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E-Book

Ist bestimmt was Psychologisches

Wie ich auf Therapien, Tricks & Tipps pfiff und unfassbar glücklich wurde

AutorSusanne Berkenheger
VerlagGoldmann
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl288 Seiten
ISBN9783641131548
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Unsere Macken beherrschen die Welt: Wir essen zu viel Schokolade, kaufen das falsche Sofa, verstricken uns in schreckliche Beziehungen. Und warum? Weil in unserer Kindheit etwas schiefgelaufen ist. Oder weil uns die Verkaufspsychologen mal wieder reingelegt haben. Bis aufs Wetter erklärt die Psychologie eigentlich alles, tagtäglich beherrscht sie unser Denken und Handeln. Und doch weiß niemand, ob diese angeblich wissenschaftlichen Erklärungen wirklich stimmen. Was aber bleibt, wenn wir auf den ganzen Psychokram verzichten? Können wir überhaupt noch selbst denken und entscheiden? Susanne Berkenheger will es wissen und testet ein Leben ohne Psychologie in 24 aberwitzigen und unterhaltsamen Selbstversuchen.

Susanne Berkenheger ist Mitglied der Satireredaktion »Spam« auf Spiegel Online. 2011 veröffentlichte sie zusammen mit Klaus Ungerer das Sachbuch »Drücken Sie bitte die Eins«. Ihre psychologische ?Ausbildung? startete sie direkt nach dem Abitur mit einem Aufenthalt in der Psychiatrie. Sie ist keine Abonnentin von »Psychologie Heute«, hat nicht Psychologie studiert und plant dies auch nicht für die Zukunft.

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Leseprobe

3.Krank im Bett liegen OHNE

… die etwaigen psychosomatischen Ursachen des eigenen Schnupfens zu ergoogeln oder von seinen pflegenden Angehörigen an den Kopf geworfen zu bekommen.

Trick 17

Ich mache es mir im Bett gemütlich. Wenn ich jetzt eine echte stinknormale Erkältung hätte, dürfte ich mir nachher beim Versuch natürlich nicht überlegen, wovon genau ich »die Nase voll habe«. Deswegen resümiere ich schnell noch einen Thread zu »Schnupfen« und »die Nase voll haben«, den ich neulich im Internet verfolgt habe. »schnupfinchen« (Name geändert) warf darin die Frage auf, ob auch die Stärke des Schnupfens bei der Interpretation zu berücksichtigen sei. Ob also, je stärker der Schnupfen ist, man umso mehr die Nase voll hat, wovon auch immer. Obwohl nicht ganz klar war, ob ihr Anliegen ironisch gemeint war, löste ihr Posting einen Schwall von weiteren Über­legungen aus. Aber leider nicht eine einzige zu der Frage, die mich besonders interessiert hätte: Nämlich was es bedeutet, wenn man gar nicht in erster Linie die Nase voll hat, sondern vor allem die Nebenhöhlen, wie dies bei mir häufig der Fall ist und das dann zu diesem Taucherglockengefühl führt. Bedeutet das, dass man sein »Nase-voll-Haben« womöglich krampfhaft zurückhält, untertaucht sozusagen? Genau wie dies so typische »Represser« machen? Die unterdrücken so lange ihre negativen Gefühle, bis sie krank werden. Das ist erst kürzlich wieder mit einer Großstudie der Jenaer Psychologen Marcus Mund und Kristin Mitte bewiesen worden. Deren Studie fasst alle Studien zusammen, die auf dem Planeten Erde zu diesem Thema ver­öffentlicht sind.

Jedenfalls habe ich die Nebenhöhlen voll! Ich drücke mich damit vor der Arbeit (»Zeugs erledigen ohne Psychologie«) und gleichzeitig auch nicht, weil ich ja ein anderes Kapitel (»Krank im Bett liegen ohne Psychologie«) vorziehe. Ein verzwickter Fall. Ebenso verzwickt wie die Frage, ob ich in letzter Zeit zu wenig gelächelt habe und deshalb meine Widerstandskräfte rapide gesunken sind und ich wehrlos den Erkältungsviren ausgeliefert war. Nicht nur eine wissenschaftliche Studie hat diesen Zusammenhang bewiesen. Oder habe ich ganz im Gegenteil womöglich – um nur ja nicht krank zu werden – zu viel gelächelt und damit, wie eine weitere neuere Studie ergab, totale Verspannungen ausgelöst? Die haben wiederum meine Widerstandskraft enorm geschwächt, und so nahm die fatale Sache ihren Lauf? Müde schaue ich durch das schlierige Schlafzimmerfenster. Selbstversuch eins hatte nur eine lokal begrenzte Auswirkung auf die Balkontür im Arbeitszimmer. Aber: Wenn ich jetzt einen Selbstversuch hier im Schlafzimmer starte, was passiert dann mit diesem dreckverschmierten Fenster? Die Frage beginnt mich zu interessieren.

