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Jugendsubkultur HipHop

Ein Sprachrohr für Jugendliche mit Migrationshintergrund in Deutschland?

AutorAllesandro Greco
VerlagArchiv der Jugendkulturen Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl127 Seiten
ISBN9783943774689
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Die Arbeit widmet sich der Frage, inwieweit HipHop in seiner subkulturellen und künstlerischen Erscheinungsform für die Soziale Arbeit nutzbar gemacht werden kann. Im Fokus stehen dabei in der deutschen Szene relevante Künstler und deren Rap-Texte. Mit einem Blick auf die historische Entwicklung des HipHop werden die Facetten dieser Jugend(sub)kultur vorgestellt und aufschlussreiche Interviews mit einer Expertin und Szenemitgliedern präsentiert, wobei deren soziales Engagement für Jugendprojekte offenkundig wird. Hier zeigt sich, dass HipHop in der Sozialen Arbeit unter qualifizierter Anleitung sowohl zur sprachlichen Förderung als auch zu einem positiven Identitätsaufbau gerade bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund beitragen kann.

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Leseprobe

2 Was sind Jugend(sub)kulturen? Begriffsdefinition


In diesem Kapitel soll der Begriff „Jugend(sub)kultur“ bzw. Subkultur näher definiert werden. Zunächst einmal wird der Mutterbegriff „Kultur“ erklärt, mit welchem in dieser Ausführung gearbeitet werden soll. Im Anschluss dazu soll die Subkulturtheorie nach Mike Brake dargestellt werden. Darüber hinaus wird die Beziehung von Subkulturen und Migration kurz analysiert, um schließlich die besonderen Aspekte von musikzentrierten Subkulturen zu beleuchten.

2.1 Kultur- und Subkulturbegriff


Der Begriff der „Kultur“ ist von einer Vielzahl von Anthropologen, Ethnologen und Soziologen […] hinlänglich definiert worden. Kultur ist der Inbegriff alles nicht Biologischen in der menschlichen Gesellschaft. […] Kultur ist die Summe aller Institutionen, Bräuche, Werkzeuge, Normen, Wertordnungssysteme, Präferenzen, Bedürfnisse usw. in einer konkreten Gesellschaft.4

Um eine hinreichende Begriffsdefinition von Subkultur/Jugendkultur/Jugendsubkultur zu erzielen, ist eine Betrachtung des Mutterbegriffs „Kultur“ Voraussetzung. Eine eindeutige Bestimmung des Begriffs „Kultur“ ist äußerst problematisch, wenn nicht sogar unmöglich. Schon 1952 legten Kreober/Kluckhohn nahezu 300 verschiedene Definitionen des Begriffs „Kultur“ vor (vgl. Müller-Bachmann 2002, S. 21). Der Begriff der Kultur umfasst ein sehr weites Feld der unterschiedlichsten menschlichen Verhaltensweisen und Aktivitäten. Dieses weite Feld an Begrifflichkeiten nimmt seinen (sprachlichen) Ausgangspunkt beim Ackerbau der Frühgeschichte (im Sinne von „Urbarmachen“, also der Umwandlung von wilder Natur in Nutzfläche für die Landwirtschaft; von lat. cultura, „Bearbeitung“, „Pflege“, „Ackerbau) und erstreckt sich von der Bildung und Ausdifferenzierung der individuellen Lebensweise des Menschen bis hin zu der Gesamtheit der kreativen, künstlerischen und geistigen Lebensäußerungen, welche als „die Kultur“ verstanden werden (vgl. ebd.).

