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E-Book

Käpt'ns Dinner - Wenn Träume in Erfüllung gehen

Geschichten, die mein Leben schrieb

AutorSiegfried Rauch
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl260 Seiten
ISBN9783451346316
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Endlich! Der Traumschiff-Kapitän erzählt aus seinem Leben. Kaum ein anderer deutscher Schauspieler war so lange im Geschäft. 1958 begann Siegfried Rauch seine Karriere. 1971 stand er mit Steve McQueen vor der Kamera. Seit 1999 durchkreuzt er als Kapitän Jakob Paulsen mit dem Traumschiff das Meer. Siegfried Rauch erzählz von Begegnungen, von seiner Zeit in Hollywood und davon, warum er wieder nach Deutschland zurückkehrte.

Siegfried Rauch, geb. 1932, ist seit den Fünfzigerjahren als Schauspieler auf der Bühne und in zum Teil internationalen Film- und Fernsehproduktionen bekannt und beim Publikum beliebt. Seit 1999 verkörpert er den Kapitän des ZDF-Traumschiffs.

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Leseprobe

Im Kardinalsgewand


Mitte der Sechzigerjahre begann so langsam das, was man meine internationale Filmkarriere nennen kann. Schon in den Fünfzigern hatte ich bei ein paar Heimatfilmen mitgespielt, nun aber führte mich mein Weg immer öfter ins Ausland. Europa, Asien und Amerika, so hießen die Stationen, und dass sich die Abenteuer nicht nur im Drehbuch ereigneten, sondern – unerwartet – direkt auf dem Filmset und in der drehfreien Zeit, davon könnte ich viel erzählen.

Eine meiner ersten Auslandsreisen zu Dreharbeiten brachte mich 1965 nach Jugoslawien. Ich spielte – unter Arthur Maria Rabenalts Regie – einen Kardinal.

In dem istrischen Hafenstädtchen Pirano schlenderte ich während einer Drehpause über den Marktplatz. In vollem Ornat. Ohne mir was zu denken. Da fiel plötzlich eine alte Frau vor mir auf die Knie, und bevor ich’s verhindern und irgendeine Erklärung geben konnte – küsste sie meinen Ring.

»Jetzt schau dir das an!«, hörte ich heimische Laute und entdeckte zwei beleibte, schwitzende Touristen.

»Der ist höchstens dreißig!«, sagte die Frau. »Und schon Kardinal.«

»Bestimmt ein Kommunist«, meinte der Mann und musterte mich mit Abscheu.

»Glaubst du, dass die das dürfen? Kommunisten zu Kardinälen machen?«

Ich war so nah dran, vor Lachen zu platzen, dass ich den Ausgang der Diskussion lieber nicht abwartete. Der jugendliche Kommunisten-Kardinal verließ den Platz im Laufschritt und wäre beinah der Länge nach hingeschlagen, als er mit dem linken Fuß im Saum seines bodenlangen roten Ornats hängenblieb.

Am selben Tag gab’s bei den Dreharbeiten vor einer Kirche eine Störung, gegen die selbst unser arg gestresster Regisseur nichts einzuwenden wagte. Eine Kolonne schwerer Wagen rauschte heran, stoppte, und aus dem größten und längsten Mercedes, den ich je gesehen hatte, stieg ein beeindruckender Mann mit breiter Ordensbrust und prächtiger Uniform: Josip Broz Tito.

Was wir da trieben, wollte er wissen. Ob ihn die Antwort befriedigte, war nicht erkennbar. Er sah drei, vier Minuten schweigend zu, wandte sich um, verschwand in seinem landgängigen Schiff, und die Kolonne brauste davon.

Die Tage waren anstrengend, allein durch die Kombination von Kardinalsgewand und 35 Grad im Schatten. In Jeans und offenem Hemd fühlte ich mich abends nach Drehschluss wie von Zentnerlasten befreit.

Aus dem zweiten Stock mit 60 km/h


Kurze Zeit nach meiner historisch zu nennenden Begegnung mit dem Präsidenten Tito führte mich mein Weg nach Frankreich. Hier spielte ich mit bei einer komischen Agentengeschichte mit dem Titel »Le Saint prend l’affût«, auf Deutsch: »Der Lord mit der MP«. Das hört sich gefährlich an, und das war es auch.

