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Ist Gewaltfreie Kommunikation alltagstauglich?

Eine kritische Auseinandersetzung mit der GfK nach Rosenberg im Vergleich mit anderen Kommunikationsmodellen

AutorMaria Reitzki
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl46 Seiten
ISBN9783656608165
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Germanistik - Linguistik, Note: 1,3, Universität Bielefeld, Sprache: Deutsch, Abstract: Konflikte mit unseren Mitmenschen sind immer Teil des Zusammenlebens. Mittlerweile gibt es viele Ansätze zum Umgang mit Konflikten und zur Bewältigung von Differenzen. Doch gibt es bisher keine, die sich als einzig wahre Theorie durchsetzen konnte. Könnte dieser Anspruch möglicherweise für die GfK erhoben werden? Ist sie ein geeigneter Ansatz zur Konfliktbewältigung? Laut Rosenberg lässt sich GfK in den unterschiedlichsten Situationen erfolgreich anwenden. Dazu zählt er 'enge Beziehungen, Familien, Schulen, Organisationen und Institutionen, Therapie und Beratung, diplomatische und geschäftliche Verhandlungen, Auseinandersetzungen und Konflikte aller Art.' Doch ist GfK ein Ansatz, der nicht nur als Theorie besteht, sondern gerade dort, wo Konflikte tatsächlich entstehen, im alltäglichen Umgang mit anderen, seine Wirkung zeigt? Und kann die GfK auch abseits von Konflikten den Menschen im Leben weiterhelfen? Aus diesen Überlegungen heraus ist eine übergeordnete Forschungsfrage entstanden: Ist Gewaltfreie Kommunikation alltagstauglich? Zum besseren Verständnis sollen im ersten Teil der Arbeit zunächst die Grundannahmen der GfK, ihre Entstehung und Funktionsweise sowie ihre Besonderheiten ausführlich herausgestellt werden. Zur weiteren Veranschaulichung der GfK werden vier andere Kommunikationsmodelle herangezogen werden; auf diesem Teil der Arbeit wird ihr Hauptakzent liegen. Elemente aus den Arbeiten von Carl Rogers, Virginia Satir und Friedemann Schulz von Thun sowie aus dem Modell des Neurolinguistischen Programmierens (NLP) sollen aufzeigen, inwiefern Rosenberg bei der Entwicklung der GfK von anderen Modellen beeinflusst wurde. Anhand dieser Modelle, die wegen ihrer Bekanntheit und ihres anerkannten Erfolges ausgewählt wurden, soll auch über die Alltagstauglichkeit von GfK diskutiert werden. Anschließend soll die GfK auf Gefahren hin untersucht werden. Dies wird einerseits über die Theorie der kognitiven Dissonanz geschehen, andererseits wird der Aspekt der Manipulation mit einbezogen werden.

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Leseprobe

3. Einflüsse auf die Methode der Gewaltfreien Kommunikation


 

Nachdem aufgezeigt wurde, wie die GfK entstanden ist und wie sie funktionieren soll, wo ihre Besonderheiten und Intentionen liegen, soll sie im folgenden Teil auf Beeinflussung von außen hin untersucht werden. Denn kann eine völlig neue Kommunikationsform erschaffen werden, ohne sich an bestehenden Modellen zu orientieren? Inwieweit hat Rosenberg sich bei der Entwicklung der GfK beeinflussen lassen? Welche Einflüsse nennt er? Und welche Anlehnungen an ältere Theorien lassen sich erkennen, ohne dass er die Verwendung dieser angibt? Anhand der Art der Einflüsse und deren Ursprünge können so erste kritische Schlüsse über den Grad der Alltagstauglichkeit von GfK gezogen werden.

 

3.1 Die Beeinflussung der Gewaltfreien Kommunikation laut Rosenberg


 

Bereits zu Beginn seines Hauptwerks, in der Einleitung zu seinem Buch Gewaltfreie Kommunikation. Aufrichtig und einfühlsam miteinander sprechen, sagt Rosenberg Folgendes über die Zusammensetzung der GfK aus:

 

Sie beinhaltet nichts Neues; alles was in die GFK [sic] integriert wurde, ist schon seit Jahrhunderten bekannt. Es geht also darum, uns an etwas zu erinnern, das wir bereits kennen – nämlich daran, wie unsere zwischenmenschliche Kommunikation ursprünglich gedacht war. Und es geht auch darum, uns gegenseitig bei einer Lebensweise zu helfen, die dieses Wissen wieder lebendig macht.[102]

