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IPOs an der Frankfurter-Wertpapier-Börse. Kritische Analyse des Underpricing-Phänomens

AutorIrini Varvouzou
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl117 Seiten
ISBN9783656677710
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich BWL - Bank, Börse, Versicherung, Note: 1,7, FOM Essen, Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Hochschulleitung Essen früher Fachhochschule, Sprache: Deutsch, Abstract: Der Gang an die Börse stellt für viele Unternehmen eine Option dar ihre Unternehmensziele zu realisieren. So können auf diesem Wege Nachfolgeproblematiken gelöst, die Reputation des Unternehmens gesteigert oder eine Unabhängigkeit von Fremdkapitalgebern erzielt werden. Insbesondere stellt jedoch der Bedarf an kontinuierlichem Wachstum, der sich aufgrund der Globalisierung und der sich immer weiter steigernden Anforderungen der Märkte, zum primären Ziel der Unternehmen entwickelt hat, das Hauptmotiv für eine Notierung an der Börse dar. Probleme einer geringen Innenfinanzierungskraft oder Restriktionen in der Kapitalbeschaffung durch Kreditinstitute, werden dadurch Abhilfe geschaffen. Die Umwandlung in eine Publikumsgesellschaft und der damit einhergehende Verkauf der Unternehmensanteile an die Öffentlichkeit, ermöglicht ihnen die erwirtschafteten Erlöse für ihre Investitionen einzusetzen und somit innovativ und wettbewerbsfähig zu sein. In diesem Zusammenhang ist die Festsetzung eines adäquaten Emissionspreises das zentrale Kernelement eines IPOs, da er über die Höhe des erzielten Emissionserlöses und folglich dem Ausmaß der Investitionstätigkeiten entscheidet. Auf den Kapitalmärkten wird seit vier Jahrzehnten beobachtet, dass dieser von den Unternehmen geforderte Preis jedoch deutlich unter dem ersten Börsenkurs liegt. Diese positive Abweichung zwischen dem Emissionspreis und dem ersten Sekundärmarktkurs wird in der Finanzliteratur als Underpricing bezeichnet. Für die Investoren impliziert das Underpricing das Erzielen einer positiven Zeichnungsrendite und somit einen Vermögenszuwachs. Die Unternehmen erfahren hingegen eine Vermögensminderung. Ihnen entgeht durch das Underpricing wichtiges Eigenkapital, welches sie für ihre Investitionen hätten nutzen könnten. Auf dem deutschen Kapitalmarkt betrug dieser Vermögensverzicht zuletzt mehr als 9,5 Mrd. Euro. Daraus ergibt sich die Frage, wieso die Unternehmen auf solch hohe Emissionserlöse verzichten. Mit der Beantwortung dieser Frage haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Wissenschaftler beschäftigt und potentielle Erklärungstheorien entwickelt. [...]

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Leseprobe

3. Kapitalmarktanomalien bei IPOs


 

3.1. Underpricing-Phänomen


 

Wie bereits zu Beginn dieser Thesis erwähnt, werden seit den 70er Jahren auf den Finanzmärkten im Rahmen von Börsengängen Renditenanomalien beobachten, die sich in Form einer positiven Abweichung zwischen dem Emissionskurs und dem ersten Börsenkurs wiederspiegeln. Das Underpricing-Phänomen stellt eine solche Art der Abnormität dar. Für diesen Effekt existieren in der Literatur zahlreiche Definitionen, eine einheitliche Begriffsbestimmung ist jedoch nicht vorhanden. Da das Ziel nicht die Auflistung zahlreicher Begriffsauslegungen ist, wird die in der Wissenschaft dominierende Definition des Terminus Underpricing aufgeführt.[39]

 

Nach gängiger Auffassung beruht das Underpricing von IPOs auf der unterschiedlichen Bewertung derselben Finanzierungstitel auf dem Emissions- und Anschlussmarkt. In diesem Zusammenhang ist eine positive Differenz zwischen dem ersten Sekundärmarktkurs und dem Primärmarktkurs einer Aktienerstemission zu beobachten. Vereinfacht ausgedrückt; der Emissionspreis liegt unter dem Börsenpreis des ersten Handelstages. Die sich daraus ergebende positive prozentuale Differenz stellt die Emissionsrendite bzw. Underpricing dar. Bei dessen Ermittlung stößt man in der wissenschaftlichen Literatur auf verschiedene Kurse, die als Vergleichswerte dem Emissionskurs gegenübergestellt werden. So nutzen manche Autoren den ersten Schlusskurs, um die Zeichnungsrendite zu berechnen, während andere sich an dem Eröffnungskurs orientieren. Im Rahmen dieser Arbeit wird für die in Kapitel 4 folgenden empirischen Analysen der Eröffnungskurs zur Bestimmung der Emissionsrendite bzw. Underpricing herangezogen. Die Literatur unterscheidet des Weiteren zwischen dem ex-post und dem ex-ante Underpricing. Während das ex-post Underpricing die Differenz zwischen dem tatsächlich realisierten ersten Börsenkurs und dem Ausgabekurs bezeichnet, stellt das ex-ante Underpricing die Differenz zwischen dem rational zu erwartenden Börsenkurs und dem Ausgabepreis dar. Im Rahmen dieser Arbeit wird diese Differenzierung nicht vorgenommen, sondern unter dem allgemeinen Begriff Underpricing subsummiert.[40]

