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Johann Sebastian Bach

Große Komponisten

AutorPhilipp Spitta
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl2600 Seiten
ISBN9783849602321
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Bereits früh hatte Spitta mit ausgiebigen Forschungen zum Leben und Wirken von Johann Sebastian Bach begonnen, deren Ergebnisse er 1873 im ersten Band seiner Bachbiographie darlegte. Diese erhob 'den bisher Unbekannten mit einem Schlage zu den höchsten Ehren der Wissenschaft' und führte zunächst im April 1874 zu Spittas Berufung als Oberlehrer an die Leipziger Nikolaischule. Die Biografie gehört zu den umfangreichsten Werken über Bach überhaupt.

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Leseprobe

I.


 

Das Geschlecht, dem Johann Sebastian Bach entstammte, ist ein grunddeutsches und läßt sich in seinem thüringischen Heimathsitze schon vor den Zeiten der Reformation nachweisen. Mit derselben Stetigkeit, welche im 17. und auch noch im 18. Jahrhundert seine Angehörigen in den Dienst der Musik trieb, blieb es durch drittehalb Jahrhunderte in einer Gegend wohnhaft, verzweigte sich bis ins Unübersehbare und erschien zuletzt als ein wesentliches Stück der dortigen Volkseigenthümlichkeit. Nicht weniger ausdauernd hielt es an gewissen Vornamen fest, und durch einen bezeichnenden Zufall trägt der erste des Stammes, von dem wir Kunde erlangen konnten, schon den Namen, der als häufigster unter allen vorkommenden auch unserm großen Meister eigen ist.

Dieser früheste Vertreter ist Hans Bach aus Gräfenrode, einem Dorfe etwa 2 Meilen südwestlich von Arnstadt gelegen. Gräfenrode war am Anfange des 16. Jahrhunderts dem Grafen von Schwarzburg untergeben, wahrscheinlich gehörte es jedoch zur gefürsteten Grafschaft Henneberg und der Schwarzburger besaß es nur als Pfand. Die thüringischen Herren jener Zeit befanden sich häufig in Geldnoth, und versetzten dann Ortschaften oder ganze Districte ihres Gebietes wie ein Stück vom Hausrath. Hans Bach, den wir uns als einfachen Bauer denken müssen, scheint mit andern Gräfenrodern, unter denen sich ein gewisser Abendroth befand, in den nahen Ilmenauer Bergwerken gearbeitet zu haben, deren Betrieb zu derselben Zeit von Erfurt aus in Angriff genommen war. Wohlhabende Erfurter Bürger hielten sich wohl zu diesem Zwecke zeitweilig in Ilmenau auf, und einer von ihnen kann Hans Schuler gewesen sein, mag derselbe nun mit Johannes Schüler, dem Ober-Vierherrn des Raths zu Erfurt vom Jahre 1502 und 1506, identisch sein oder nicht. Jedenfalls war dieser Schuler die Veranlassung, daß gegen Bach aus sonst unbekannten Gründen um das Jahr 1508 ein Process beim geistlichen Gericht des Erzstiftes Mainz anhängig gemacht und er mit dem genannten Abendroth in Gewahrsam gehalten wurde. Erfurt gehörte nicht nur zur Mainzer Diöcese, sondern die Erzbischöfe hatten auch seit langem in der Stadt eigne Besitzungen und beabsichtigten unablässig ihren Einfluß daselbst zu vergrößern. Die Verhafteten suchten durch Vermittlung des damaligen Grafen von Schwarzburg, Günther des Bremers, los zu kommen; dieser verwendete sich jedoch, wie es scheint, ohne besondern Erfolg für seine Unterthanen. Ein Brief, den er nach manchen vergeblichen Versuchen im Februar 1509 an den Domherrn Sömmering in Erfurt schrieb, mit der Versicherung, er wolle in strengster Form Rechtens die Sache vor seinen eignen Gerichten entscheiden lassen, wenn man Bach und Abendroth nur frei gäbe, ist erhalten und für den eben erzählten Vorgang die Quelle. Was weiter aus der Sache geworden, kann nicht angegeben werden1. Der Name Bach findet sich aber unter den Bewohnern von Gräfenrode noch das 16. und 17. Jahrhundert hindurch. Auch in Ilmenau war im Jahre 1676 ein Johannes Bach Diaconus2.

