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Jugendliche Clique und ihre Sozialräume - Überlegungen zu einer stadtteilorientierten sozialen Arbeit mit Jugendlichen

Überlegungen zu einer stadtteilorientierten sozialen Arbeit mit Jugendlichen

AutorAndree Kämpfer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl136 Seiten
ISBN9783638585729
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Universität Siegen, 138 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Was ist 'Jugend' heute? Was bedeutet es, in der heutigen modernen Gesellschaft 'Jugendlicher' zu sein? Wie leben Jugendliche heute angesichts des gesellschaftlichen Wandels und wie sieht dieser aus? Wie organisieren diese ihr Leben bzw. 'Überleben'? Welche Strategien werden dabei angewandt? So kontrovers die Auseinandersetzung mit der Situation und der Zukunft der Jugend zurzeit geführt wird, so unterschiedlich ist scheinbar auch die öffentliche Meinung über diese. Sie hat (und hatte) viele Gesichter: von 'Rumgammlern', der 'Null-Bock-No-Future-Generation' in den frühen 1980ern, der 'Problemjugendlichen' bis hin zum positiven Bild des 'Zukunftsträgers'. Die Jugendforschung erkannte in den letzten 20 Jahren Jugend(sub)kulturen und Cliquen als Feld vielfältiger Ausdrucks- und Bewältigungsformen von Jugendlichen für sich. Es ergeben sich aber nach wie vor Fragen, vielleicht sogar mehr denn je. Denn, welche Bedeutung kann man Jugend(sub)kulturen heute beimessen? Welche Differenzierungen sind zu beachten? So erfährt auch das alltägliche Leben der Jugendlichen im Stadtteil und der Sozialraumbegriff zunehmende Beachtung. Was bedeuten Räume für unterschiedliche jugendliche Cliquen (bzw. für den Jugendlichen als Teil der Clique)? Wie und warum eignen sich Jugendliche diese an? Auf welche Probleme stoßen sie dabei? Wie entsteht Sozialraum? Aus Sicht einer sozialraumorientierten Jugendarbeit stellt sich somit in der Auseinandersetzung mit dem Thema die Frage, welche Ziele dieser Ansatz sich setzen sollte, wie diese zu realisieren sein könnten, und was dabei zu beachten ist. Eine weitere Frage, die gerade in der aktuellen Debatte oft gestellt wird: befindet sich die Jugendarbeit wirklich 'in einer Krise' oder bietet ein sozialräumlicher Ansatz wichtige Impulse? Und: können oder müssen sozialräumliche Ansätze im Sinne einer Erweiterung des Aufgabenbereichs der Jugendarbeit mit Ansätzen stadtteilorientierter Sozialarbeit kombiniert werden? Somit auch: welche Anhaltspunkte für diese 'gemeinsame Zukunft' sind in der aktuellen Literatur bisher erarbeitet? Wie kann sich Stadtteilorientierung in einer sozialräumlichen Jugendarbeit ausdrücken? Diese Diplomarbeit geht den Fragen nach, inwieweit die jugendliche Clique, Jugend(sub)kulturen und deren Raumverhalten Eingang in die soziale Arbeit mit Jugendlichen im Stadtteil gefunden haben, welche Bedeutung dem Sozialraumbegriff zukommt, und was der Stadtteil als Gefüge von Sozialräumen für diese Jugendlichen bedeutet.

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Leseprobe

„Es gilt also neben den institutionalisierten, aber unsichtbar werdenden sozialen Übergängen … insbesondere auch die heutigen, eher entritualisierten Prozesse der ’selbstinitiierten’ biographischen Übergänge und entinstitutionalisierten Lebenslaufperspektiven sowie vor allem die heutige Vielfalt der jugendlichen Lebenslagen, Lebensformen und Lebensstile … in den Blick zu nehmen.“ (Ferchhoff, 1993a, S.107)

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Um dieser Pluralisierung gerecht zu werden, versucht Ferchhoff (1993a) in 23 Punkten der heutigen Jugend ein Gesicht zu geben. Von diesen sollen als Einstimmung in den Themenbereich im Folgenden nur diejenigen erwähnt werden, die im Rahmen dieses Unterpunktes dieser Diplomarbeit m.E. die größte Relevanz aufweisen. 2

