Die Nachfrage nach RTB -Kampagnen auf dem deutschen Markt und in Österreich wachsen stetig - die Angebotsseite wiederum zeigt sich hierzulande wiederum von Vorsicht und Zurückhaltung geprägt [23]. Gerade Zusammenschlüsse wie die AGOF (Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung) geben oft nur einen kleinen Teil ihres Inventars für den automatisierten Verkauf über SSPs frei - es kommt auch vor, dass sich Vermarkter noch ganz dem Echtzeit-Vermarkten verschließen. Der Grund für diese Vorsichtsmaßnahmen ist die Angst vor Preiseinbrüchen bei der Vermarktung von Premium- Platzierungen, welche bisher sehr hohe TKPs (Tausender-Kontakt-Preis = CPM) versprachen. Ein Mittelding, welches auch Herbert Pratter von Dentsu-Aegis-Network- Austria anspricht, sind die „Private SSPs" oder „Private Deals", bei denen die gefragten Werbeflächen nicht öffentlich zugänglich sind, sondern nur handverlesenen Partnern zur Auktion freigegeben werden. Man kann es sich am besten wie einen Tunnel vorstellen, ein geschützter Platz, an dem von der DSP-Seite nur gewisse Bieter zugelassen sind und wo die Auktion auch nur für jene Bieter sichtbar bleibt.
Wo man zuerst den Eindruck eines anscheinend „basisdemokratischen" Systems mit totalem und transparentem Zugang haben konnte, zeigt sich, dass auch bei Realtime- Bidding nicht immer eine Chancengleichheit und das gleiche Recht auf Ersteigern einer Werbefläche gelten.
Zur technischen Umsetzung gibt es hier die Möglichkeit, dass der Vermarkter diese Auktion über eine eigene Supply-Side-Plattform abwickelt, oder aber er nützt etablierte SSPs und erstellt gesonderte Zugriffsrechte für diesen „Private Deal".
Um darüber hinaus den angestrebten Preis einer Werbefläche erreichen zu können, fahren auch viele Vermarkter eine sogenannte „Floor-Price-Strategie", bei der ein Basis-TKP („Floor Price") vereinbart wird, den der Advertiser mindestens ausrufen muss, um die Ad Impression zu bekommen. Gebote unter diesem Mindestpreis werden in der Auktion gar nicht berücksichtigt.
Die nachfolgende Tabelle in Abb. 16 zeigt eine Auflistung der RTB-Aktivitäten der größten Vermarkter am deutschen Markt. Sie zeigt zudem, welche Strategie gefahren wird: ob mit Floor-Price-Strategie oder mit Private-Deal (und vielleicht zusätzlich mit Floor-Price- Strategie).
Abbildung 16: RTB-Strategien ausgewählter Top-AGOF-Vermarkter in DE [23]
Wie in der Tabelle zu sehen ist, beschäftigen sich schon die meisten aller ausgewählten Top-Vermarkter mit Realtime-Bidding/-Advertising. Nur ein kleiner Teil ist hingegen bereit, seine Werbeflächen auf Basis einer ursprünglich freien und gleichberechtigten Auktion zu verkaufen, die ohne Mindestpreis startet - zu groß ist die Angst, bei Premium-Plätzen den hohen TKP-Wert zu verlieren. Stattdessen sind private Marktplätze, die bereits genannten „Private Deals" von großer Beliebtheit. Hier werden im kleinen, „elitären" Kreis vor allem Premium-Plätze unter ausgewählten Interessenten versteigert.
Die grundsätzliche Frage ist, ob dieses Sicherheitsverhalten der Publisher in Zukunft aufgebrochen werden kann und ob Floor-Price-Strategien gelockert oder gar verworfen werden, da für die Vermarkter durchaus die große Chance besteht, ihre Rendite, ihre „Yield" zu maximieren. Beim Realtime-Bidding ist es für gewöhnlich so, dass, so lange es zwei unabhängige Parteien in Form von DSP und SSP gibt, das maximal mögliche Gebot für den Publisher und umgekehrt das minimal nötige Gebot des Nachfragers/Werbers zum Zug kommt.
Unternehmen, Einzelpersonen oder Institutionen, die werben wollen, stehen einer Vielzahl von Demand-Side-Plattformen am deutschsprachigen Markt gegenüber. Hier sind die angeschlossenen Inventarquellen durch die Vernetzung der Ad Networks und Ad Exchanges beinahe kongruent. Darum geht es für die Advertiser (Werber) im Einzelnen vor allem um die Art der Bietroutine (Bidding-Algorithmus) und die Beschaffenheit der TargetingKriterien, die für sie den Unterschied ausmachen.
