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E-Book

Jedes Jahr eine neue Sau

Wie Manager den Methodenwahn durch Souveränität ersetzen

AutorSabine Dietrich
VerlagWiley-VCH
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783527821679
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Agilität und Design Thinking, Holacracy und Beyond Budgeting ... Ja, es ist schon wieder eine Methodensau unterwegs durchs Management-Dorf. Es ist die neueste, aber bei Weitem nicht die erste ihrer Gattung. Es wurden schon viele durchgetrieben. Und erneut keimt in Managern die Hoffnung: Wenn sie diese Sau für sich erlegen, wird ihr Unternehmen für die Zukunft gerüstet sein. Diesmal ist es wirklich die große innovative Idee, die alles verändern wird. Aufruhr entsteht - leider aber auch zu oft ein enormer Flurschaden. Denn der Wahnsinn, in den die vielen Treibjagden ausarten, kommt Unternehmen teuer zu stehen. Die entstandene Methodengläubigkeit grenzt geradezu an Wahnsinn, weil keine rationale Abwägung mehr dahintersteht.
Sabine Dietrich analysiert in ihrem neuen Buch, wie und warum sich Unternehmen heute blind in immer neue Methoden treiben lassen. Sie identifiziert die Merkmale dieser Treibjagd, ihre Treiber und auch ihre verheerenden Folgen auf Menschen und Organisationen. Darüber hinaus bietet sie einen klaren Ansatz, wie Verantwortliche aus dieser unheilvollen Hatz aussteigen und souverän ihren unternehmensspezifischen Ansatz entwickeln können.

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Leseprobe

Kapitel 2
Kennen Sie die Treiber der Sauen?


Die eigentlichen Akteure, die das Geschehen bei der Methoden-Hatz lenken und bestimmen, sind die Treiber. Sie sind es, die die Sau aufstöbern. Sie sind es, die dem Tier den Weg durch das Dorf vorgeben. Sie sind es auch, die es zu dem Höllentempo anstacheln, mit dem es rennt.

Der Blick auf die Treiber der Hatz enthüllt, warum die Hörner namens Glaube, Fixierung und Hoffnung so viel Gehör finden und warum so viele Unternehmen dem Methodenwahnsinn verfallen – obwohl oder gerade weil dort intelligente und gut ausgebildete Entscheider sitzen.

Die erste Überraschung erleben Sie, wenn Sie beobachten, dass die Treiber nicht die äußeren Umstände wie Digitalisierung und Globalisierung sind. Diese erzeugen zwar massiven Veränderungsdruck – und insofern auch die Notwendigkeit, über neue Methoden nachzudenken und sie gegebenenfalls einzuführen. Der Aufruf zur Methodenhatz ist jedoch keine zwangsläufige und unausweichliche Reaktion auf den Druck. Erst wenn die äußeren Umstände auf die entsprechenden inneren Überzeugungen und Einstellungen treffen, kommt es zum Wahn:

Die Treiber der Hatz sind unbewusste Emotionen.

Sie sind dadurch wesentlich schlechter zu enttarnen, denn die meisten Betroffenen nehmen sie bei sich nicht direkt wahr. Und genau dieser Umstand verleiht den Treibern ihre Tücke: Sie verstecken sich hinter Argumenten und schießen aus ihrer Deckung immer neue Salven von inneren Appellen, doch endlich schnell etwas zu tun – egal was. Solange sie im Hinterhalt liegen, sind sie schwer zu hinterfragen.

Umso wichtiger ist es, dass Sie diese Emotionen bewusst wahrnehmen. Denn – Gefahr erkannt, Gefahr gebannt – allein der klare Blick verhilft Ihnen zu einem anderen Umgang.

