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Kann der Glaube an sich selbst Berge versetzen? Eine kritische Untersuchung des Konzepts der Selbstwirksamkeit im organisationalen Kontext

AutorKarl Barton
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl70 Seiten
ISBN9783638900713
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Führung und Personal - Sonstiges, Note: 1,7, FernUniversität Hagen, 120 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die heutige Wirtschaft sieht sich einem immer schnelleren Tempo und einem beständigen technologischen Wandel gegenüber. Um dem damit einhergehenden steigenden Konkurrenzdruck gerecht zu werden, müssen Organisationen sich anpassen und neue Wege finden, ihre Effizienz zu erhöhen. Infolgedessen werden gleichzeitig auch die Mitarbeiter mit neuen Situationen und Veränderungen konfrontiert und sind gefordert, mehr Entscheidungen selbst zu treffen, vermehrt in Teams zu arbeiten und sich mit komplexeren Aufgabenanforderungen zurechtzufinden. Dieser organisationale Wandel verlangt vom Mitarbeiter eine bessere Anpassungs- und Lernfähigkeit, sowie die Fähigkeit sich zu motivieren und einem erhöhten Druck standzuhalten. Da der Mitarbeiter somit eine zunehmend bedeutendere Rolle in der Leistungserbringung von Unternehmen spielt, ist es von Interesse der Organisation, das Verhalten des Mitarbeiters zu verstehen und es nach Möglichkeit im Sinne der Organisation zu verändern. Dazu wird auf Erkenntnisse der Psychologie zurückgegriffen, um das Verhalten des Mitarbeiters in der Organisation zu erklären und vorherzusagen. In diesem Zusammenhang hat neben diversen anderen Konzepten in den letzten Jahren vor allem das auf der sozial-kognitiven Theorie beruhende Konzept der Selbstwirksamkeit (engl. self-efficacy) eine zunehmend große Beachtung gefunden. In dieser Arbeit findet eine kritische Erörterung des Selbstwirksamkeitskonzepts statt, die die Frage beantworten soll, ob und wie mit Hilfe des Konzeptes ein Beitrag zur Verhaltenserklärung, -vorhersage und -änderung des Mitarbeiters in der Organisation geleistet werden kann. Dazu werden zunächst die Grundannahmen des Selbstwirksamkeitskonzeptes sowie der diesem Konzept zugrunde liegenden sozial-kognitiven Theorie dargestellt. Anschließend werden einige empirische Erkenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen der Selbstwirksamkeit im organisationalen Kontext untersucht. Dabei werden mögliche Maßnahmen zur Beeinflussung der Selbstwirksamkeit von Organisationsmitgliedern erörtert und die Bedeutung der Selbstwirksamkeit in der Organisation kritisch eingeschätzt. Zusätzlich wird ein Vergleich unternommen zwischen der Selbstwirksamkeit und zwei potentiellen Alternativkonzepten, der Selbstwertschätzung (engl. self-esteem) und der Kontrollüberzeugung (engl. locus of control), die eine ähnliche Beachtung im organisationalen Kontext erfahren haben. Abschließend werden die Erkenntnisse einem Fazit unterzogen.

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Leseprobe

2.  Lern- und Verhaltenstheoretische Annahmen des Selbstwirksamkeitskonzepts


 

 In diesem Kapitel werden zunächst die grundlegenden Annahmen der sozial-kognitiven Theorie von Albert Bandura dargestellt, die im Konzept der Selbstwirksamkeit impliziert sind. Daraufhin wird das Konzept der Selbstwirksamkeit dargestellt, wie es basierend auf theoretischen und empirischen Erkenntnissen formuliert wurde.

 

2.1. Sozial-kognitive Theorie in Abgrenzung zu anderen Theorien


 