(4) „Jugend ist Gegenwartsjugend“ Jugendphase als solche weicht an ihren Rändern immer mehr auf, wird an ihrem oberen Rand durch eine „Nachjugendphase“ ausgeweitet. So kommt es aufgrund der Möglichkeit der Teilhabe an der Erwachsenenwelt erstens zu einem Nachlassen der „Zielspannung“ (ebd., S.119) Erwachsen zu werden (vgl. ebd.), zweitens angesichts wachsender Unsicherheiten und schwindender Garantien zu einer stärkeren Gegenwartsorientierung, zu einem hedonistischem „Hier-undjetzt“-Lebensstil. Zukunftsorientierung und Verzicht auf gegenwärtigen Genuss im Hinblick auf zukünftige Möglichkeiten haben für Jugendliche oft kaum noch erkennbaren Wert (vgl. ebd., Ferchhoff, 1991, S.104). Es besteht aber auch teils die Notwendigkeit zur Gegenwartsorientierung, da nur so eine höhere Flexibilität im Umgang mit „diffuse[n] Lebenssituationen“ (Ferchhoff, 1993a, S.120) möglich wird. So schreibt Ferchhoff (1993a): „Jugendzeit ist … eigenständige, lustvolle und bereichernde Lebensphase, also Selbstleben, jetzt zu lebendes, gegenwärtiges … hedonistisch genußreiches, manchmal aber auch … ein durch die mühsame Bewältigung von Alltagsaufgaben geprägtes Leben.“ (ebd., S.120) Es bleibt aber zu fragen, ob diese Beschreibung der Lebensphase Jugend durch Ferchhoff (1993a) nicht zu euphemistisch geraten ist. Zudem muss vor Verallgemeinerungen gewarnt werden. Die nach wie vor vorhandenen Chancenungleichheiten setzen nämlich Unterschiede in den Möglichkeiten und Grenzen hedonistischer Lebensführung und allzu einseitiger Gegenwartsorientierung, von den unterschiedlich starken (und so gar nicht „lustvollen“) Belastungen und Behinderungen für Jugendliche einmal ganz abgesehen. Auch

2. Grundlagen 14

wenn heute von einer wachsenden Gegenwartsorientierung in der Jugend gesprochen werden kann, so spiegeln die Äußerungen von Zukunftsängsten Jugendlicher aber eines mit Gewissheit wieder: die Zukunft ist noch längst nicht tot im Bewusstsein der Jugendlichen. Sie bekommt vielmehr ein verändertes Vorzeichen verpasst.

(8) „Jugendkultur ist alltagskulturell vermittelte Jugendkulturjugend“ In der heutigen modernen Gesellschaft verschwimmen die Grenzen zwischen sog. „höherer Kultur“ und den „Unterhaltungs- und Alltagskulturen für die Massen“ (Ferchhoff, 1993a, S.124). Durch Massenmedien (insbesondere technische Medien wie Fernsehen, Computer und durch die Medien der Musikindustrie) wird nach kapitalistischer Verwertungslogik je nach Geschmack „aufbereitete“ Massenkultur verbreitet und mit Vorhandenem vermischt. Dieses bezeichnet den ständigen Wechsel zwischen Protestcharakter (und -potential) eines (subkulturellen) Stils und schleichender Kommerzialisierung durch die Mode-, Musik- und Freizeitindustrie. Als Reaktion werden Stile oft durch weitere Ausdifferenzierung wieder abgegrenzt, dennoch wiederum nach gewisser Zeit von sog. „trendscouts“ für kommerzielle Verwertung entdeckt (siehe „Punk-Revival“, „Seventies-Mode“ etc.). Mode, Musik, Lebensstil werden zu Symbolen dieser Massenkultur, welche dann durch Kinder und Jugendliche durch „Selektion, Sinnverschiebung und Neucodierung (erneut) umgewandelt und aus ihrem gewohnten Kontext herausgelöst werden“ (ebd., S.125) können. Kinder und Jugendliche sind in dieser Sicht nicht so sehr Opfer der „Kulturindustrie“ sondern eher kreative Bastler eigener Jugendkultur (vgl. ebd.; Willis, 1981, Original London, 1978, S.20ff).

(12) „Jugend ist Gleichaltrigenjugend“ Mit Beginn der Einführung altershomogener Schulklassen wurde Schule mehr und mehr zum Entstehungsort von Gleichaltrigengruppen. Man befindet sich hier unter „Seinesgleichen“ (Ferchhoff, 1993a, S.128), „Jugend [ist] zu ihrer eigenen Bezugsgruppe geworden“ (ebd.). Im Zuge der zeitlichen Ausweitung des Bildungswegs ergibt sich analog auch eine zeitliche Ausweitung der Zugehörigkeit zu eben diesen Gleichaltrigengruppen (vgl. ebd.). Cliquen agieren aber dennoch größtenteils außerhalb der Schulen, da sich dort die Freizeit der Jugendlichen

2. Grundlagen 15

abspielt. Ein großer Teil der sozialen Beziehungen (und auch der Sozialisation) findet somit zunehmend (und ergänzend) außerhalb der primären Sozialisationsinstanzen Familie und Schule ab, nämlich in den „informellen Jugendkulturen oder Cliquen“ (Ferchhoff, 1993a, S.128). Experimentieren, Unverbindlichkeit, Sich-verstanden-fühlen, „Geborgenheit, Wärme, Sicherheit, Zusammengehörigkeit und Solidarität“ (ebd., S.129) zeichnen den Inhalt und die „Pull-Faktoren“ dieser Gruppen aus. Sie üben so angesichts wachsender Unsicherheiten und der Entsolidarisierung in der modernen Gesellschaft enorme Anziehungskraft auf Jugendliche aus. Die wachsende Wichtigkeit der Gleichaltrigengruppen im Leben Jugendlicher hat aber nicht nur positive Seiten. Abgrenzungserscheinungen, Rivalitäten und die „mögliche Tyrannei der Peers“ (ebd.), d.h. Ausgrenzung der Mitgliedschaft aus eben diesen Gruppen, werden von Ferchhoff (1993a) als die bedrohlichen Seiten dieser Entwicklung hingestellt (vgl. ebd.).