 

Schon mit dem ersten Satz dieses Zitats gesteht Rosenberg nicht nur die Beeinflussung der GfK von außen ein, sondern weist sogar darauf hin, dass sein Kommunikationsmodell keine neuen Bestandteile enthält. Der darauf folgende Satz schwächt diese Aussage jedoch wieder ab: Anscheinend spricht Rosenberg nicht über die Methode und die einzelnen Elemente der GfK, die nichts Neues darstellen, sondern über die ursprüngliche Intention zwischenmenschlicher Kommunikation, den Umgang der Menschen miteinander und vielleicht sogar über die dieser Kommunikation zugrunde liegenden Werte, an die sich wieder erinnert werden soll. Dies ist jedoch nur eine Vermutung; denn Rosenberg drückt nicht explizit aus, was eigentlich konkret in die GfK integriert wurde und an welche Grundlagen sich genau erinnert werden soll. An dieser Stelle ist es auffällig, dass Rosenberg sich, entgegen seiner selbst aufgestellten Maxime, hier nur ungenau und abstrakt äußert. Weiterhin ist es bemerkenswert, dass er zwar bereits direkt am Anfang seines Buches hervorhebt, dass die GfK nichts Neues beinhaltet, was die immense Wichtigkeit dieser Aussage deutlich macht. In den Folgesätzen geht er jedoch nicht weiter auf diese gewichtige Aussage ein. Somit stellt sich die Frage, ob Rosenberg an anderer Stelle bestimmte Einflüsse auf die GfK konkret benennt.

 

Tatsächlich finden sich, verteilt in den Werken Rosenbergs, Bemerkungen über die Beeinflussung von außen. Doch in der Hauptsache handelt es sich hierbei um einzelne Aussprüche, die Philosophen oder Gelehrte über Einstellungen zum menschlichen Miteinander, über Normen und Werte oder über ihr Verständnis von Kommunikation zu einem nicht genannten Zeitpunkt kundgetan haben. Inhaltlich bestätigen diese Zitate lediglich die Ansichten Rosenbergs zu bestimmten Themen der Kommunikation oder zu menschlichem Verhalten; er verwendet sie folglich als Rechtfertigung, Bestätigung und Untermauerung der eigenen Annahmen.

 

Nur wenige Einflüsse scheinen demnach direkt auf die GfK eingewirkt zu haben. Zum einen geht, wie zuvor schon erwähnt, der Begriff ‚Gewaltfreie Kommunikation’ auf Gandhis Verständnis von Gewaltfreiheit zurück.[103] Zum anderen gibt Rosenberg an, er habe einen Großteil der Ideen für die GfK von Buddha übernommen.[104] Dazu merkt er selbst an, dass viele Buddhisten allerdings die Existenz eigener Bedürfnisse leugnen,[105] sodass die bedeutende Komponente der Bedürfnisse in der GfK folglich nicht dem Buddhismus entstammen kann. Welche von Buddhas Ideen er allerdings letztlich in die GfK integriert hat, spezifiziert Rosenberg nicht näher.

 

Des Weiteren beruft sich Rosenberg in seinen Werken auf den indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti, dessen Lebensweisheit stark die Komponente der Beobachtung beeinflusst hat. Denn laut Krishnamurti sei die höchste Form menschlicher Intelligenz die Fähigkeit, zu beobachten ohne zu bewerten.[106] Es ist allerdings fraglich, ob dieses Prinzip auch auf das heutige Gesellschaftssystem Deutschlands übertragbar ist. Muss der Mensch nicht viel mehr jede alltägliche Situation, der er begegnet, in der heutigen Zeit ebenso schnell bewerten, um einschätzen zu können, wie in der jeweiligen Situation zu handeln ist? Ist der Mensch überhaupt in der Lage, Vorgänge schlicht zu beobachten, ohne dabei zu analysieren oder zu bewerten? Kann das ‚bedenken’ einer Situation einfach abgeschaltet werden? Möglicherweise ist Krishnamurtis hoher, aber theoretischer Anspruch in der Realität gar nicht praktikabel – und auch gar nicht wünschenswert. Vielmehr eröffnet die Fähigkeit zu interpretieren doch auch die Chance zu verstehen, worin das Wesen der jeweiligen Situation im eigentlichen Sinne besteht. Doch Rosenberg baut das System der GfK auf Krishnamurtis Weisheit auf, ohne dabei zumindest den ursprünglichen Kontext dieses einen Satzes zu hinterfragen.