Wenden wir uns über Arnstadt hinaus eine starke Meile nordöstlich zu dem Dorfe Rockhausen. Hier wohnte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Wolf Bach, ein reich begüterter Bauer. Als er starb, hinterließ er seiner Gattin Anna, welche ihm elf Kinder geboren hatte, sein sämmtliches Vermögen zum Nießbrauch. Im Jahre 1624 war diese »ein sehr alt verlebt Weib«, und wollte die Güter unter ihre noch lebenden Kinder theilen. Wir erfahren von einem Hofe, 4 guten und 32 geringen Ackern, zusammen geschätzt auf 925 Fl. – ein für damalige Verhältnisse sehr ansehnlicher Besitz und jedenfalls zur Zeit der bedeutendste des Ortes, was auf ein langes Ansässigsein daselbst hinweist. Die Kinder, deren uns drei Söhne: Nikol, Martin, Erhart, und eine verheirathete Tochter genannt werden, waren zum Theil schon ziemlich bejahrt; Erhart befand sich seit 18 Jahren in der Fremde, war schon über die fünfziger hinaus, Nikol schritt im Jahre 1625 zu seiner dritten Ehe. Dieser hatte schon vor der Theilung des väterlichen Nachlasses einen stattlichen Grundbesitz und war zuverlässig auch der einzige, welcher als Stammhalter in Rockhausen zurückblieb. Anläßlich seiner letzten Verheirathung erwuchsen ihm allerhand Vermögensstreitigkeiten; eine eigenhändige Eingabe in dieser Angelegenheit ist erhalten, die ihn auch mit der Feder nicht ungewandt erscheinen läßt3. In den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts scheint sich kein Bach mehr in Rockhausen zu finden.

Unweit Rockhausen in westlicher Richtung liegt Molsdorf, wo das ganze 17. Jahrhundert hindurch ebenfalls eine reichverzweigte Bachsche Familie ihren Wohnsitz hatte. Der dreißigjährige Krieg hat die frühesten und wichtigsten Pfarr-Register vernichtet, die erhaltenen reichen nur bis zum Jahre 1644 zurück. Nach ihnen war der älteste der dort lebenden Bachs – er hieß wiederum Hans – 1606 geboren. Ein Andreas Bach, dessen Wittwe am 21. März 1650 starb, greift aber sicherlich noch in das vorhergehende Jahrhundert hinüber. Söhne desselben können Ernst und Georg Bach gewesen sein, letzterer war 1624 geboren. In einem Zeitraum von kaum 70 Jahren werden über zwanzig Glieder der molsdorfschen Familie erwähnt, die männlichen Individuen mit den Namen Johann, Andreas, Georg, Ernst, Heinrich, Christian, Jakob, Paul, die, von dem letzten abgesehen, auch in der Sebastian Bachschen Linie reichliche Anwendung fanden, während die weiblichen Namen abweichen. Andere Quellen berichten noch von einem Nikol Bach aus Molsdorf, welcher in das schwedische Heer eingetreten war und am 23. Juni 1646 in Arnstadt begraben wurde, da er »trunkener Weise aus selbstgegebener Ursache erstochen worden«4. Auch irren wir wohl kaum, wenn wir Johann Bach, »Herrn General Vrangels Musicanten«, gleichfalls aus dem Orte entstammt sein lassen, einen Mann, der als »kunstreich« gerühmt wird, von dem man aber sonst nur weiß, daß er 1655 schon todt war und eine Tochter hinterlassen hatte5. Dies wäre dann der erste Musiker der Molsdorfer Linie. Der zuvor erwähnte Georg Bach erhielt von seiner Gattin Maria am 23. Mai 1655 einen Sohn Jakob, welcher Corporal im kursächsischen Kürassier-Regimente und der fernere Stammhalter des Geschlechtes wurde. Dasselbe verließ Molsdorf im Anfange des 18. Jahrhunderts, um sich weiter nordwärts in Bindersleben bei Erfurt niederzulassen. Hier besteht es noch jetzt, nachdem mehre tüchtige Musiker daraus hervorgegangen waren, unter denen Johann Christoph (1782–1846) der bedeutendste gewesen zu sein scheint, der wenngleich einfacher Landwirth doch als Orgelspieler und Componist zu seiner Zeit in Thüringen einen guten Ruf besaß.