(19) „Jugend ist Patchworkjugend“ Laut Ferchhoff (1993a) werden die durch die Schwächung traditioneller identitätsstiftender Gemeinschaften und Institutionen entstehenden Lücken zunehmend durch medial vermittelte und überformte Lebensstile ersetzt. Diese befinden sich im ständigen Wandel, es zeichnet sich daher „keine klar abgrenzbare Gestalt ab“ (ebd., S.137). Identitätsaufbau auf dieser wechselhaften Basis führt dazu, dass das „’persönliche Ich’ vergänglicher, verletzlicher und zerstörbarer, aber auch segmentierter und widersprüchlicher“ (ebd.) geworden ist. Hier wird noch einmal auf die Ambivalenz dieser Entwicklung hingewiesen: auf der einen Seite der negativ aufgefasste Verlust von Eindeutigkeit, Sinnhaftigkeit und sozialer Verortung, auf der anderen Seite der positiv bewertete „Zugewinn bezüglich der kreativen, schöpferischen Seiten ohne Identitätszwang“ (ebd.). Als Folge ergeben sich Suchbewegungen in verschiedene Richtungen und ein Austesten von potentiellen Lebensentwürfen, ohne feste Verbindlichkeiten eingehen zu müssen (vgl. ebd., S.138). Diese Sinnsuche zeigt sich unter anderem in „jugend(sub)kulturellen Karrieren“, d.h. dem Wechsel bzw. der Vermischung der Zugehörigkeit zu Jugendszenen, so z.B. „vom Punk zum Skin“. Identitätsentwicklung wird hier zur biographischen Aufgabe, zersplittert-beliebig (d.h. siebeinhaltet die Gefahr, sich u.U. in einer Collage beliebiger Teile nicht wirklich

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wieder zu erkennen) und vielgestaltig-flexibel (d.h. kreativ mit jugendkulturellen Stilelementen am eigenen Selbst arbeiten und entsprechend Teile erprobend hinzufügen) (vgl. Ferchhoff, 1993a, S.138). Jugendliche Biographie als Patchwork, eben „von Vielem etwas“.

(21) „Jugend ist ego- und ethnozentrische Jugend“ Jugend(sub)kulturen zeichnen sich durch die Abgrenzung nach außen, als Markieren des „Anders-Seins“, und nach innen, als Mittel der Schaffung von gemeinsamer Identität und Zugehörigkeitsgefühl, aus. Diese Abgrenzung äußert sich in bestimmten Jugend(sub)kulturen dabei teils in „ethnozentrische[r] Gruppenhaltung, die die jeweils anderen kulturellen Ausdrucksmöglichkeiten … aggressiv ausschließt“ (ebd., S.140), und in einer (z.T. gewaltsamen) Abwehr der „Nichtdazugehörigen“ (ebd.). So wird hier kritisch bemerkt, dass die wachsende Pluralität auch neue Konfliktlinien heraufbeschwört, und oft eben nicht zu Akzeptanz der Andersartigkeit und kultureller Bereicherung geführt hat (vgl. ebd.).

Ergänzend zu den oben genannten Punkten sollen im Folgenden für die Begriffe Peergroup, Clique und Jugend(sub)kultur Inhalt und Bedeutung für Jugendliche näher erläutert werden.

Peergroup „peer group

Gruppe von Gleichaltrigen“ (Reinhold, 1991, S.598).

Anwendung findet der Begriff Peergroup in der Kindheits- und Jugendforschung. Peergroup wird als Begriff allgemein gleichgesetzt mit Gleichaltrigengruppe (hier: von Jugendlichen), was zwar eine altersgemäße Homogenität schon impliziert, aber der Realität nur begrenzt entspricht. So scheint der „Peergroup“-Begriff vielmehr auch eine Information über den biographischen Entwicklungsstand des Jugendlichen zu beinhalten. „Gleichaltrige finden sich strukturell in der gleichen Lebenslage und nehmen eine gemeinsame Definition ihrer Lebenswelt vor. Sie können sich deswegen bei der Lösung ihrer biographischen Aufgaben gegenseitig unterstützen.“ (Hurrelmann, 1999, S.41)

2. Grundlagen...

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