 

Auf sein gesamtes Werk bezogen, scheint es jedoch der amerikanische Psychologe und Psychotherapeut Prof. Dr. Carl Rogers zu sein, der Rosenberg inspiriert hat. Bereits die Danksagung in den allerersten Zeilen seines Buches Gewaltfreie Kommunikation. Aufrichtig und einfühlsam miteinander sprechen widmet er seinem ehemaligen Lehrer:

 

Ich bin dankbar, daß [sic] ich mit Professor Carl Rogers während der Zeit studieren und arbeiten konnte, als er die Komponenten einer positiven, zwischenmenschlichen Beziehung erforschte. Die Ergebnisse dieser Forschung haben eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung des Kommunikationsprozesses gespielt, den ich in diesem Buch beschreibe.[107]

 

Weder auf die Schlüsselrolle, noch auf die konkreten Forschungsergebnisse geht er jedoch in Folgenden ein. An anderer Stelle sagt Rosenberg über die Beeinflussung durch Carl Rogers:

 

Bestimmte Untersuchungen – wie Carl Rogers [sic] Studien zu den Charakteristika von heilenden Beziehungen – waren ebenfalls sehr hilfreich für mich.[108]

 

Wird Rogers an weiteren Stellen zitiert, so wird dort beispielsweise die Kraft der Empathie thematisiert[109], die Bedeutung von Authentizität in der Psychotherapie erörtert[110] oder hervorgehoben, wie wichtig es ist, selbst eigene Lernziele zu bestimmen.[111] Demzufolge scheint Rogers zwar diverse Auffassungen mit seinem ehemaligen Schüler Rosenberg zu teilen, doch nehmen seine Arbeiten wohl keinen Einfluss auf die Methode bzw. das Vorgehen der GfK. Zur Beeinflussung der GfK sagt Rosenberg zudem:

 

Aus unterschiedlichen Richtungen kamen Dinge zusammen, die schließlich das ergaben, was ich nun mit Ihnen teilen möchte.[112]

 

Im Anschluss an diese Textpassage gibt er einen Überblick über diese ‚Dinge’: Er spricht von Studien über Menschen, deren Verhalten in Konfliktsituationen er bewundert, von seinem Studium der Vergleichenden Religionswissenschaften und von den oben genannten ‚bestimmten Untersuchungen’.[113] Nach dieser knappen Übersicht formuliert er weiter:

 

Aus all diesen Quellen entwickelte ich einen Prozess, der auf meiner Vorstellung basiert, wie sich menschliche Wesen zueinander verhalten können.[114]

 

Folglich scheint Rosenberg seiner Leserschaft vermitteln zu wollen, dass die Beeinflussung der GfK allein auf den oben genannten Quellen beruht.

 

3.2 Die Beeinflussung der Gewaltfreien Kommunikation durch andere Kommunikationsmodelle


 

Entgegen Rosenbergs Angaben zur Beeinflussung der GfK lassen sich jedoch weitere Ähnlichkeiten zwischen der Methode der GfK und anderen Kommunikationsmodellen erkennen. Im Folgenden werden zum einen die Arbeiten von Carl Rogers intensiver untersucht werden, um weitere Parallelen zur GfK hervorzuheben. Zum anderen werden drei weitere Kommunikationsmodelle herangezogen, die bei näherer Betrachtung starke Übereinstimmungen mit Elementen der GfK aufweisen. Bei diesen Modellen handelt es sich um Ausführungen der Familientherapeutin Virginia Satir, um die Grundgedanken des Neurolinguistischen Programmierens (NLP) und um ein Modell des Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun. Diese Arbeiten sollen jeweils nur kurz erläutert werden, um Zusammenhänge mit der GfK kenntlich zu machen; eingehende Analysen des jeweiligen Modells wären im Rahmen dieser Arbeit zu umfassend.

 

Entscheidend im Rahmen der folgenden Darstellungen ist jedoch die Tatsache, dass Rosenbergs Hauptwerk zur Gewaltfreien Kommunikation im Original erst 1999 erschienen ist. Zwar gibt...

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