Wir wandern nun zum dritten Male weiter nach Süd-Westen, wo wir nahe bei Gotha die Heimath der directen Vorfahren Sebastian Bachs erreichen. In welchem Zusammenhange dieselben mit den vorher erwähnten Stämmen stehen, ist nicht zu sagen, aber es hieße das Unwahrscheinlichste annehmen, wenn man ihn zwischen Familien gleichen Namens und vielfach gleicher Vornamen, die auf einem kleinen Flächenraume neben einander wohnen, leugnen wollte. Wir müssen übrigens die gemeinsame Wurzel mindestens in die Mitte des 15. Jahrhunderts zurückverlegen, denn im 16. hatte der Stamm schon mächtige Aeste nach vielen Seiten hin getrieben. Auch in Wechmar – so heißt das letzte Ziel unseres Umganges – saßen die Bachs schon vor 1550 fest. Ihr ältester Repräsentant, der auch hier den Namen Hans führt, erscheint am Montage vor Bartholomaei des Jahres 1561 als Mitglied der Gemeindevormundschaft6. Ein solcher Posten verlangt einen gereiften Mann, sein Geburtsjahr mag also um 1520 zu setzen sein. Veit Bach, den Sebastian Bach selbst als Ahnherrn der Familie angiebt, kann als Hansens Sohn gelten, und dürfte zwischen 1550 und 1560 geboren sein; wahrscheinlich war er nicht der einzige, wie das Folgende ergeben wird. Seinen Vornamen trug er von St. Vitus, dem Schutzheiligen der wechmarischen Kirche7, und deutet dadurch auf ein inniges und dauerndes Verwachsensein mit den Ortsangelegenheiten. Er lernte das Bäckerhandwerk, zog, wie sein Stammverwandter Erhart Bach aus Rockhausen, in die Fremde, und ließ sich in irgend einem ungarischen Orte nieder8. Im Kurfürstenthum Sachsen, zu dem bei Beginn der Reformation auch Gotha und Umgegend gehörte, war bekanntlich am frühesten die lutherische Religion angenommen worden; ebenso hatte sich dieselbe unter den Kaisern Ferdinand I. und Maximilian II. in Ungarn rasch und blühend entwickelt. Unter Rudolph II. (1576–1612) begann der Rückschlag; die Jesuiten wurden wieder ins Land geführt und bedrängten die Lutheraner mit wachsendem Erfolg. Veit wird das Jahr 1597, wo durch Erwerbung der Probstei Thurócz jesuitischer Einfluß übermächtig wurde, nicht abgewartet haben. »Ist dannenhero«, wie Sebastian Bach erzählt, »nachdem er seine Güter, so viel es sich hat wollen thun laßen, zu Gelde gemacht, in Deutschland gezogen«, und, fahren wir fort, in sein thüringisches Heimathdorf zurückgekehrt, wo er Sicherheit für sich und seinen Glauben fand. Hier soll er die Bäcker-Profession weiter getrieben haben, sicherlich aber nicht mehr lange, denn am Ende des 16. und Anfange des 17. Jahrhunderts waren die Wechmaraner Backhäuser in andern Händen. Die Mittheilungen Sebastian Bachs schildern den Veit auch eigentlich nicht als Bäcker, sondern als Müller, doch waren beide Handwerke wohl oftmals mit einander verbunden9. Als echter Thüringer liebte und übte er die Instrumental-Musik. »Er hat«, sagt sein Ururenkel, »sein meistes Vergnügen an einem Cythringen10 gehabt,...

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