Um Identität näher zu erläutern, wird zunächst auf die allgemeine Definition des Identitätsbegriffs eingegangen.
Für den Begriff Identität bestehen mehrere Definitionen, wobei es auf den Kontext ankommt, in dem er genutzt wird. Das Wort Identität hat ihre Wurzeln in der Antike und stammt aus dem lateinischen Wort „idem“ = dasselbe. Ursprünglich bedeutet das Wort auf wesensgleiche Übereinstimmung, Gleichheit oder Artgleichheit (vgl. Walkenhorst 1999). Im Allgemeinen kann unter Identität ein umfassender Begriff für persönliche Eigenschaften, Fähigkeiten, Ressourcen, und Besonderheiten verstanden werden. Zudem ist Identität die Gleichheit mit sich selbst, welche mit der ursprünglichen Begriffsdefinition übereinstimmt (vgl. Der Brockhaus 2002, S. 401). Da jeder Mensch einzigartig ist, sind seine Merkmale individuell verschieden und dienen zu seiner Identifizierung bzw. Unterscheidung. Zur Wortbedeutung von Identität gehören auch Begriffe wie Identifizieren und Identifikation, die als Synonym für Wiedererkennung und Übereinstimmung verwendet werden.
Zu den genannten Begriffen, welche kennzeichnend für die individuelle Persönlichkeit sind, wird Identität in der Entwicklungspsychologie wie folgt definiert: „Identität unterscheidet zwischen objektiv vorhandenen Merkmalen und dem subjektiven Bewusstsein dieser Merkmale.“ (Krenz 2007, S. 25). Schulte sieht diesbezüglich Ähnlichkeiten in der Identität und Kultur. „In ähnlicher Weise wie Kultur ist auch Identität als ein historisch- gesellschaftliches Phänomen und als ein dynamischer, in vielfältiger Weise bedingter, aber auch beeinflussbarer Prozess zu begreifen“ (Schulte 1990, S. 23).
Im Weiteren wird die Identität nach Erikson dargestellt und in Bezug auf das Arbeitsthema erläutert.
Es bestehen einige Ansätze zur Identitätsentwicklung, wovon der Ansatz Eriksons der Bekannteste ist. Erik Homburger Erikson wurde in der Nähe von Frankfurt im Jahr 1902 geboren, war Psychoanalytiker und Vertreter der Ich-Psychologie aus der Psychoanalyse. Er wird auch als „Neufreudianer“ bezeichnet, da er das Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung von Freud weiterentwickelte. Er wurde unter anderem durch das Modell bekannt, in dem er die Entwicklung des Menschen von seiner Geburt bis zum Tod in acht Phasen gliederte. Hierbei beschreibt er entwicklungsspezifische Krisen, die ein Mensch in diesen acht Phasen durchläuft. Die Auseinandersetzung dieser Krisen prägt demnach den weiteren Entwicklungsverlauf (vgl. Bamler, Werner, Wustmann 2010, S. 42). Das Individuum befindet sich in einer ständigen Wechselwirkung mit sich und seiner Umgebung, wobei Interaktionen sowie Beziehungen eine elementare Rolle spielen.
„Das bewusste Gefühl, eine persönliche Identität zu besitzen, beruht auf zwei gleichzeitigen Beobachtungen: der unmittelbaren Wahrnehmung der eigenen Gleichheit und Kontinuität in der Zeit, und der damit verbundenen Wahrnehmung, dass auch andere diese Gleichheit und Kontinuität erkennen“ (Erikson 1991, S. 18).
Im Folgenden werden die Phasen nach Erikson genannt und die für diese Arbeit relevanten Phasen aufgeführt. Das Stufenmodell von Erikson basiert auf Freuds Dreiphasentheorie. Im Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung ist die menschliche Entwicklung in acht Phasen gegliedert:
1. Phase (1. Lebensjahr) – Urvertrauen vs. Urmissvertrauen
2. Phase (2 bis 3 Jahre) – Autonomie vs. Scham und Zweifel
3. Phase (4 bis 5 Jahre) – Initiative vs. Schuldgefühl
4. Phase (6 bis 13 Jahre) – Werksinn vs. Minderwertigkeit
5. Phase (13 bis 18 Jahre) – Identität vs. Identitätsdiffusion
6. Phase (19 bis 25 Jahre) – Intimität vs. Isolierung
7. Phase (26 bis 40 Jahre) – Generativität vs. Stagnation
8. Phase (ab 41 Jahre) – Integrität vs. Verzweiflung und Lebensekel (vgl. Erikson 1991)
