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E-Book

Jungen stärken

So gelingt die Entwicklung zum selbstbewussten Mann

AutorEduard Waidhofer
VerlagFischer & Gann
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl312 Seiten
ISBN9783903072695
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Die Jungen von heute sind die Männer von morgen. Doch wie können sie auch zu glücklichen Menschen werden? Eduard Waidhofer erklärt umfassend die Persönlichkeitsentwicklung von Jungen sowie deren besondere Bedürfnisse und Nöte, gerade in der Lebenswelt von heute. Wie können Eltern sie einfühlsam begleiten und warum sind gerade Väter so wichtig? Anhand von Fallgeschichten und konkreten Tipps zeigt er, wie ein guter Erziehungsstil aussehen kann. Vor allem brauchen Jungen Grenzen, klare Ansagen, aber auch Halt und Sicherheit - und authentische, liebevolle Väter und Mütter.

Mag. Dr. Eduard Waidhofer ist Psychologe und Psychotherapeut in eigener Praxis. Ausbildung in Klientenzentrierter Psychotherapie, Systemische Familientherapie und Traumatherapie. Nach längerer Tätigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe und in der Kinder- und Jugendneuropsychiatrie leitete er viele Jahre die Männerberatungsstelle des Landes Oberösterreich und das Familientherapie-Zentrum, die er vor drei Jahrzehnten gegründet hatte. Er hält Männer-Seminare und unterrichtete an der Fachhochschule für Soziale Arbeit in Linz.

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EINLEITUNG


JUNGEN, IN ÖSTERREICH UND IN DER SCHWEIZ heißt es auch »Buben«, fordern uns heraus. Lehrer, Erzieherinnen und Eltern klagen immer häufiger über Verhaltensauffälligkeiten, Unkonzentriertheit, Unruhe und zunehmende Aggressivität von Kindern, insbesondere von Jungen. Oft werden sie als »Problemfälle« bezeichnet, teilweise sogar als »Tyrannen«. Doch anstelle von problembehafteten Bildern brauchen wir positive Bilder des Lebens von Jungen. Wie kann das gelingen? Was sind die Bedingungen dafür? Und schließlich: Wie können wir die Lebenswelten von Jungen heute besser verstehen?

Manchmal beziehen sich meine Ausführungen auch auf Mädchen, dann rede ich von Kindern oder Jugendlichen. Wenn wir uns mit aktuellen Themen wie Schulproblemen, Sucht und Gewalt von Jungen beschäftigen, sollten wir uns immer auch dessen bewusst sein, dass es »die« Jungen nicht gibt. Kein Junge ist wie der andere. Jungen sind keine homogene Gruppe, sie befinden sich in unterschiedlichen Lebenslagen, haben unterschiedliche Fähigkeiten, Bedürfnisse, Interessen und Lebenskonzepte.

Lange Zeit konzentrierte sich die Diskussion um Jungen auf die Probleme, die sie machen. In jüngster Zeit kommen mehr und mehr auch die Probleme in den Blick, die Jungen selber haben: Schwierigkeiten in der Schule, Identitätsprobleme, gesundheitliche Beeinträchtigungen, das Erleben von körperlicher und sexualisierter Gewalt. Auch das Thema Mannwerden kann zum Problem werden.

Jungen von heute stehen ganz anderen Herausforderungen gegenüber als noch die Generationen ihrer Väter und Großväter. Die Lebensbedingungen haben sich drastisch verändert; das beginnt schon im Alltag. Dort ist für Abenteuer und Freiheit in der Natur wenig Platz. Was Jungen heute verunsichert, sind die vielen widersprüchlichen Erwartungen und Männerbilder in der modernen Gesellschaft. Manche Vorstellungen sind durchaus traditionell und werden mitunter auch von Frauen geäußert. Es wird von Männern jedoch nicht nur erwartet, eine Frau zu beschützen und eine Familie zu ernähren, sondern sich auch emotional zu öffnen, partnerschaftlich zu kommunizieren und zu gleichen Teilen Hausarbeit und Kindererziehung zu übernehmen. In der Arbeitswelt hingegen sind traditionell männliche Ideale wie Durchsetzungsfähigkeit, Verfügbarkeit und Erfolgsorientierung gefragt. Dieser Widerspruch ist den Jungen durchaus schon bewusst.

Junge Frauen haben bereits großteils ein selbstbewusstes und moderneres Rollenverständnis von sich entwickelt; für die meisten jungen Männer ist das komplizierter. Von Jungen wird erwartet, männlich zu sein. In unserer Gesellschaft dominiert immer noch das Leitbild der »hegemonialen Männlichkeit«, was so viel bedeutet wie Führungsanspruch eines Mannes, seine Macht und Heterosexualität. Das drückt sich in Leitsätzen aus wie: »Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Steh deinen Mann! Sei ein echter Kerl!« Jungen stehen unter dem Druck, ihre Männlichkeit ständig »herstellen« zu müssen und immer zweifelsfrei erkennen zu lassen. Das erzeugt Stress. Wichtig ist, welche Männlichkeitsvorstellungen in der Umgebung zur Verfügung stehen. Viele Männer leben immer noch die traditionelle Männerrolle, definieren sich über den Beruf, über Macht, Ansehen und Status. Wieder andere sind bereits auf dem Weg zu einer neuen männlichen Identität. Sie sehen sich nicht mehr als die alleinigen Familienernährer, sondern leben eine gleichberechtigte Partnerschaft und sind als Väter für die Kinder auch emotional präsent. Männlichkeitsvorbilder sind für den Jungen also nicht mehr eindeutig. Es gibt eine Vielfalt von gelebten »Männlichkeiten«.

