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Kein Frieden in Nahost

Warum mit Israel und den USA kein Palästinenserstaat zu machen ist

AutorNoam Chomsky
VerlagNomen Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783939816577
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Wieso amerikanische und israelische Interessen einen Frieden mit den Palästinensern verhindern und auch in Zukunft verhindern werden: Chomsky zeigt eine verschworene Gemeinschaft, die ohne seine Analyse kaum zu durchschauen ist. Der Nahost-Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern - ein Thema ohne Ende und ohne Hoffnung? Chomsky erläutert innen- und außenpolitische Entwicklungslinien in den USA und in Israel, die zu einer verschworenen Gemeinschaft geführt haben. Er zeigt die strategischen Interessen der USA im Nahen Osten, die grundsätzliche Einigkeit der israelischen Parteien über den Umgang mit den Palästinensern und erläutert das Problem der israelischen Atomwaffen. 'Kein Frieden in Nahost' versammelt Noam Chomskys wichtigste Gedanken zu diesem kontroversen Thema, das auch kommende Generationen noch beschäftigen wird. Ein Buch von andauernder Aktualität.

NOAM CHOMSKY, Jahrgang 1928, ist Professor Emeritus am M.I.T. für Sprachwissenschaft und Philosophie. Er hat die moderne Linguistik revolutioniert und zahlreiche Bestseller über Politik verfasst. Chomsky ist, so die New York Times, 'der wichtigste lebende Intellektuelle' und seit seinem Engagement gegen den Vietnamkrieg einer der prominentesten Kritiker der US-amerikanischen Politik wie auch des globalen Kapitalismus.

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Leseprobe

EINLEITUNG: ÖL INS FEUER


Im Krieg der Worte, der seit dem 6. Juni 1982, dem Beginn des israelischen Einmarsches in den Libanon, geführt worden ist, sind Kritiker der Palästina-Politik Israels häufig der Heuchelei bezichtigt worden. Während die Begründungen für diesen Vorwurf fadenscheinig sind,1 läßt er selbst sich nicht ohne weiteres von der Hand weisen. Es ist sicher heuchlerisch, Israel für die Errichtung von Siedlungen in den besetzten Gebieten zu verurteilen, während die USA dafür bezahlen. Das gilt auch für den israelischen Einsatz von Cluster- und Phosphorbomben mit dem Ziel, »pro Treffer eine maximale Anzahl von Opfern zu erzielen«,2 wenn wir die Waffen gratis oder zu Niedrigstpreisen liefern, wobei wir wissen, welchem Zweck sie dienen.3 Und es ist natürlich auch heuchlerisch, Israels »wahllose« Bombardierung dichtbesiedelter Wohngebiete oder andere militärische Abenteuer4 anzuprangern, während wir zugleich darüber erfreut sind, daß Israel uns dabei behilflich ist, neu entwickelte Waffen im realen Einsatz und dazu noch unter günstigen Bedingungen – gegen einen völlig unterlegenen Feind und an weitgehend ungeschützten Zielen – zu testen. Insgesamt ist es also pure Heuchelei, daß wir Israels militärische Machtausübung kritisieren, während wir dafür dankbar sind, daß die Israelis uns dabei helfen, mögliche Bedrohungsfaktoren unserer Vorherrschaft im Nahen Osten aus dem Weg zu räumen.

Solange die Vereinigten Staaten das Kriegsgerät liefern, wird Israel es im Sinne seiner Absichten nutzen. Diese Absichten von den beiden politischen Gruppierungen in Israel sind heute klarer erkennbar als je zuvor: Es geht darum, möglichst viel von den besetzten Gebieten israelischem Territorium einzuverleiben und dabei zugleich die arabische Bevölkerung auf die eine oder andere Weise zu dezimieren, die Flüchtlinge zu vertreiben, jede Regung eines palästinensischen Nationalbewußtseins politischer oder kultureller Provenienz im Keim zu ersticken5 und die Kontrolle über den Südlibanon zu erlangen. Da die USA mit ihrer großzügigen Militärhilfe sowie durch ideologische (d. h. die historischen Tatsachen verfälschende) und diplomatische Unterstützung entscheidend zur Verwirklichung dieser Absichten beitragen, besteht kein Anlaß, Israel dafür zu verurteilen, daß es seine Stellung als regionale Vormacht zur Festigung und Erweiterung seiner Position entsprechend nutzt. Zwar gibt es gelegentlich milde Kritik aus Washington oder in den US-Medien, doch hat, selbst wenn sie ernstgemeint ist, noch keine israelische Regierung Grund gehabt, sich darum zu kümmern, konnte sie doch letztlich darauf vertrauen, daß die politischen Führungsschichten und die meinungsbildenden Medien in den USA hinter ihr stehen, egal, was sie tut und ungeachtet genauer und korrekter Berichterstattung über ihre Taten und Untaten.

Worauf es ankommt, ist leicht zu begreifen und liegt für Beobachter außerhalb der USA, auch für israelische, auf der Hand. Ein kritisch eingestellter israelischer Journalist bemerkt: »Die Selbsttäuschung, der Israel unterliegt, indem es sich für eine imperiale Macht hält, würde sofort verfliegen, wenn die Vereinigten Staaten … aus Verärgerung über eine besonders exzessive Torheit den Hahn zudrehten.«6

Ähnlich kommentiert der Londoner Economist:

»Die Lieferung neuer Waffensysteme auszusetzen, gehört zu den traditionellen Maßnahmen, mit denen Amerika Israel zu größerer Zurückhaltung mahnt. Aber ein Embargo ist nur wirksam, wenn es sich über einen längeren Zeitraum erstreckt … Effektiv wäre eine solche Politik, wenn Israel merkt, daß der amerikanische Präsident willens ist, an ihr festzuhalten und zugleich das Ausmaß der Militärhilfe zu überdenken.«7