Aus einer Vielzahl von Kulturdefinitionen lassen sich laut Müller-Bachmann zwei prinzipielle Definitionen herauskristallisieren. Der erste und gängigste Kulturbegriff oder auch „geisteswissenschaftliche Kulturbegriff“ definiert Kultur als einen Maßstab ästhetischer Qualität (Kunst) und weist sie als normativ aus. Dieser Kulturbegriff versteht Kultur als ein auf die Geschichte rekurrierendes Überlieferungssystem. In diesem Zusammenhang wird davon ausgegangen, dass es nur eine Kultur gibt, nämlich die der gebildeten Schichten Westeuropas. Es wird bei diesem Kulturbegriff von einer ungeteilten Gesellschaft bzw. Kultur ausgegangen. Zu diesem Kulturbegriff gehört auch ein eher hierarchisch-elitärer Anspruch der Kultur (vgl. Müller-Bachmann 2002, S. 23).

Der zweite ist der anthropologisch-soziologische Kulturbegriff, welcher für diese Arbeit geeigneter ist als der geisteswissenschaftliche Kulturbegriff. Er verzichtet auf jegliche elitäre und homogene Aspekte. Diese Begriffsdefinition von Kultur umfasst alles, was der Mensch im Laufe seines Lebens erreichen und zum Ausdruck bringen kann. Kultur bedeutet in diesem Kontext eine bestimmte Lebensweise, die sich ergänzend zur Bildung und Kunst auch in Institutionen und alltäglichen Lebensstrukturen und deren gesellschaftlichen Lebenszusammenhängen ausdrückt. Zwar wird Kultur auch in diesem Ansatz als ein System von Wertvorstellungen angesehen, welches als Grundlage für die Bildung von Normen und Rollen dient. Der Unterschied zur traditionellen Auffassung von Kultur ist jedoch, dass die Wertvorstellungen zwar historische Grundlagen haben, aber auch einem ständigen Wandel unterworfen sind (vgl. ebd.).

Dieser zweite, anthropologisch-soziologische Kulturbegriff ist im Gegensatz zum geisteswissenschaftlichen Kulturbegriff flexibler und wird der (post)modernen Gesellschaft eher gerecht. Der geisteswissenschaftliche Ansatz erscheint in seinem Kulturverständnis, mit seinem Anspruch auf Homogenität, zu eingeengt und für diese Arbeit auch ungeeignet, weil er die Begriffe Subkultur bzw. Jugendsubkultur von vornherein ausblendet. Die mit der Etablierung der Massenmedien und anderen Faktoren (Industrialisierung, Emanzipation, Bildung etc.) einhergehende Pluralisierung hat die Grenzen zwischen Kultur, Gesellschaft und Ökonomie aufgebrochen. Die Vielfalt kultureller Angebote und die unendlichen Möglichkeiten der Partizipation, die immer weniger an bestimmte gesellschaftliche Bedingungen wie Alter, Geschlecht, soziale und ethnische Herkunft gekoppelt sind, lassen normative Kulturbegriffe fast überflüssig werden. In einer heterogenen, pluralisierten und sich in stetiger Bewegung befindenden industrialisierten und globalisierten Gesellschaft, welche auch die Mitglieder der Sub- bzw. Jugendsubkulturen betrifft, kann Kultur nur als etwas Prozesshaftes verstanden werden.

In Gesellschaften, die komplex verästelt sind, gibt es umso mehr Kulturen (Sub- und Klassenkulturen), welche auf ihre Art und Weise gesellschaftlich Vorgegebenes verschiedenartig bearbeiten (vgl. Brake 1981, S. 16ff.). Kultur steht in Wechselwirkung zu den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. In solch einer ausdifferenzierten Gesellschaft gibt es nicht nur eine Kultur, sondern auch eine genauso ausdifferenzierte Anzahl an Sub-/Jugend- bzw. Jugendsubkulturen (vgl. ebd., S. 23ff.). Wenn man also von einer Gesellschaft ausgeht, welche soziale Ungleichheit impliziert, und von einem Kulturbegriff, der Kultur als prozesshafte, gelebte soziale Praxis versteht, ist es legitim, von „Kulturen“ im Plural zu sprechen (vgl. Müller-Bachmmann 2002, S. 31; Lindner 1981, S. 187). Erst in einem solchen Kontext erhalten Subkulturen ihren Sinn als Subsysteme, die in einem Zuordnungs- und Unterordnungsverhältnis zueinander stehen (vgl. Lindner 1981, S. 187).