Erik H. Erikson war der Überzeugung, dass der Mensch damit konfrontiert sei, zu jeder Entwicklungsphase, welche er durchläuft, eine bestimmte psychosoziale Krise zu bewältigen. Diese zentralen Krisen kommen in bestimmten Entwicklungsphasen zum Vorschein, welche jeweils nacheinander gelöst werden müssen, da sie sonst Folgen für die nächste haben. Zunächst geht es um die Entwicklung von körperlichen Eigenschaften von Kindern. Parallel dazu entwickelt sich auch das offene Verhalten zu anderen. Ihr Selbstkonzept verändert sich mit dem Alter. Im Gegensatz zu Älteren, können kleine Kinder ihre Fähigkeiten noch nicht einschätzen. Sie überschätzen diese Fähigkeiten aufgrund ihres positiven Selbstbildes. Durch ihre allgemeinen Fähigkeitsniveaus können ältere Kinder ihre Stärken und Schwächen realistischer einschätzen. Je älter die Kinder werden, umso komplexer, kontextabhängiger und abstrakter werden ihre Vorstellungen über sich selbst, wobei sie die Wahrnehmung von anderen erst mit der Zeit miteinbeziehen. Erst ab der späteren Adoleszenz und dem nachfolgenden frühen Erwachsenenalter, etablieren sich Selbstkonzepte bedeutender. Im mittleren Jugendalter setzen sie sich mit sich selbst auseinander und beschäftigen sich mit den quälenden Fragen „Wer bin ich“ und „was halten andere von mir?“. Erikson betont besonders die Phase der Adoleszenz, welche zwischen Identität und Rollendiffusion stattfindet. Dieser Prozess ist kreativ, wobei Jugendliche unterschiedliche Identitäten ausprobieren, um dadurch eigene Standpunkte in verschiedenen Bereichen wie Beruf, Sexualität und Ideologie zu entwickeln und sich mit ihren eigenen Fähigkeiten und den Erwartungen der Gesellschaft auseinandersetzen, um so eine eigene Ich-Identität zu erlangen. Dies macht einen Menschen in seinem weiteren Leben handlungsfähig, wobei die Art und Weise einer Identitätskonstruktion neben den Aspekten wie Familie und Kultur, von vielen weiteren Faktoren beeinflusst wird. Um die Phase der psychosozialen Krise zu überwältigen, benötigt das Individuum eine beidseitige Anerkennung von Gesellschaft und Individuum, wobei sich das Individuum als ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft wahrnimmt (vgl. Siegler, DeLoache, Eisenberg 2005, S. 618).
Bei einem Nicht-Lösen dieser elementaren Aufgabe, kommt es nach Erikson zu einer Identitätsdiffusion, wodurch das Lösen der anstehenden Phasen in Gefahr treten. Ein eigenes Identitätsgefühl bekommt das Kind, wenn es feststellt, dass es ein Individuum ist, der sich mit eigenen Gedanken und Erinnerungen von seiner Umwelt unterscheidet (vgl. Erikson 1991).
1. Ur-Vertrauen gegen Ur-Misstrauen (erstes Lebensjahr)
Jede Phase hat eine bestimmte Entwicklungsaufgabe. Bei dieser ersten Phase geht es um das Entwickeln eines Urvertrauens, welches mit der freudschen oralen Phase gleichzustellen ist und etwa das erste Lebensjahr umfasst. Das Urvertrauen ist elementar für eine gesunde Persönlichkeit und entwickelt sich durch das Sicherheitsgefühl des Kindes. Es muss sich auf die Mutter (Bezugsperson) verlassen können und sich in Sicherheit fühlen. Muss das Kind auf diese elementare Sicherheit verzichten, wird das Vertrauen verletzt und es entwickelt ein Ur-Misstrauen. Hieraus können Ängste wie verlassen zu werden, entstehen. Diese Entwicklungsphase wurde nach der Körperstelle ernannt, die den stärksten Bedarf nach physischer Befriedigung hat, die „orale Phase“ (vgl. Siegler, DeLoache, Eisenberg 2005, S. 476-477).
Diese erste Phase kann die Grundlage für religiöse Erziehung bilden. Das Urvertrauen, welches für die Entwicklung einer gesunden Persönlichkeit und das Sicherheitsgefühl des Kindes elementar ist, bildet sich durch die Wärme, Liebe, Nähe und den Schutz der Mutter (Bindungsperson) heraus. Dieses Ur-Vertrauen kann auch die Grundlage zur Bindung zu Gott sein. „Mit den Begriffen Grundvertrauen und Identität hat Erikson das psychologische und (religions-) pädagogische Denken nachhaltig beeinflusst“ (Schweitzer 2010, S. 60). Eine gesunde Bindung zu Gott kann das Gefühl geben, durch seinen Schutz überall in Sicherheit zu sein. „Gibt es in dieser Welt eine Liebe, auf die ich mich letztlich verlassen kann, oder gibt es sie nicht?“ (Schweitzer 2005, S. 15). Nach Schweitzer stellt sich das Kind diese Frage, worauf es durch die religiöse Erziehung die Gottesliebe, als Antwort erfahren kann.
2. Autonomie gegen Scham und Zweifel (zwei bis drei Jahre).
In dieser Phase findet die Reifung der Muskelsysteme statt. Die Sauberkeitserziehung prägt diese Phase, worin das Kind durch Experimentieren lernt seinen Ausscheidungsvorgang zu steuern. Diese Selbstbeherrschung entwickelt es ohne das Selbstwertgefühl zu verlieren. Es entwickelt Scham und Zweifel, wenn es hierbei nicht selbstständig sein kann. Dieser Konflikt ist nach Erikson „Autonomie gegen Scham und Zweifel". Eltern können diesen Prozess durch ihr Eingreifen negativ oder positiv beeinflussen. Wenn sie beispielsweise öfter als...