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E-Book

Intimität und Verlangen

Sexuelle Leidenschaft in dauerhaften Beziehungen

AutorDavid Schnarch
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl487 Seiten
ISBN9783608101911
FSK18
Altersgruppe18 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Auch Paare, die eine gute und lebendige Beziehung führen, kennen sie: die Langeweile im Bett, das schwindende Verlangen nach dem Partner. Müssen wir uns damit abfinden? Ist das der Preis für eine verlässliche und monogame Bindung? David Schnarch, Pionier der Sexualtherapie, verneint die Frage vehement und entfaltet hier seine in zahllosen Paartherapien beobachteten neuen Erkenntnisse: Sexuelles Verlangen entsteht im Kopf und hängt mit allen Verhaltensmustern in einer Beziehung zusammen. Mehr über unsere Sexualität zu wissen bedeutet, die Dinge ändern zu können: Mehr Nähe, tieferes Empfinden und eine erfüllende Sexualität sind möglich.

David Schnarch galt als der führende Sexualtherapeut in den USA, wo er durch seine Publikationen, seine Radiosendungen und zahlreichen Vorträge einen hohen Bekanntheitsgrad erreichte. Er war Klinischer Psychologe, war Professor für Urologie an der Louisiana State University und Direktor des »Marriage and Family Health Centre« in Colorado. Am 8. Oktober 2020 ist er an einem Herzinfarkt verstorben. In Europa gilt er als »einer der richtungsweisenden Sexualtherapeuten« der Gegenwart (Ulrich Clement).

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Leseprobe

1.  Es gibt immer einen Partner mit schwachem Verlangen, und dieser kontrolliert immer den Sex

Haben Sie Probleme mit Ihrem sexuellen Verlangen? Die haben früher oder später die meisten Paare. Sie zählen zu den häufigsten Sexualproblemen.

Haben Sie jemals daran gedacht, dass dies auch Ihnen passieren könnte? Die meisten Menschen tun das nicht. Wie sollten Sie auch auf den Gedanken kommen, dass Ihr Begehren so nachlassen könnte, wo Sie doch zu Beginn Ihrer Beziehung buchstäblich kaum »voneinander lassen« konnten? Wie konnte es dazu kommen, obwohl Sie noch relativ jung sind (oder sich zumindest so fühlen)? Warum ist sexuelle Lustlosigkeit so verbreitet? Warum ist es so schwer, etwas daran zu verändern? Warum stellt sich früher oder später bei fast jedem ein Problem ein, von dem alle glauben, es werde sie nie treffen? Ist dies der unvermeidliche Preis einer langjährigen Beziehung? Bedeutet es, dass Menschen generell nicht für die Monogamie geschaffen sind?

Falls Sie von zahllosen Fragen und Problemen gequält werden und Ihnen weder Antworten noch Lösungen in den Sinn kommen, befinden Sie sich in guter und vor allem zahlreicher Gesellschaft.

Die Geschichte von Brett und Connie

Paare wie Connie und Brett sind oft untröstlich, demoralisiert und hoffnungslos, wenn sie zur Behandlung kommen. Brett war von den beiden der Partner mit starkem Verlangen. Seiner Meinung nach wollte Connie keinen Sex. Connie war die Partnerin mit dem schwachen Verlangen. Sie hielt Brett für sexbesessen.

Bretts und Connies Positionen hatten sich im Laufe der Zeit polarisiert, und die Spannungen zwischen ihnen waren immer stärker geworden. Brett beklagte sich bitterlich darüber, dass er seine wunderschöne Frau nicht berühren dürfe. Er fand es unfair, dass es zwischen ihnen nur zum Sex komme, wenn sie dies wolle. Wo blieben da seine Wünsche und Bedürfnisse? Brett fand, Connie halte beim Sex »den Daumen drauf« und kontrolliere ihn auf diese Weise. Er meinte außerdem, in ihrer Beziehung »laufe« generell nur das, was sie wolle, und das gelte keineswegs nur für Sex.