Der Terminus bzw. das theoretische Konstrukt „Subkultur“ entstammt der angloamerikanischen Kulturanthropologie und Soziologie. Mit Hilfe dieses Begriffes beschrieb und analysierte man Handlungssysteme mit Werten, Normen, Verhaltensmustern, Ritualen, Ausdrucksformen und Symbolen, die von einer Menschengruppe mit charakteristischen Eigenschaften (z. B. Alter, Geschlecht, Religion, Ethnie usw.) praktiziert und akzeptiert werden und die von der herrschenden Kultur in gewissem Maße abweichen (vgl. Griese, 2000, S. 18).

Der Begriff „Subkultur“ ist in der wissenschaftlichen Diskussion noch immer nicht exakt bestimmt und umstritten. Es wird damit eine gesellschaftliche Teilkultur beschrieben, die sowohl Teil der vorherrschenden Kultur als auch gleichzeitig eine Abkehr von dieser ist (vgl. Thiele/Taylor 1998, S. 49).

2.2 Subkulturtheorien


In diesem Kapitel werden die Subkulturtheorien des Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS) und die Theorie der Subkultur nach Schwendter kurz dargestellt, um einen Vergleich zur darauf folgenden Soziologie der jugendlichen Subkulturen nach Mike Brake, welche für diese Arbeit relevant ist, zu ziehen.

2.2.1 Die Subkulturtheorie des Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS)

Seit Mitte der 1960er Jahre befasst sich das in Birmingham (England) gegründete Centre for Contemporary Cultural Studies intensiv mit der Subkulturanalyse unter Einbeziehung der jugendlichen Stil- und Ausdrucksmittel. Es war eines der ersten Institute, welches Jugendsubkulturen und deren Gruppenstile umfassend analysierte und vor einem gesellschafts- und kulturtheoretischen Hintergrund deutete. Ab den 1970er Jahren beschäftigten sich Vertreter des CCCS wie Dick Hebdige, Tony Jefferson, Angela McRobbie, John Clarke u. a. intensiv mit dem neuen kulturellen Phänomen der Jugendsubkultur (vgl. Müller-Bachmann 2002, S. 29). Das CCCS entwickelte ein differenziertes Analysekonzept zum kulturellen Hintergrund der in England auftretenden Subkulturen, der Mods, Teds, Rocker und Skinheads. Innerhalb der Konfigurationen der unterschiedlichen Kulturen werden Subkulturen als Subsysteme ihrer Klassenkultur – der Stamm- oder Herkunftskultur – verstanden. Mit dieser Stamm- oder Herkunftskultur besitzen Subkulturen Gemeinsamkeiten, heben sich aber auch von dieser ab. Die Subkulturtheorie des CCCS unterteilt weiterhin diese Klassenkultur in die „parent culture“, die „Stamm- oder Herkunftskultur“, und in die generationsspezifische Verarbeitung durch die ihr angehörigen Jugendlichen (vgl. ebd., S. 32).

Ein zweites Moment der Analyse des CCCS war das spannungsreiche Verhältnis der Subkulturen in Bezug zur dominanten, kapitalistischen Kultur. Subkulturen werden hier als Antwort auf klassenspezifische Lebenslagen begriffen und beziehen sich daher auf Jugendliche der „proletarischen Schicht“, der die herrschende, kapitalistische „Stammkultur“ keine passenden Lösungsmuster mehr anbieten kann. Hier werden Subkulturen als kollektive Problemlösungsstrategien verstanden, welche vorwiegend unter Jugendlichen der Arbeiterklasse entstehen (vgl. Brandstetter 2006, S. 14ff.).

Ausgehend von dieser Prämisse einer kulturellen Dialektik werden Subkulturen als „doppelt...

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