Zu den Targeting-Kriterien wird in Kapitel 11 noch vieles im Detail erklärt: Dabei wird konkret eine RTB-Kampagne beim Anbieter Revcloud konzipiert.
Je gröber gefasst die Targeting-Möglichkeiten sind und je weniger intelligent die Bietroutine ist, umso geringer sind die individuellen Optimierungsmöglichkeiten, die für den weiteren Erfolg jedoch sehr wichtig sein können [23].
Es gibt prinzipiell zwei Arten von Anbietern für die Advertiser (siehe auch Abb. 17):
Self-Service DSPs, die lediglich die Technologie bereitstellen, aber dem Advertiser die Optimierung und Organisation der Kampagne überlassen [23]:
Kontrolle ist inhouse
Kostenstruktur sehr transparent, da alles in einer Hand
Einblick in fast alle Kampagnendetails
Targeting-Einstellungen völlig individuell vom Werber konfiguriert
Hoher interner Ressourcen-Aufwand
Internes Know-How zwingend nötig
Managed-Service DSPs, bei denen es sich um ein Full-Service handelt, wo also Aufsetzen und Optimierung der Kampagne für den Advertiser gleich mit übernommen wird [23]:
Keine internen Ressourcen, kein Knowhow notwendig
Kampagnenaussteuerung komplett extern
Kostenstruktur intransparent
Kein tiefer Einblick in Kampagnendetails oder Einfluss auf Targeting
Abbildung 17: Die wichtigsten DSPs für Deutschland [23]
Wie so oft spielt auch hier wieder Google als großer Player bei den DSP-Anbietern mit und positioniert sich mit dem DoubleClick Bid Manager als einer der Marktriesen im Bereich Self- Service-DSP. Dass Google hier nicht in ein völlig neues Umfeld wechselte, zeigt die Tatsache, dass auch bei der Suchmaschinenwerbung mithilfe eines komplexen Bidding- Algorithmus bereits Anzeigeplätze an den Höchstbietenden versteigert werden [23].
Ein erster Schritt in die Richtung von RTB war für Google bereits die Einführung des „Google Display Netzwerk" (GDN), das seinen Werbekunden in der Suchmaschine erlaubte, DisplayWerbeschaltungen auszuspielen und die dafür benötigten Werbeflächen auf einer Cost-Per- Click-Basis zu ersteigern.
Anders als in der reinen Suchmaschinenwerbung gab es hier bereits mehr Möglichkeiten:
Diverse Targeting-Optionen (wie „Aussteuerung auf Platzierungen oder Themen" [23])
Kombination dieser Targeting-Kriterien
Dies bedeutete, dass beim Google Display Network bereits eine recht granulare Koordinierung und Optimierung von Werbekampagnen möglich war. Das GDN ist als eine Art „Managed Service DSP" zu verstehen, da der Advertiser grundsätzlich Kontrolle über die maximal von ihm gebotenen durchschnittlichen CPC (Cost Per Click) hat. Zu welchem Preis allerdings Google selbst die gewonnenen Werbeflächen ersteigert hat und welche Gewinnspanne bei Google verbleibt - darauf hat er keinerlei Einfluss oder auch Einsicht.
Das Google Adsense-System bildet sowohl die Grundlage für das Google Display Network als auch für das später eingeführte DoubleClick Exchange (siehe Abb. 18).
Das Google Adsense-System wurde 2003 gegründet und verfügte zehn Jahre später bereits über zwei Millionen Publisher, also Bereitsteller von Werbeflächen.
Bis 2009 wurden Anzeigen nur in Textform unterstützt, bis dann auch Werbebanner über das System „delivered" werden konnten [24].
Diese Wandlung zu grafischen und audiovisuellen Inhalten stand nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Erwerb der Firma DoubleClick, mit deren Knowhow Google 2009 das „Google DoubleClick Exchange" einführte - ein Marktplatz für grafische Werbemittel. Googles „DoubleClick Bid Managet" (DBM) ist um einiges transparenter als das Er- und Versteigern über das reine Google Display Network, da hier vertraglich festgehalten wird, wie hoch die Marge ist, die Google vom gebotenen TKP einhebt. Ein weiterer Vorteil ist die höhere Reichweite: Während über GDN nur auf eine einzige Supply-Side-Platform zugegriffen werden kann (DoubleClick Ad Exchange) und nur das Inventar direkt angeschlossener Geschäftspartner gesehen wird, ist über den DoubleClick Bid Manager der Zugriff auf alle großen SSPs der Welt möglich.
Auch im Bereich Targeting, das ja einer der Grundbestandteile und -argumente für RTB ist, ist der DBM besser ausgestattet und es wird viel ausdifferenzierter als nur mit StandardDaten wie Alter, Geschlecht oder Geo-Lokalisierung gearbeitet [23].
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