Schauen Sie deshalb mit mir auf die drei treibenden Kräfte: die Angst, die Risikoscheu sowie die Überzeugung, dass der Untergang bevorsteht. Das Trio ist eng miteinander verwandt, wobei die Erstgenannte die Wurzel der beiden anderen ist …

Die Angst


Im Spiegel wurde im März 2018 Angst als das aktuelle »It-Girl« der Gefühle bezeichnet: Angst »hilft nicht, macht keine gute Laune, ist aber ansteckend«. Der Zusammenhang war ein anderer und doch trifft die Bezeichnung zu, denn das vorrangige Kennzeichen eines It-Girls ist seine stetige Präsenz in den Medien und in den Köpfen – das Gleiche gilt auch für die persönliche Angst in deutschen Unternehmen.

Das Maß der Angst wird durch vielfältige Faktoren beeinflusst, wobei die Medien durchaus ihren Beitrag leisten – auf diesen Punkt gehe ich später noch ein. Zunächst greife ich aus dem Potpourri der Einflussfaktoren die altersspezifischen Anteile heraus, die einen breiten Raum einnehmen …

Die Ängste der Angekommenen


Bei allen, die bereits einen längeren Berufs- und Karriereweg hinter sich haben, schleicht sich ganz automatisch die Angst ein, mit den steigenden Anforderungen nicht mehr mithalten zu können. Bisher glichen etablierte Führungskräfte ihre eigenen Zweifel durch das sichere Gefühl aus, mögliche Defizite durch Erfahrung wettmachen zu können. Doch durch die vielschichtigen und tiefgreifenden Veränderungen, die wir aktuell erleben, gepaart mit deren nie gekannter Geschwindigkeit, kommt ihnen dieser Ausgleich immer mehr abhanden.

Solche Manager sind weit vor der digitalen Ära geboren und aufgewachsen. In ihrer beruflichen Laufbahn sind sie ausschließlich mit tradierten Management- und Führungsmethoden in Berührung gekommen. Doch die einst ehernen Regeln der Unternehmensführung greifen nicht mehr zuverlässig. Das schafft Verunsicherung.

Darüber hinaus erfordern die Umwälzungen der technischen Möglichkeiten die stetige Auseinandersetzung mit diesen Neuerungen. Allein durch ihren teils ungelenken Umgang mit den immer neuen Gadgets befürchten sie, in den Augen ihrer Mitarbeiter weniger handlungsfähig zu wirken.

Derartige Befürchtungen würden die Betroffenen nie laut äußern – und doch können Sie Ängste an vielen ihrer Reaktionen ablesen. Zum Beispiel daran, dass sich auf einmal 55-Jährige betont modern geben, auch mal die Baseball-Kappe aufziehen oder sich mit der Laptop-Tasche aus recyceltem Turngeräteleder sehen lassen. Oder wenn sie sich mit großer Begeisterung junge Leute direkt von der Uni weg einladen, um in ihrer Mitte im Flair der Jugendlichkeit zu baden und davon zu schwärmen, wie sie in diesem Alter waren.

Eine andere Ausprägung der Angst ist es, wenn ein 62-jähriger Manager, der kein Wort Englisch versteht, meint, er müsste sich dringend für den englisch-sprachigen Scrum-Kurs anmelden. Das Unternehmen hatte den Mitarbeitern die Teilnahme freigestellt, also war er »freiwillig« dabei. Doch der Treiber hinter seiner Anmeldung war nicht der freie Wille, sondern die Angst, sonst zum alten Eisen gezählt zu werden.

Viele aus dieser Generation sind auch einfach verunsichert. Sie wissen nicht mehr, wie sie sich und ihre Leistung einschätzen sollen. Ihre teils schnell wechselnden Vorgesetzten werden immer jünger, haben eine andere, möglicherweise bessere Ausbildung durchlaufen und stellen andere Anforderungen. Die vielerorts neu eingeführte Vertrauenskultur verstärkt die Verunsicherung noch: Auf einmal sollen Manager wie Mitarbeiter deutlich selbstverantwortlicher als früher Entscheidungen treffen. Gleichzeitig liefert ihnen niemand die Maßgaben mit, was richtig oder falsch ist. Das ist schlichtweg keiner gewöhnt.