Ich schleppe mich aus dem Bett, um den Versuchsprotokollant (mein Notebook) zu holen. Kaum habe ich es aufgeklappt, fällt mir auf, dass meine Passwörterkartei noch drüben im Arbeitszimmer ist. Ohne die komme ich nicht an jene geheimen Aufzeichnungen heran, in denen jene Freunde vorkommen, die nicht im Buch vorkommen wollen. Nachdem ich die Passwörterkartei dahabe, fehlt mir wiederum ein bestimmtes Buch und so weiter. Es hilft nichts: Ich muss meinen kompletten Schreibtischbelag und Teile meines Regals ins Schlafzimmer schaffen.

Unterwegs im Flur treffe ich meinen Mann und bewerfe ihn versehentlich mit einigen Unterlagen.

»Was hast du denn vor?«, fragt er fassungslos.

»Ich, ähm, ich psychosomatisiere nur«, krächze ich, »aber nicht, dass du jetzt mutmaßt, ich würde mich deshalb vor dem Buchschreiben drücken, nee, ich arbeite im Bett nämlich weiter.«

Er knurrt etwas unwillig und fragt: »Kann ich dir helfen?«

Den diabolischen Unterton des vermeintlichen Retters höre ich genau heraus. Schließlich bin ich in der Transaktionsanalyse bewandert und weiß daher, dass mein Mann gerade ein ganz übles psychologisches Spiel eröffnet hat, in welchem er die überlegene Rolle des Retters übernehmen will – natürlich unbewusst. Ich reagiere geistesgegenwärtig: »Nein, nein, nein, du kannst mir nicht helfen! Ich lasse mich von dir nicht in die Opferrolle schieben! Auch wenn ich krank und schwach und komplett hilflos bin! Es geht schon! Es geht schon!«, erkläre ich und schleppe mich weiter bis ins Bett. Oder sollte ich es Bedoffice nennen? Ich arbeite gerne im Bedoffice, insbesondere in der Rolle der Kranken. Träge fällt mein leidender Blick auf den drängenden Brief des Finanzamtes. Ob ich für den heute, wo ich so unpässlich bin, genügend Kraft finde? Ach, so leid es mir tut: Ich glaube kaum. Mal sehen, vielleicht ist mir ja morgen danach. Aber selbst wenn, man darf nichts Großartiges erwarten von einer KRANKEN. Deshalb ist jeder Buchstabe, den ich meiner Krankheit abtrotze, viel, viel höher zu bewerten als all der Quatsch, den ich im Vollbesitz meiner Kräfte immer aus mir rauswinde. Zufrieden gleitet mein Blick über all das Zeugs, das ich jetzt NICHT erledigen muss (weil: ha! Krank!): Teile des Manuskripts, Bücher mit Hunderten von farbigen Haftnotizen drin, Bücher mit dem Titel: Wie ich die Dinge geregelt kriege (und zwar mit Selbstdisziplin, von David Allen) und Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin (dafür aber mit Ritalin nehmen, von Kathrin Passig und Sascha Lobo).

»Hast du dir schon mal überlegt, ob du von diesen ganzen Psychobüchern krank wirst?«, fragt mein plötzlich in der Tür stehender Mann.

»Meinst du?«, schniefe ich erfreut in Erwartung seiner Beweisführung.

Aber nein: »War doch nur ein Witz!«, fügt er grinsend hinzu. (Wie oft falle ich auf diese Witze eigentlich noch rein?) »Ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass ich kurz rausgehe.«

»Okay, tschüss!«

Doch mein Mann streckt den Kopf noch mal zur Tür rein und sagt: »Ähm …«

»Was denn?«

»Heute Abend ist doch die Party.«

»Krächz!«

»Kannst du da überhaupt hin?«

»Krächz!«

»Du willst da gar nicht hin, stimmt’s? Du wolltest da nie hin!«, sagt mein Mann beleidigt und verschwindet.