In der Schule sind manche Jungen – vor allem Jungen mit Migrationshintergrund oder Jungen aus niedrigen sozialen Schichten – die »Verlierer« des Bildungssystems. Sie haben durchwegs schlechtere Noten, müssen öfter die Klasse wiederholen als Mädchen, haben seltener einen Schulabschluss und besuchen seltener ein Gymnasium oder eine Hochschule.

Diese Benachteiligung der Jungen im Hinblick auf Bildungsund Zukunftschancen ist längst auch Thema in Presse und Medien. So lautete im Nachrichtenmagazin Focus bereits im Jahr 2002 eine Titelgeschichte: »Arme Jungs«. Der Spiegel formulierte 2004 in einem Beitrag provokant: »Schlaue Mädchen. Dumme Jungs«. In der Wochenzeitung Die Zeit war 2007 von der »Krise der kleinen Männer« zu lesen. Auch Frank Dammasch1 und viele andere Psychotherapeuten sehen »Jungen in der Krise«. Autoren wie Frank Beuster2 rufen sogar die »Jungenkatastrophe« aus. Sie kritisieren, dass die Erziehung von Jungen vorwiegend in Frauenhand liege, und beklagen das Fehlen männlicher Bezugspersonen und Vorbilder für die Jungen. Es ist mittlerweile auch die Rede vom schwachen (männlichen) Geschlecht, von »kleinen Machos in der Krise«3, von »Jungs im Abseits«4 und von Jungen als »Sorgenkindern«.5

Gegenüber all dieser Dramatisierung ist jedenfalls Skepsis angebracht. Denn man kann nicht von einer generellen Jungenkrise sprechen, da die meisten Jungen ihren Weg zu einer männlichen Identität dennoch schaffen. Die mediale Berichterstattung suggeriert, dass es »die« Jungen und »die« männliche Sozialisation gäbe. Auf die Vielfalt des Junge-Seins und die Potenziale von Jungen wird in dieser problemorientierten Sichtweise nicht eingegangen.

Es kann Eltern natürlich beunruhigen, wenn Jungen stundenlang am Computer sitzen und »keinen Bock« mehr auf Lernen haben. Besonders irritiert und verunsichert sind auch Eltern, deren Jungen Alkohol oder Drogen konsumieren, gewalttätig sind und einen »schlechten Umgang« haben. Gerade in der Pubertät merken Väter und Mütter, dass sie immer weniger Einfluss und Kontrolle auf ihre Kinder haben. Freunde und Medien werden in dieser Zeit für den Jugendlichen immer wichtiger. Wie können Eltern, die sich hilflos fühlen, unterstützt werden, ihre Autorität wiederherzustellen und ihre Erziehungskompetenz wiederzuerlangen? Auch darüber wird ausführlich zu reden sein.

Eine besondere Herausforderung für Lehrende in der Schule sind Jungen mit Migrationshintergrund. Hier – wie in der offenen Jugendarbeit – bedarf es insbesondere einer professionellen geschlechterreflektierenden oder geschlechtssensiblen Jungenarbeit durch Fachkräfte aus der Männerberatung und Sozialpädagogik. Dabei sollte das Thema Männlichkeit und Mann-Werden im Mittelpunkt der Arbeit stehen. Auch darauf werden wir im Praxisteil für Fachkräfte eingehen.

Die vielfältigen Probleme und Lebensbedingungen von Jungen dürfen weder bagatellisiert noch dramatisiert werden, sondern bedürfen einer differenzierenden Betrachtung. Vor allem geht es nicht um den pauschalen Vergleich mit Mädchen. Dass Jungen gewaltbereiter sind oder schlechter lesen können als Mädchen, trifft ja nur auf eine bestimmte Gruppe von Jungen zu. Im Unterschied zum bisherigen eher problemorientierten Diskurs sollte es um das Thema gelingende Männlichkeit gehen. Welche einengenden Bilder von Männlichkeit hemmen die Jungen in ihrer Entwicklung, beeinträchtigen sie in ihrer Lernmotivation oder führen sogar zu sozial unverträglichen Verhaltensweisen? All dies sind Fragen, die hier gestellt werden müssen.

Die Stärken von Jungen müssen mehr Beachtung finden. Viele Jungen sind hilfsbereit, empathisch und sensibel. Sie sind ehrlich, gestehen ihre Fehler ein, stehen zu ihren Gefühlen. Wir brauchen positive Bilder von der Vielfalt der Jungen, wenn wir ihnen in ihrer individuellen Situation wertschätzend und verständnisvoll begegnen wollen.

Dieses Buch soll Eltern, Pädagogen, Lehrkräfte und berufliche Ausbilder dabei unterstützen, einen klaren und effektiven Erziehungsstil zu entwickeln und umzusetzen. Wie lassen sich für Eltern Konflikte gewaltfrei lösen, wie können sie Machtkämpfe vermeiden und liebevoll, aber dennoch klar Grenzen setzen? Jungen brauchen vor allem sichere Bindungen und verlässliche Beziehungen, eine klare Haltung der Erzieherinnen, die ihnen Halt und Orientierung gibt. Die Persönlichkeitsentwicklung von Jungen wird nicht nur durch den Einfluss der Gleichaltrigen und der Medien, sondern ebenso durch die elterliche Erziehung und das Verhalten von Lehrerinnen geprägt. Eltern wie auch Fachkräfte sollten lernen, sich in Jungen einzufühlen, um sie in ihrem Junge-Sein etwas besser zu verstehen. Dazu passt ein indianisches Sprichwort: »Bewahre mich davor, über einen Menschen zu urteilen, ehe ich nicht eine Meile in seinen Mokassins gegangen bin.«

Das Buch soll helfen, Jungen gut durch die Kindheit und...

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