 

Das Underpricing hat für die in Subkapitel 2.1. genannten Hauptakteure unterschiedliche Implikationen. So erzielen Investoren, denen Aktien zum niedrigen Emissionspreis zugeteilt werden, durch den höheren Sekundärmarktkurs einen Zeichnungsgewinn. Sie sind demnach an einem hohen Underpricing interessiert. Für Emittenten bedeutet das Underpricing jedoch das Erzielen eines suboptimalen Emissionserlöses. Ihnen entgeht durch den niedrigen Emissionspreis auf dem Primärmarkt und dem höheren Verkaufspreis auf dem Sekundärmarkt wichtiges Kapital, welches sie für operative Zwecke hätten nutzen können. Folglich zählt das Underpricing, wie bereits in Subkapitel 2.2.3. erwähnt, zu den Opportunitätskosten eines IPOs. Das Interesse der Emittenten liegt demzufolge darin, das Underpricing zu minimieren. Die Emissionsbank fungiert als Finanzintermediär zwischen dem Emittenten und den Investoren und hat demnach die Aufgabe beide Parteien zufriedenzustellen. Dies beinhaltet die Erzielung eines hohen Emissionserlöses im Sinne des Emittenten sowie die Erzielung einer hohen Emissionsrendite im Interesse der Investoren. Das Underpricing impliziert für die Emissionsbank demnach einen Interessenskonflikt, da ein maximaler Emissionserlös durch ein hohes Underpricing nicht erreicht wird. Auf der anderen Seite kann sie allerdings auch keine hohen Zeichnungsgewinne erzielen, wenn das Underpricing zu gering ausfällt. Beides würde, wie im Laufe der Arbeit noch ausführlich erläutert wird, zum Marktanteils- und Reputationsverlust der Emissionsbank führen. Sie ist demnach bestrebt ein Underpricing zu erzielen, welches im Interesse beider Parteien ist.[41]

 

3.2. Empirische Evidenz zum Underpricing-Phänomen


 

Das Underpricing-Phänomen wurde erstmals 1969 von Reilly/Hatfield auf dem US-amerikanischen Markt empirisch nachgewiesen. Für den deutschen Kapitalmarkt wurden erste empirische Studien zum IPO-Underpricing erst Ende der 80er Jahre veröffentlicht.

 

Zu den Wissenschaftlern, die sich mit dieser Thematik auf dem deutschen Kapitalmarkt auseinandersetzen, zählen Schmidt et al., Wasserfallen/Wittleder sowie Uhlir. Erst genannte Autoren analysieren zwischen 1984 und 1985 insgesamt 32 Börsengänge und stellen ein durchschnittliches Underpricing i.H.v. 20,62% fest. Wasserfallen/Wittleder untersuchen 92 IPOs während des Zeitraums 1961 bis 1987. Sie identifizieren eine durchschnittliche positive Emissionsrendite i.H.v. 17,58%. Die Datenbasis von Uhlir erstreckt sich über 97 Neuemissionen und umfasst den Untersuchungszeitraum 1977 bis 1987. Er attestiert ein durchschnittliches Underpricing i.H.v. 21,46%. Weitere Autoren, die das Phänomen des Underpricing empirisch nachweisen, sind Göppl/Sauer, Hansson/Ljungqvist, Kaserer/Kempf, Ljungqvist und Ehrhardt/Stehle. Göppl/Sauer überprüfen die mittlere Emissionsrendite von 80 IPOs zwischen 1977 und 1988. Ihre Ergebnisse belegen ein durchschnittliches Underpricing von 15,20%. Hansson/Ljungqvist analysieren für die Zeitspanne von 1978 bis 1991 163 Börsengänge und identifizieren ein durchschnittliches Underpricing i.H.v. 11,79%. Kaserer/Kempf werten im Zeitraum von 1983 bis 1992 173 IPO aus und stellen eine mittlere positive Emissionsrendite von 13,99% fest. Ljungsqvist betrachtet 180 Neuemissionen zwischen 1970 und 1993 und ermittelt ein durchschnittliches Underpricing i.H.v. 10,57%. Die Studie von Ehrhardt/Stehle untersucht während der Zeitspanne 1960 bis 1995 222 Börsengänge und stellt die bis dahin umfassendste Arbeit dar. Sie belegen eine durchschnittliche Überrendite i.H.v 15,79%.[42]