Der französische Regisseur Christian-Jaque, bekannt für seine Mantel- und Degen-Filme, hatte das ganze bewährte Team aus dem 1952 in die Kinos gebrachten Film »Fanfan der Husar« zusammen und dazu das beste Stuntmen-Team, das in Frankreich überhaupt aufzutreiben war, an der Spitze der große Gil Delamare. Beste Voraussetzungen also für gute, profihafte Arbeit.

Kein Geringerer als Jean Marais war mein Gegenspieler. Einer wie der andere waren wir versessen darauf, unsere Sportlichkeit und Fitness zu beweisen. Nicht, dass wir den Stuntmen etwas wegnehmen wollten. Aber das meiste von dem, was die machten, konnten wir auch. Oder bildeten es uns ein.

»Wir haben also morgen früh die Szene auf dem Autotransporter«, sagte Christian-Jaque nach einem langen Drehtag, als wir uns bei einem Glas vin rouge erholten. Er sah mich an: »Du springst vom Führerhaus auf das obere Deck. Dort kommt es zum Kampf zwischen dir und Jean. – Natürlich machen das Gil und seine Leute.«

Ich tauschte einen Blick mit Jean Marais. Christian-Jaques Feststellung hatte nicht sehr endgültig geklungen. Eigentlich nicht mal besonders überzeugt. »Warum lässt du uns die Szene nicht drehen?«

»Das wäre natürlich sehr schön«, sagte der Regisseur gedehnt. »So kommen wir ohne Schnitte zu ein paar überzeugenden Großaufnahmen. Aber traust du dir das denn zu?«

»Natürlich.«

»Jean?«

Marais grinste und nickte: »Wo ist die Schwierigkeit? Ich werde Sigi packen und vom Wagen werfen. Voilà!«

»Was sagst du dazu?«, wandte Christian-Jaque sich an Gil Delamare. »Die beiden können das«, nickte der Stuntman. Damit war es beschlossene Sache: Jean Marais und ich würden uns am nächsten Tag nicht doubeln lassen. Ich schlief gut in dieser Nacht.

Falls ich von dem bevorstehenden Abenteuer träumte, hatte ich’s jedenfalls beim Aufwachen schon vergessen. Christian-Jaque ging die Szene vor Drehbeginn noch einmal minuziös mit allen Beteiligten durch. Ich konzentrierte mich auf das, was er mir sagte: »Also, du springst vom Führerhaus hinauf auf das obere Deck. Du duckst dich hinter einen der Wagen, du schleichst dich an, aber Jean sieht dich. Es kommt zum Kampf.« Folgten die verschiedenen Schläge, die Ausrutscher, die Clinchs – alles, bis zum – für mich – bitteren Ende: »Dann wirft Jean dich, und du stürzt vom Wagen. Du musst schreien, Sigi! Du stürzt in den Tod, und die Kamera wird ganz dicht dran sein, deinen Gesichtsausdruck festhalten, das Entsetzen in der Sekunde unmittelbar vor dem Ende!«

Wir probten alles, und es klappte großartig. Nur den Sturz probten wir natürlich nicht. Das wäre zu aufwendig gewesen. Neben der Straße, über die der riesige Autotransporter fuhr, war an der entsprechenden Stelle ein Holzgerüst aufgebaut, bestückt mit einer Unzahl leerer Kartons. Auf nichts stürzt sich’s besser als auf solche Kartons! Sie erlauben Fallhöhen bis zu zwölf Meter – einen einigermaßen geübten Mann vorausgesetzt. Heu, Stroh, Schaumgummi: Nichts ist so gut wie mehrere Lagen leerer Kartons mit ihrem Knautscheffekt. Aber der Aufbau macht sehr viel Arbeit, und man braucht für jeden Sprung oder Sturz neue Kartons.

Ich hatte keine Angst.