 Die sozial-kognitive Theorie von Albert Bandura hat sich langsam ab Mitte des letzten Jahrhunderts aus den damals vorherrschenden traditionellen Lern- und Verhaltenstheorien entwickelt und seitdem stetig weiter entfaltet (Vgl. Pervin et al. 2005). Jedoch grenzt sie sich in ihren grundsätzlichen Annahmen zu einem großen Teil von diesen ab. Zunächst als „sozial-kognitive Lerntheorie“ benannt, grenzt sie sich von dem Behaviorismus vor allem in lerntheoretischen Aspekten ab. Der Behaviorismus sagt mit seiner Theorie des operanten Konditionierens aus, dass der Mensch allein durch Belohnung und Bestrafung neue Verhaltensmuster erlernt. Dabei tritt ein Verhalten annahmegemäß in Zukunft vermehrt auf, wenn dieses zuvor positiv verstärkt[1] wurde. Wird es dagegen nicht belohnt oder gar bestraft, so tritt es mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit auf. Im Gegensatz dazu betont die sozial-kognitive Theorie die menschliche Fähigkeit, aus dem Verhalten anderer allein durch Beobachtung zu lernen, auch wenn keine direkte Belohnung zu erwarten ist. Verstärkung wird zwar als förderlicher Faktor für das Auftreten von Verhalten, aber nicht als Bedingung gesehen (Vgl. Bandura 1977b). In den folgenden Jahren hat Bandura zunehmend motivationsbezogene und handlungsregulierende Gesetzmäßigkeiten in seine Theorie integriert, die sich auch auf das Verhalten beziehen. Im Gegensatz zum Behaviorismus, der behauptet, dass das Verhalten des Menschen allein von der Umwelt determiniert wird, und kognitiven Prozessen keine Bedeutung beimisst, nimmt die sozial-kognitive Theorie an, dass der Mensch, durch seine Fähigkeit zu Denken, selbst eine gewisse Kontrolle über sein Leben ausüben kann. Diese menschliche Fähigkeiten der Selbstbestimmung und der Willenskraft, also das Vermögen Wahlen zu treffen, diese seiner Umwelt aufzuerlegen und somit ursächlich zu dem Verlauf von Ereignissen beizutragen,[2] machen den Kerngedanken der sozial-kognitiven Theorie aus (Vgl. Bandura 1986, 2006). Während der Behaviorismus also eine eher mechanistische Auffassung des Menschen hat, sieht die sozial-kognitive Theorie den Menschen in einem dynamischen Prozess mit seiner sozialen Umgebung verbunden. Dabei werden das Lernen und Verhalten des Menschen durch kognitive Prozesse gesteuert.

 

 Mit dieser Auffassung unterscheidet sich die sozial-kognitive Theorie auch von den Psychodynamischen Ansätzen, die menschliches Verhalten auf die Wirkung innerer Triebe zurückführen.

 

 Schließlich grenzt sich die sozial-kognitive Theorie von dem Eigenschaftstheoretischen Ansatz ab. Dieser ist eher statisch und versucht das Verhalten des Menschen mit dessen festen Eigenschaften zu beschreiben. Demnach wird das Verhalten als über die Zeit hinweg als auch situationsübergreifend relativ konsistent gesehen. Dagegen versucht die sozial-kognitive Theorie mit ihrer dynamischen Sichtweise das Verhalten des Menschen nicht nur zu beschrieben, sondern auch zu erklären indem sie zeigt, wie Neues in das Verhaltensrepertoire eines Menschen gelangen kann (Vgl. Pervin et al. 2005).

 

2.2. Grundlegende menschliche Fähigkeiten im reziproken Determinismus


 

 Den der sozial-kognitiven Theorie vorhergehenden Theorien ist gemeinsam, dass sie menschliches Verhalten als nur einseitig bestimmt betrachten, entweder durch äußere Einflüsse oder durch innere Werte. Dagegen postuliert die sozial-kognitive Theorie zur Verhaltenserklärung einen reziproken Determinismus, der die dynamischen Beziehungen widerspiegelt, in denen der Mensch agiert. Hierbei handelt es sich um eine dreiseitige kausale Beziehung zwischen dem Verhalten, den kognitiven sowie weiteren persönlichen Faktoren und den Umweltbedingungen (Vgl. Abb. 1). Alle drei Variablen beeinflussen sich dabei wechselseitig. Allerdings bedeutet das nicht, dass die Stärke des Einflusses zwischen zwei Faktoren gleich hoch sein muss oder dieser gegenseitige Einfluss gleichzeitig stattfindet. Vielmehr variieren die Stärke und der Eintritt dieser Einflüsse je nach Person, Handlung und den gegebenen Umständen. Durch diese wechselseitige Beeinflussung können Menschen daher sowohl als Schöpfer ihrer Umwelt als auch deren Geschöpf betrachtet werden (Vgl. Bandura 1986, S. 23ff.).

 

 

Abb. 1: Reziproker Determinismus (nach Bandura 1986)

 

 Die sozial-kognitive Theorie erklärt den Charakter dieser wechselseitigen Einflüsse, die dem Menschen eine aktive Rolle in der Gestaltung seiner Umwelt beimisst und ihn nicht nur passiv auf diese reagieren lässt, mit folgenden grundlegenden menschlichen Fähigkeiten.