»Krächz!« Wollte ich wirklich nicht zu dieser Party? Und ich dachte, ich wollte das Buch nicht schreiben?! Oder halt mein Zeugs nicht erledigen. Oder weiß der Geier was nicht. Egal.

??Versuch »Krank im Bett liegen«

Start! So. Aber wie geht jetzt eigentlich »Krank im Bett liegen«? Vielleicht erst mal Nase schnäuzen. So. Dann, was machen wirklich Kranke noch so? Vielleicht Mails checken. Das kriegen auch wirklich Kranke auf die Reihe. Solange sie nicht zu krank sind. Ich greife nach dem Tablet. Mein Mann hat mir heute Morgen drei Artikel weitergeleitet: »Freizeitkrankheit, wie ich sie vermeiden kann« (da diese Krankheit ja bekanntlich durch den Wegfall von Anspannung auftritt, versuche ich ihr immer dadurch zu entgehen, dass ich mich gar nicht erst entspanne), »Verdrängte Gefühle machen krank« und »Represser werden öfter krank«. Represser?! Pff! Seit ich das Buch schreibe, schickt er mir dauernd Mails mit Betreffzeilen à la »Depression unter Magenzecken weit verbreitet … vlt. interessant für dein Buch?« Da gibt’s die lustigsten Dinger.

Wollte ich wirklich nicht auf die Party? Halt, halt! Diese Frage führt nur zu psychologischen Spekulationen. Stopp. Lieber konzentriere ich mich wieder auf meinen leicht rasselnden Atem, ein, aus, ein, aus, fffffff … Es klopft. Hups, ich war wohl ein bisschen eingenickt.

Die Tür quietscht auf. »Hi, wir haben dir was mitgebracht, um dich etwas aufzuheitern«, sagt mein Mann, und mein Sohn streckt mir mein Lieblingseis hin.

»Oh toll! Danke!« Ich versuche, das Eis zu nehmen und gleichzeitig das Tablet unbemerkt unter die Bettdecke zu schieben, wobei ungünstigerweise der Bildschirm angeht.

»Kleine Aufmunterung zwischendurch«, fährt mein Mann fort, um dann – als er die Psychoartikel auf dem Schirm aufleuchten sieht – missbilligend festzustellen: »Du arbeitest ja schon wieder! Dein Job ist es jetzt, mal zu entspannen.« (Ein Trick. Darauf falle ich nicht rein! Schließlich weiß ich genau, dass ich dann erst recht krank werde.)

»Genau, Mama, wenn du dich nicht entspannst, ist klar, dass du dauernd krank bist. Im letzten Urlaub vor drei Jahren warst du auch krank!«, sagt der Sohn und betont, dass er, wenn er krank ist, auch nicht den ganzen Tag auf den Computer gucken darf.

Ja zum Geier, was haben die denn? »Ich bin doch überhaupt nicht dauernd krank! Außerdem: Wer hat mir denn die Mails geschickt?«, rufe ich den beiden hinterher. Sie haben natürlich längst das Weite gesucht. Damit sie das Elend nicht weiter mit ansehen müssen. Ich bin doch nicht ständig krank? Und falls doch, merke ich es ja gar nicht, da ich es normalerweise nur für eine psychische Blockade halte. Das Eis ist sehr lecker. Gestern hatte ich gleich zwei davon. Da war aber auch so ein super Wetter, dass ich geschätzte zwölf Stunden auf dem Balkon verbracht habe. Zum Erstaunen der Nachbarn. Die riefen, ist dir nicht kalt? Und die hatten damit schon ein bisschen recht. Aber die Herbstnacht war so lau, wenngleich nicht jeder sie so bezeichnet hätte. Ich hatte halt so ein Urlaubsgefühl. Das hielt mich warm. Beziehungsweise war es eigentlich so ein typisches Vorurlaubsgefühl. So ein »Bald-geht’s-los«-Gefühl. Dabei: Bei mir ging ja gar nichts los. Außer dass ich jetzt psychosoma… Verzeihung, außer dass ich jetzt krank bin, natürlich. Aber egal, es fühlte sich halt so an, und deshalb saß...

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