenden nicht als ihren Verantwortungsbereich, weil es solches in ihrem Umfeld entweder nicht gibt oder weil es nicht Teil ihres aktiven Lebensbereiches ist. Das wiederum irritiert die Waldliebhaber*innen aus Deutschland, die es nicht nachvollziehen können, wie man die Natur so wenig wertschätzen kann. Das Leben findet eben nicht draußen statt. Auch Sie würden bei 46 Grad Freunde zu sich nach Hause einladen, statt sich mit ihnen im Park zu treffen. Sie würden vielleicht Ihre Gastfreundschaft weiter ausbauen, weil dies eine an dieses Klima angepasste Möglichkeit wäre, Gruppenzusammenhalt, Spaß und Freizeit zu erleben.

Wirtschaft wird selbstverständlich von einer solchen Verbindung zwischen Umwelt und Kultur stark beeinflusst. Während man sicherlich in solch einem Kontext ein erfolgreiches Möbelgeschäft führen und Dienstleistungen für Innendesign anbieten kann, ist der Markt für Rasenmäher eher bescheiden. Um sich vor der starken Sonneneinstrahlung zu schützen, werden Sie auch eher den Körper bedeckende Kleidung anziehen und vielleicht auch einen Hut oder ein Tuch auf dem Kopf tragen, um keinen Sonnenstich zu bekommen, Sie werden sich eher langsam bewegen, um nicht zu stark zu schwitzen, und wenn Sie rausgehen, dann nicht um die Mittagszeit. Das bedeutet auch, dass Sie anders mit Zeit und Raum umgehen, was wiederum Ihre Produktivität und Leistung beeinflusst.

Sie werden dann über kurz oder lang Dinge, Menschen und Situation anhand Ihrer eigenen Lebenserfahrung und Kultur bewerten. Das, was Ihnen bekannt vorkommt und womit Sie sich identifizieren, werden Sie positiv empfinden (zum Beispiel, dass man gesellig und gastfreundlich sein sollte), das, was Ihnen fremd ist, werden Sie negativ bewerten (zum Beispiel zu viel nackte Haut). Ob das nun in einem anderen Kontext als Ihrem eigenen Sinn macht oder nicht - Sie bewerten auf Grundlage dessen, was in Ihrer Kultur als sinnvoll erscheint und sich bewährt. Wenn Sie nun auf fremde Kulturen treffen, verstehen Sie diese erst einmal nicht, kennen deren Hintergrund nicht und da Sie keine Resonanz zu Ihrer Lebenswelt herstellen können, ist das erst einmal eine andere Kultur, aber vermutlich auch eine, die Ihnen in vielen Aspekten gar nicht zusagt. Das heißt, Sie bewerten sie, und zwar ganz unbewusst. Die Bewertung erschafft dann Sichtweisen, Haltungen und den Umgang mit anderskulturellen Menschen, die diesen eben nicht immer gerecht werden. Wir haben es leider nicht zu unserer Gewohnheit gemacht, Beobachtung und Bewertung voneinander zu unterscheiden.

Neulich in der Türkei hörte ich zufällig ein Gespräch mit. Eine Frau sagte zu ihrem Mann: „Die Türkei ist ja ganz schön, aber es sind so viele Türken hier.“ Es fällt mir zugegebenermaßen schwer, diesen Satz ohne Wertung zu hören. Ich werte ihn als chauvinistisch. Dennoch drückt der Satz gut aus, was ich mit Beobachtung und Bewertung meine. Das Wort „aber“ macht den ganzen Unterschied. Wenn man „und“ einfügen würde, könnte man denken, sie meint das durchaus positiv.

Tipp:
Beobachten statt bewerten

Wenn Sie auf unterschiedliche Kulturen treffen, versuchen Sie zu beobachten statt zu bewerten. Nutzen Sie „und“ statt „aber“, wenn Sie über die Kultur sprechen.