 

 Laut Bandura (1986) besitzt der Mensch mit der Symbolisierungsfähigkeit ein außergewöhnliches Mittel, das ihm erlaubt, seine Umwelt zu verändern und sich ihr anzupassen. Durch den Gebrauch von Symbolen ist es ihm möglich unmittelbare Erfahrungen zu verarbeiten und sie in innere kognitive Modelle umzuformen, die ihm dann als Anleitung für zukünftiges Handeln dienen. Ähnlich wird durch Symbolisierung vergangenen Erfahrungen Bedeutung, Form und Dauer zugeschrieben. Menschen können somit durch Verbindung ihres Wissens mit der Symbolisierungskraft neue Handlungswege und Ideen generieren. Indem etwa verschiedene Handlungsmöglichkeiten symbolisch ausprobiert und gegeneinander abgewogen werden, bevor man handelt, können mitunter kostspielige oder schmerzhafte Fehltritte vermieden werden.

 

 Der Mensch handelt aber nicht nur in Reaktion auf seine unmittelbare Umwelt oder aufgrund vergangener Erfahrung. Vielmehr liegt ein Großteil  des Verhaltens des Menschen in der Intentionalität des Handelns und seiner Fähigkeit zur Voraussicht begründet. Er macht Pläne für die nähere Zukunft, sieht die Konsequenzen seiner Handlungen voraus und setzt sich Ziele. Durch Voraussicht kann sich der Menschen motivieren und seine Handlung in Erwartung auf zukünftige Ereignisse ausrichten. Zwar können zukünftige Ereignisse prinzipiell nicht als ursächlich für gegenwärtiges Handeln angesehen werden, da sie nicht existieren. Aber durch symbolische Repräsentation werden diese zukünftigen Ereignisse zu einem Anreiz für Verhalten in der Gegenwart. Die Befähigung für ein vorsätzliches und zielgerichtetes Handeln erfolgt also durch die Symbolisierung. Die Intentionalität und Voraussicht wird dabei durch selbstregulierende Mechanismen in Handlung umgesetzt (Vgl. Bandura 1986; 2001).

 

 Als weitere bedeutende menschliche Fähigkeit wird die des Beobachtungslernens angesehen. Fast alle Formen der Lernens, die direkt vollzogen werden können, können durch Beobachtung des Verhaltens von anderen Personen und den daraus ersichtlichen Konsequenzen ersetzt werden. Die Fähigkeit aus der Beobachtung anderer zu lernen, erlaubt den Menschen Regeln zur Generierung und Regulierung von Verhaltensmustern zu erwerben, ohne dabei die möglicherweise kostspieligen Konsequenzen zu riskieren, die durch ein Vorgehen von Versuch und Irrtum entstehen. Je komplexer die Handlung und je kostspieliger und riskanter mögliche Fehler sind, umso mehr verlässt man sich auf das Lernen durch Beobachtung eines geeigneten Vorbilds. Auch wenn neue Verhaltensweisen anders vermittelt werden könnten, so lässt sich der Aneignungsprozess durch Beobachtungslernen erheblich verkürzen (Vgl. Bandura 1977b; 1986).

 

 Eine zentrale Rolle wird auch der Selbstregulation beigemessen. Da der Mensch nicht einfach nur auf äußere Einflüsse reagiert, wird ein Großteil seines Verhaltens durch Selbststeuerung, innere Standards und durch Selbstbewertung seines eigenen Handelns angetrieben und gelenkt. Und zwar in der Weise, dass bei Auftreten von Abweichungen zwischen festgesetzten Standards und einem an diesen Standards gemessenen Verhalten, selbstregulierende Reaktionen aktiviert werden. Diese beeinflussen wiederum nachfolgendes Verhalten. Zwar bleiben externe Faktoren mitbestimmend für das Verhalten, aber durch Selbststeuerung ihres Verhaltens oder durch Einflussnahme auf externe Faktoren können Menschen eine direkte Kontrolle über ihr Handeln ausüben (Vgl. Bandura 1986; 1991).

 

 Die Fähigkeit zur Selbstreflexion oder das selbstreflektive Bewusstsein ermöglicht dem Menschen über seine Erfahrungen und Denkprozesse nachzudenken und diese zu analysieren. Indem er über seine verschiedenen Erfahrungen reflektiert, kann er eine bestimmte Erkenntnis über sich selbst und seine Umgebung erfahren. Er kann dadurch auch die Richtigkeit seiner bisherigen vorausschauenden und operativen Denkweise in Hinsicht auf die Konsequenzen seines Handels einschätzen und daraus Schlussfolgerungen ableiten. Somit gewinnen Menschen durch Selbstreflexion nicht nur neue Erkenntnisse, sondern beeinflussen auch ihr Denken und Handeln (Vgl....

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