Die kam erst, als es ernst wurde und der Transporter mit etwa sechzig Stundenkilometern über die Straße brauste. Sechzig Kilometer: Ein irres Tempo, wenn man es stehend, kletternd und springend erlebt. Und noch dazu sozusagen im zweiten Stock. Aber so plötzlich die Angst gekommen war, so rasch verflog sie.

Ich sprang auf die obere Plattform des Transporters, und zehn Sekunden später gingen Jean und ich mit Ketten aufeinander los. Ein langer, harter Kampf, der uns beide bis zur Erschöpfung forderte – auch oder gerade, weil wir vermeiden mussten, einander hart zu treffen.

Wir bekamen ein Zeichen: Die letzte Einstellung, absoluter Höhepunkt der Szene. Jean versetzt mir den vorentscheidenden Kinnhaken, und ich fliege rücklings auf die Fronthaube eines R4, rolle mich ab, komme noch einmal auf die Beine, springe meinen Gegner an, will seine Kehle umklammern – aber er ist um Sekundenbruchteile schneller, packt mich und wirft mich. Als er mir den Kinnhaken versetzte, sprang ich so richtig hoch, flog im Bogen durch die Luft und knallte auf die Wagenhaube.

Ich hatte ein fabelhaftes Gefühl, was die Echtheit der Darbietung betraf. Ich kam auch richtig wieder auf die Beine, doch als ich Jean ansprang, wurde plötzlich alles rot.

Da lief mir das Blut in Strömen übers Gesicht. Ich spürte keinen Schmerz, fragte mich verwundert: Was ist jetzt los? Und befahl mir im selben Augenblick, weiterzumachen, auch mit dem Gedanken, dass all das Blut sich bestimmt sehr gut und echt ausnahm …

Dann war ich auch schon in der Luft und fiel und fiel und hielt die Luft an, von tödlicher Angst erfüllt, auf der Straße zu zerschellen. Aber ich landete sicher, ohne mir eine weitere Schramme zu holen, auf dem Holzgerüst mit den Kartons.

Von weither drangen aufgeregte Stimmen an meine Ohren. Dann waren sie alle da, der besorgte Christian-Jaque voran. Ich betastete meinen Kopf. Meine Hände waren sofort voller Blut, aber die Wunde schien nicht besorgniserregend. Manche harmlosen Kopfwunden können ja überraschend stark bluten.

»Was ist eigentlich passiert?«, fragte ich, als Jean Marais zwischen den anderen auftauchte. »Dein Sprung nach dem Kinnhaken war zu gut«, sagte er und grinste. »Du bist mit dem Kopf gegen diese kleine Düse geflogen, aus der das Wasser für die Scheibenreinigung kommt.«

Sie halfen mir von dem Gerüst. Ich war benommen, und mir war schwindlig, offenbar eine Folge des Blutverlusts. Der Produzent fuhr mich selbst ins nächste Krankenhaus, wo die Wunde gesäubert und genäht wurde. Er war ziemlich grantig. »Warum machen Sie etwas, was Sie nicht können? Sie haben gesagt, Sie können das, aber Sie konnten es nicht! Jetzt haben wir die Bescherung!«

Er hatte recht. Als Stuntman war ich eben ein Dilettant. Ein Profi hätte alle Möglichkeiten einkalkuliert, der hätte die verflixte kleine Düse nicht übersehen, sondern sie mit Schaumstoff abgedeckt. Glücklicherweise bedeutete mein Unfall keine Verzögerung der Dreharbeiten.

Und als die Muster aus dem Labor kamen, beglückwünschte Christian-Jaque mich: »Ungeheuer echt, Sigi! Magnifique! Wirklich, ungeheuer echt!« Kunststück.

Auch Gil Delamare kam zu mir und sagte: »Gute Arbeit, Sigi.« Darauf war ich richtig stolz. Denn Gil – Weltmeister der Fallschirmspringer im freien Fall, Weltrekordler im Truckfliegen von der Schanze – war einer der ganz Großen in seinem Beruf und in Frankreich unbestritten der beste aller Stuntmen. Obendrein ein reizender, charmanter Mensch.

Er ist dann auf tragische Weise ums Leben gekommen. Nicht bei einem besonders riskanten Trick, sondern bei einem...

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