Quelle: Thomas Andjelkovic

Abb. 3: Beobachten statt bewerten

Der Mensch als zweite Größe, die Kultur erschafft, ist extrem vielfältig und ich kann unmöglich alle Spielarten dessen beschreiben, was die individuelle Kultur eines Menschen prägt und beeinflusst. Menschen erschaffen beständig Neues, auch wenn sie es nicht bewusst und absichtsvoll tun. Sie vermitteln ihre Kultur in ihren Handlungen, in der Interaktion mit anderen und lassen sich von ihnen beeinflussen. Das heißt, Kultur entsteht nicht in einem Vakuum, sondern in einem Raum, in dem Menschen permanent miteinander Kultur aushandeln. Da wir also keine isolierten Individuen sind, bedeutet Identität also mehr als nur das Persönliche. Vielmehr haben wir ebenso eine soziale Identität, die sich anhand von Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, z. B. einem Verein, einer Partei, einer Konfession oder Berufsgruppe ausbildet. (Rez et al. 2016, S. 32–33)

Kultur ist also nicht nur auf die Herkunft bezogen, sondern auch auf Subkulturen, die einen Menschen sehr stark prägen können. Die Herkunft und die Familie sind die wichtigsten Prägungen, die primäre Sozialisation, während spätere Einflüsse durch anderer Menschen, die Gesellschaft und verschiedene Umstände die sekundäre Sozialisation ausmachen. Diese ist veränderbar und gestaltbar (Strauss 1974; Berger et al. 2016), während die Primärsozialisation die stärkste Werteorientierung vorgibt.

Quelle: Thomas Andjelkovic

Abb. 4: Mensch und Kultur

Wenn sich die Lebensumstände ändern, ändert sich auch die Kultur der Betroffenen. Besonders interessant ist das zu beobachten, wenn Menschen migrieren und sich mit neuen Kulturen auseinandersetzen, diese inkorporieren, sich verändern und Neues kreieren. Dazu mehr in den folgenden Kapiteln.

Wozu brauchen wir Kultur eigentlich?

Kultur ist eine coping strategy.

Wenn wir nicht gerade über Schöngeistiges sprechen (wie Musik oder Literatur, was unter dem Sammelbegriff Kultur ebenfalls verstanden wird), dann ist Kultur ein Weg, mit dem zurechtzukommen und das für sich positiv zu gestalten, was man in seiner Umgebung (und in sich selbst) vorfindet, übernimmt und nutzt. Wenn Sie das coping-strategy-Argument verwenden, dann werden Sie mit mehr oder weniger emotionalen Äußerungen konfrontiert sein. Denn Menschen sehen Kultur als Teil ihrer Identität und zwar auch einer unantastbaren Identität, die nichts mit ihren Alltagshandlungen zu tun hat. Eine sachliche Betrachtung von Kultur wird in der Regel abgelehnt. Warum? Weil die Beschreibung der eigenen Kultur von jemandem außerhalb dieser Kultur als Kritik und sehr schnell als Herabwürdigung verstanden wird. Auch wenn sie so nicht gemeint war, kann das Hinterfragen gewisser, uns nicht bewusster Handlungen und Haltungen uns sehr stark verunsichern und irritieren. Kritik aus eigenen Reihen an der eigenen Kultur kann an den Extrempolen der Gesellschaft einerseits als Verrat oder aber andererseits als oberste Pflicht gedeutet werden.

Beide Haltungen wiederum speisen eine bestimmte sozio-politische Kultur und erschaffen Neudeutungen von Kultur und ihrer Konsequenz, der Tradition, die dann später niemand mehr hinterfragt. Die Nicht-Polarisierung der Kultur, also der gesunde Mittelweg (eine Art große Koalition), hält alles in einem relativ stabilen Gleichgewicht. Das ist aber nicht lange möglich. Es macht handlungsunfähig und entscheidungsunfreudig (kommt Ihnen das irgendwoher bekannt vor?) und führt zu Kompetenzverlusten, mangelnder Kreativität und sinkender Innovationsfähigkeit. Denn der Charakter von Kultur ist – wie schon oben erwähnt – dynamisch, veränderbar und darauf aus, das Alte...

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