 

Als bekannte Studien zum Underpricing aus dem heutigen Jahrzehnt sind die Arbeiten von Hunger, Gerke/Fleischer, Rummer und Lubig hervorzuheben. Ihre Untersuchungen weisen im Vergleich zu den Studien aus den 80er Jahren ein deutlich höheres durchschnittliches Underpricing auf. So identifiziert Hunger bei der Analyse von 262 Börsengängen des Zeitraums 1997 bis 1999 ein durchschnittliches Underpricing i.H.v. 43,70%. Gerke/Fleischer untersuchen 319 IPOs während der Jahre 1997 bis 2000. Sie ermitteln ein durchschnittliches Underpricing von 49,98%. In einer weiteren Studie von Hunger wird sowohl der Untersuchungszeitraum um drei Jahre als auch die Datenbasis um 153 Erstemissionen erweitert. Er beziffert das durchschnittliche Underpricing auf 42,34%. Rummer wertet 415 Neuemissionen der Jahre 1997 bis 2002 aus und stellt hierbei eine mittlere positive Emissionsrendite i.H.v. 44,1% fest. Die Arbeit von Lubig analysiert im Zeitraum von 1997 bis 2003 insgesamt 328 IPOs. Seine Ergebnisse belegen ein durchschnittliches Underpricing i.H.v. 48,54%.[43]

 

Die differenzierten Ergebnisse sind teilweise auf die unterschiedliche Berechnungsmethodik der Emissionsrendite, den unterschiedlichen Untersuchungszeitraum und Stichprobenumfang sowie der unterschiedlichen sachlichen Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes zurückzuführen, wie aus der nachfolgend zusammenfassenden Tabelle ersichtlich wird.[44]

 

 

Quelle: Eigene Darstellung.

 

Tabelle 1: Empirische Studien zum Underpricing-Phänomen an der FWB

 

In der bisherigen neoklassischen und klassischen Kapitalmarkttheorie existieren keine Erklärungsansätze für das Phänomen des Underpricing. Der Grund hierfür ist, dass in diesen Finanztheorien davon ausgegangen wird, dass alle Marktteilnehmer über dieselben Informationen verfügen. Vor diesem Hintergrund müssten Emissions- und Sekundärmarktkurs gleich hoch sein. Die hier erläuterten Studien jedoch belegen das in der Praxis vorliegende Phänomen des Underpricing. Um die Existenz des Underpricing-Effekts zu erklären, sind demzufolge im Laufe der Jahre theoretische Annahmen getroffen worden, die über die neoklassischen Modelle hinausgehen.[45]

 

3.3. Theoretische Erklärungsansätze für das Underpricing-Phänomen


 

Für das Phänomen des Underpricing existiert in der Literatur eine Vielzahl von Erklärungsansätze, die jeweils unterschiedlich systematisiert sind. Die meist zitierten Systematisierungen gehen auf Ehrhardt, Uhlir, Ljungqvist und Kaserer/Kempf zurück. Aufgrund der Kritik an den Gruppierungen der erst genannten Autoren, wird im Rahmen dieser Arbeit die Klassifizierung von Kaserer/Kempf aufgegriffen, die die Erklärungsansätze für das Underpricing in gleichgewichtsgeleitete und Ad-hoc Erklärungshypothesen unterteilen.[46]

 

3.3.1. Gleichgewichtsgeleitete Erklärungshypothesen: Informationsökonomie


 

Die gleichgewichtsgeleitenden Theorien führen das Underpricing auf asymmetrisch verteilte Informationen zwischen den in Subkapitel 2.1. genannten Hauptakteuren zurück. Zu den bekanntesten informationsökonomischen Ansätzen zählen die Modelle von Baron, Welch, Rock und Benveniste/Spindt, welche im Folgenden erläutert werden.[47]

 

3.3.1.1. Informationsasymmetrien zwischen Emittent und Emissionsbank

 

Das Modell von Baron erklärt die...

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