Connie bezeichnete Brett als rücksichtslos, weil er sie ständig zum Sex zu drängen versuche. Seinen Vorwurf, sie dominiere die Beziehung, bezeichnete sie als Unsinn. Falls es tatsächlich so sei, dass immer nur geschehe, was sie wolle, wie könne es dann sein, dass sie sich ständig gedrängt fühle, Dinge so zu tun, wie er es wolle? Connie erklärte, Brett sei genauso wie viele andere Männer: Ihm gehe es nur um Sex.

Brett und Connie hatten schon einmal versucht, ihre Probleme mit Hilfe eines psychologischen Beraters zu lösen, doch das war fehlgeschlagen. Nun fürchteten sie, es werde ihnen mit mir wieder so ergehen. Connie sorgte sich, ich könnte meinen, mit ihr sei irgendetwas nicht in Ordnung. Brett betrachtete mich mit Argusaugen, um auch nur das geringste Anzeichen dafür zu entdecken, dass er unfair behandelt würde. Es ist schwierig, nicht defensiv zu reagieren, wenn man glaubt, man werde als »sexuell unzulänglich« oder gar »sexfeindlich« beurteilt.  

Sex ist keine »natürliche Funktion«

Es ist völlig normal, dass man sich nicht gut fühlt, wenn sexuelle Wünsche ausbleiben. Wahrscheinlich halten Sie Sex für eine natürliche Funktion. Die meisten Menschen glauben, sexuelles Verlangen stelle sich bei gesunden Menschen, die einander lieben, automatisch ein. Und tatsächlich liegt es nahe, dies für eine gesunde und aufgeklärte Einstellung zu halten – für einen Ausdruck des gesunden Menschenverstandes.

Doch wenn Sie glauben, sexuelles Verlangen melde sich »natürlich«, handeln Sie sich damit eine Menge Probleme ein: Es kann Sie unter Druck setzen, ständige Leistungsfähigkeit auf diesem Gebiet unter Beweis zu stellen. Vielleicht verlieren Sie auch den Mut oder fühlen sich sogar minderwertig, unzulänglich oder »krank«. Zudem bringt das Gefühl der Unzulänglichkeit Sie dazu, sich mit Ihren sexuellen Problemen entweder gar nicht zu beschäftigen, oder Ihre Bemühungen sind aufgrund Ihrer Haltung vermutlich zum Scheitern verurteilt.

Wenn Sie Sex für eine »natürliche Funktion« halten, macht Ihnen die Rolle des »Partners mit dem schwächeren Verlangen« sicher keine Freude. Sie sehen sich dann als »denjenigen, der das Problem hat«. Und Ihr verlangensstärkerer Partner sieht Sie wahrscheinlich genauso. Sie fühlen sich »defekt« und unzulänglich. Niemand möchte der Partner mit dem schwächeren sexuellen Verlangen sein.

Allerdings ist es auch nicht gerade spaßig, der Partner mit dem stärkeren Verlangen zu sein. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man ihn für den »gesunden« und den faktischen »Sex-Experten« in der Beziehung halten. Alles sieht danach aus, als hätte der verlangensstärkere Partner »kein Problem«. Weil der andere Partner so sehr in sein Gefühl, unzulänglich zu sein, verstrickt ist, bekommt er gar nicht mit, dass sich der verlangensstärkere Partner oft genauso fühlt wie er: Denn wenn Sie liebevoll, attraktiv und sexy sind, welchen Grund könnte Ihr Partner dann haben, Sie nicht völlig selbstverständlich zu wollen?

Sieht man das sexuelle Verlangen als einen natürlichen biologischen Trieb an, schafft man noch ein anderes Problem: Es ist schwierig, selbst Sex zu wollen, wenn man das Gefühl hat, der Partner wolle nur »seine körperlichen Bedürfnisse befriedigen« – etwa so, wie man sich kratzt, wenn’s einen juckt. Zu glauben, Sex sei eine »natürliche Funktion«, hat aber noch weitere negative Auswirkungen: Diese Auffassung erzeugt nämlich solche Probleme geradezu, weil sie das sexuelle Verlangen als unpersönlich hinstellt.

»Just do it!« empfiehlt sich nicht

Eine andere Theorie, die alles nur noch schlimmer macht, ist die Ermunterung »Tu’ es einfach!«. Brett hatte zu Connie immer wieder gesagt: »Tu’ es einfach!« Aber das hatte beide nicht weitergebracht. Und Connie hatte sogar selbst immer wieder versucht, sich einzureden: »Tu’ es einfach!«, ebenfalls ohne Erfolg. Wenn Experten ständig ihr anfeuerndes »Tut es einfach!« vom Stapel lassen – was sie ziemlich oft tun –, ist es eigentlich nicht überraschend, dass Therapien so häufig misslingen.