Ein Freund sagte vor Kurzem wörtlich zu mir: »Dass meine letzten Berufsjahre die schwierigsten werden würden, war mir klar. Dass sie aber so schwierig werden …« Ja, die Welt ist in Bewegung: Neue Systeme kommen, neue Anforderungen entstehen.

In immer schnellerer Folge beeinflussen neue, unbekannte Faktoren den Arbeitsalltag.

Die Betroffenen sind sich trotz aller Erfahrung nicht mehr sicher, ob sie die neuen Anforderungen in der Vielzahl und dem geforderten Tempo bewältigen können. Und das, obwohl sie in ihrer beruflichen Laufbahn bereits so viel erreicht haben …

Manchem macht jedoch genau dieser Punkt besonders zu schaffen, denn das Viel-Erreicht-Haben lässt den Endowment-Effekt wirksam werden. Der von dem US-amerikanischen Ökonomen Richard Thaler geprägte Begriff bezeichnet das Phänomen, dass Menschen das, was sie haben, als wertvoller empfinden als das, was sie nicht haben. Als Grund nennt er die emotionale Beziehung, die wir zu unserem Besitz aufbauen. Beispielsweise überschätzen Hausbesitzer oft den Wert ihrer Immobilie. Selbst Profis unterliegen dem Effekt: Charles Munger, rechte Hand von Warren Buffett, erzählt von sich selbst, dass er dereinst ein sehr lukratives Geschäft nur aus dem Grund ausschlug, weil er wegen fehlender liquider Mittel eines seiner damaligen Besitztümer hätte verkaufen müssen. Das brachte er nicht übers Herz.

Manager haben oft durchaus eine emotionale Bindung an die Insignien ihrer Führung wie den Ledersessel, das Eckbüro mit zwei Fenstern, das Diensthandy oder den Firmenwagen. Proportional zur Größe und zur persönlichen Bedeutung des »Besitzes« wächst auch die Stärke des Endowment-Effekts. Entsprechend ist die Angst erfolgsverwöhnter deutscher Manager groß. Sie haben gefühlt bei jeder Veränderung mehr zu verlieren als zu gewinnen.

In vielen Fällen haben sie das tatsächlich: Wenn sie ihr Umfeld seit Jahrzehnten vorrangig auf ihre Funktion ausgerichtet haben, macht ihnen deren Verlust verständlicherweise Angst. Vor einiger Zeit war ich zum runden Geburtstag eines Unternehmensvorstands eingeladen. Es waren 80 Gäste da, doch es handelte sich neben der Familie ausschließlich um Geschäftspartner. Das ist ab einer bestimmten Führungsebene keine Seltenheit. Da steht unter privaten Kontakten: Fehlanzeige. Keine Zeit dafür gehabt. Für solche Menschen heißt das, dass mit dem Job auch das soziale Umfeld verloren geht.

Doch nicht nur die vor-digitale Generation wird von der Angst geplagt …

Die Ängste der Aufstrebenden


Junge Führungskräfte bangen häufig um ihre wirtschaftliche Existenz, weil sie gerade erst die Verantwortung für eine Familie übernommen haben. Den Kindern und dem noch nicht abbezahlten Häuschen zuliebe machen sie unbesehen alles mit, denn sie glauben: »Wenn ich widerspreche, bin ich draußen.«

Bei jüngeren Führungskräften sind die Ängste nicht kleiner, sondern oft sogar existenzieller.

Diese Ängste sind nicht aus der Luft gegriffen. Meiner Erfahrung nach wird in Konzernen genau das häufig klar kommuniziert: »Entweder Sie ziehen mit oder wir müssen uns von Ihnen verabschieden.« Das folgt aus Unternehmenssicht durchaus einer Logik, denn zu den Erfolgsfaktoren von Hochleistungsteams gehört nun mal eine konsequente Personalauswahl.

Weitere Nahrung finden die Ängste in Aussagen wie: »Nach Einführung von Agilität überleben nur zehn von 100 Führungskräften – alle anderen verlieren ihre Daseinsberechtigung im...

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