Noch vor wenigen Jahren wäre es in der Tat einfach gewesen, eine solche Politik zu betreiben, um Israel zu motivieren, sich dem Konsens der internationalen Staatengemeinschaft anzuschließen, den auch die großen arabischen Staaten, die Bevölkerung in den besetzten Gebieten und die Mehrheitsfraktion der PLO befürworteten, nämlich eine politische Regelung, die zwei Staaten, anerkannte Grenzen, Sicherheitsgarantien und die Aussicht auf eine langfristige friedliche Regelung des Konflikts vorsah. Vorbedingung wäre natürlich gewesen, daß auch die USA selbst diese Lösung unterstützten, nicht aber die Verweigerungshaltung der Arbeiterpartei und, danach, des von Menachem Begin geführten Likud-Blocks. Diese Interpretation der jüngsten Geschichte des Nahostkonflikts entspricht zwar nicht der in den USA verbreiteten Standardversion, ist aber im Ausland geläufig und hat dazu noch den Vorteil, den Tatsachen zu entsprechen.8

Was vor wenigen Jahren noch einfach gewesen wäre, ist heute erheblich schwieriger und vielschichtiger geworden, denn mittlerweile ist überhaupt nicht mehr klar, was geschehen würde, sollten die Vereinigten Staaten beschließen, ihr Engagement für ein Groß-Israel, das die Region im Interesse der amerikanischen Macht beherrscht, ebenso zu beenden wie ihre gegen den internationalen Konsens gerichtete militärische und ideologische Schützenhilfe. Die Frage ist von großer Bedeutung, und ich werde mich im folgenden mit dem geschichtlichen Hintergrund, den entscheidenden Problemen und den augenblicklichen Zukunftsaussichten beschäftigen.

Dabei geht es mir nicht um eine umfassende Darstellung der vielfältigen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten, Israel und den Palästinensern, sondern, bescheidener, um den Nachweis bestimmter Elemente der »Sonderbeziehung« zwischen den USA und Israel und das Verhältnis der beiden Staaten zu den ursprünglichen Bewohnern der Region namens »Palästina«. Diese Relationen sind, wie ich meine, bisher unzureichend analysiert und oftmals falsch dargestellt worden, was zu einer Politik führte, die nicht nur verabscheuungswürdig, sondern auch äußerst gefährlich ist.

Meine Bemerkungen befassen sich kritisch mit einer israelischen Politik, die der einheimischen Bevölkerung seit Jahren das Recht auf nationale Selbstbestimmung verwehrt, sie vielmehr unterdrückt und terrorisiert und deren Propagandabemühungen in den USA höchst erfolgreich waren, Israel selbst jedoch zum Nachteil gereicht haben. Zweierlei möchte ich in diesem Zusammenhang vorab betonen. Zum einen unternehme ich nicht den Versuch einer allgemeinen Geschichtsschreibung, sondern richte mein Augenmerk auf das, was meiner Meinung nach falsch gelaufen ist und geändert werden sollte, nicht aber auf das, was positiv hervorzuheben wäre.9 Zum anderen soll meine Beschäftigung mit der israelischen Politik nicht verbergen, daß die Hauptverantwortung bei den USA liegt, deren Regierungen diese Politik geduldet, wo nicht gefördert haben. Bei uns wird die öffentliche Meinung in einem bemerkenswerten Ausmaß von Personen beherrscht, die sich als »Unterstützer Israels« bezeichnen. Diesen Ausdruck will auch ich verwenden, wenngleich mir scheint, man solle sie besser »Unterstützer des moralischen Verfalls und der drohenden Zerstörung Israels« nennen. Angesichts dieses ideologischen Klimas und der dadurch ermöglichten konkreten Maßnahmen unserer Regierungen konnte sich die israelische Politik auf vorhersehbare Weise entwickeln. Sollte sich an den Grundzügen dieser Verhältnisse und Beziehungen nichts ändern, dürfte die Zukunft nicht allzu rosig aussehen.

Die Grundzüge des US-amerikanischen Beitrags zur israelischen Expansionspolitik wurden auf brutale Weise im September 1982 deutlich, als das Massaker in den Palästinenserlagern von Sabra und Schatila weltweite Proteste hervorrief. Der israelische Einmarsch in den Libanon war in den USA insgesamt gutgeheißen und nur dort, wo er zu weit zu gehen und amerikanische Interessen zu bedrohen schien oder zu viele zivile Opfer kostete, mit einigen Fragezeichen versehen worden. Vieles erinnerte an den amerikanischen Angriff auf Südvietnam 1962, dem einige Jahre später der Krieg gegen Indochina folgte; ein Ereignis, das laut US-offizieller Geschichtsschreibung nicht stattgefunden hat.

Auch als Israel am 15. September West-Beirut besetzte, rührte sich bei uns noch nichts; erst das Massaker von Sabra und Schatila führte zu heftigen Verurteilungen, die sich in erster Linie an die christlichen Falange-Milizen, die eigentlichen Urheber des Verbrechens, in zweiter Linie an die israelische Regierung richeten, der es nicht gelungen sei, die Bewohner des Lagers zu schützen. In einer wahren Flut von Briefen und Artikeln wurde Begin wegen seiner gewalttätigen Maßnahmen, seiner Täuschungsmanöver und seiner anfänglichen Ablehnung einer offiziellen Untersuchung gegeißelt und der vorbildlichen Haltung der Arbeitspartei kontrastiert, die das »schöne«, das »bessere« Israel von einst repräsentierte, das Begin und Scharon jetzt zugrundezurichten drohten.

Hauptmann Eli Geva, der aus...

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