Der Therapeut, bei dem Connie und Brett vorher gewesen waren, hatte beiden als Hausaufgabe »Berührungsübungen« empfohlen. Connie hatten diese Übungen nicht zugesagt, und vor allem hatte ihr nicht gefallen, dass jemand ihr vorschrieb, was sie tun sollte. Auf ihren Einwand hin gab der Therapeut ihr den Rat, die Übungen auch auszuführen, wenn sie dies nicht wolle. Vielleicht bekomme sie ja Lust auf Sex, wenn die Berührungen sie erst einmal erregt hätten. Um seine Empfehlung zu unterstreichen, führte der Therapeut an, es gebe wissenschaftliche Untersuchungen, aus denen hervorgehe, dass Sex die Hormonproduktion anrege und diese die chemischen Prozesse im Gehirn so beeinflusse, dass man Sex wolle. Diese Entwicklung werde initiiert, wenn Connie »es« einfach tue, und sie brauche sich dann nicht mehr zu zwingen. Der Therapeut hatte dem Paar außerdem zu möglichst häufigem Sex während der nächsten beiden Wochen geraten, auch wenn Connie dies nicht wolle. Vielleicht werde sie zu ihrer eigenen Überraschung erleben, dass es ihr gefalle, und vermutlich werde sie sich schon allein deshalb besser fühlen, weil sie Brett stärker entgegenkomme.

Connie erklärte mir ohne Umschweife, diese Art, mit dem Problem umzugehen, gefalle ihr nicht. Die Methode habe ihr überhaupt nicht geholfen, und sie sei nicht mehr bereit »es einfach zu tun«, falls auch ich ihr dies empfehlen würde. Ich versicherte ihr, mir sei schon vor 30 Jahren klargeworden, dass die »Tu’ es einfach!«-Methode problematisch sei. Diese war im Rahmen der allerersten Bemühungen von Ärzten und Psychotherapeuten entstanden, Probleme des sexuellen Verlangens zu behandeln. Den vielen Klienten, denen die empfohlenen Berührungsübungen nicht gefielen, wurde einfach gesagt: »Tun Sie es trotzdem!« Die damaligen Kliniker dachten keinen Augenblick lang darüber nach, was es bedeutete, einen Partner mit schwachem Verlangen zu sexueller Aktivität aufzufordern, obwohl er dies gar nicht wollte – was manchmal sogar darin gipfelte, dass Klientinnen zum Sex mit einem Partner aufgefordert wurden, den sie nicht mochten! Man empfahl dem verlangensschwachen Partner dann, sich auf die eigenen sexuellen Empfindungen zu konzentrieren und sich vorzustellen, er sei mit einer anderen Person zusammen.1

Ich erklärte Connie, dass Therapeuten, Ärzte und Priester den Just-do-it-Ansatz schon entdeckt hätten, als noch niemand daran dachte, ihn zum Werbeslogan für Sportschuhe zu machen. Doch Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Beziehungssituation vieler Paare nach Abschluss einer Just-do-it-Therapie nicht verbesserte. Bei einigen lebte der Sex zwar kurzfristig auf, doch kam es dadurch nicht zu einer generellen Stärkung des sexuellen Verlangens. Die meisten waren nach spätestens zwei Jahren wieder genau an dem Punkt, an dem sie vor Beginn ihrer Therapie gestanden hatten.2 Diese Situation stand mir sehr klar vor Augen, als ich vor drei Jahrzehnten den Crucible®-Ansatz entwickelte, den ich später in diesem Buch eingehender erläutern werde.

Ich nannte Connie noch weitere Gründe dafür, dass ich sie nicht mit »Just do it!« unter Druck setzen würde. Erstens wollte ich vermeiden, dass ihr grundlegendes Reaktionsschema »Sag mir nicht, was ich tun soll!« aktiviert würde. Zweitens sei ich nicht der Auffassung, dass mit ihrem Verlangen...

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