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E-Book

Keine Angst vor Paaren! (Leben Lernen, Bd. 259)

Wie Paarberatung und Paartherapie gelingen kann - Ein Praxishandbuch - Leben Lernen 259

AutorMartin Koschorke
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl405 Seiten
ISBN9783608104158
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis44,99 EUR
Paare gut zu beraten muss weder Angst machen noch anstrengend sein. Das Praxishandbuch vermittelt mit erprobten Interventionen, Basistechniken, Beispielen, Hinweisen und Tipps  das Know how für erfolgreiche Paarberatung und -therapie. »Ein faszinierendes Buch!« Dr. Rudolf Sanders, Beratung Aktuell, Jahrgang 14 2/2013 Viel zu oft lassen sich Paarberater und -therapeuten von der feindseligen, verzweifelten oder wütenden Atmosphäre in den gemeinsamen Sitzungen anstecken. Es sinken dann nicht nur die Beratungsqualität, sondern auch Stimmung und Selbstwert des Therapeuten. Besser für beide Seiten ist es, mit gesunder Distanz, aufmerksamer Beobachtung, klugen Interventionen und einer guten Portion Humor in die Stunde zu gehen. Das Basis- und Ausbildungsbuch, entstanden aus der jahrzehntelangen Erfahrung des Autors als Paarberater und Dozent an einer zentralen Ausbildungseinrichtung für Berater und Therapeuten, bietet das umfassende Rüstzeug dazu: - Wissen, wie Partnerschaft funktioniert - Zahlreiche neue Interventionen und Übungen für alle - Phasen der Beratung - Beispiele für Problemlösungen und spezielle Beziehungsmuster - Merksätze, die an das Wichtigste erinnern. So kann Paarberatung Spaß machen! Das Buch wendet sich an: - MitarbeiterInnen von Paar- und Familienberatungsstellen - PaartherapeutInnen - Systemische Familientherapeuten - Psychotherapeuten aller Schulen - Coaches

Martin Koschorke, Paarberater und Familientherapeut, hat 34 Jahre lang am Evangelischen Zentralinstitut für Familienberatung (EZI) in Berlin BeraterInnen und TherapeutInnen ausgebildet. Aktuell ist er in verschiedenen Ländern in Supervision, Aus- und Fortbildung von Paarberatern tätig; er lebt in Frankreich. Zur Homepage von Martin Koschorke: Fortbildung in Paarberatung, Supervision und Vorträge

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Leseprobe

1 Paarbeziehungen und Paarkonflikte verstehen


Ein ganz gewöhnlicher Abend – drei Paare daheim


Vorsichtig dreht Franz den Schlüssel in der Wohnungstür. Aber es hat nichts genützt. Gaby hat ihn doch gehört.

»Du bist ja spät«, begrüßt sie ihn, halb vorwurfsvoll, halb resigniert.

»Immer bist du weg!«

»Ja ja«, murmelt er zur Verteidigung, »es ging nicht früher. Du kannst dir nicht vorstellen, was heute wieder los war in der Firma, von morgens bis abends, ohne Pause!«

»Und der Kleine hat dich auch nicht gesehen!«, fährt sie fort.

»Ich weiß, ich weiß. Aber was soll ich machen? Zum Schluss musste ich noch mit einem Mitarbeiter reden.«

»Und ich? Wer redet mit mir? Nie hast du Zeit für mich! Den ganzen Tag bin ich allein mit dem Kleinen. Ich finde, wir müssten mal miteinander reden!«

»Worüber denn?«, entgegnet er irritiert. »Über Dinge, die sich nicht ändern lassen?! Darüber sollten wir gerade nicht reden. Das sollten wir vergessen und uns einen schönen Abend machen.«

»Was ist denn mit dir los?«, fragt Ingo und schaut besorgt zu Susanne hinüber. »Irgendwas nicht in Ordnung?«

Susanne sitzt zusammengekauert auf dem Kanapee. Sie sieht ihn nicht an. »Tu doch nicht so, als ob du nicht weißt, was los ist! Das weißt du ganz genau! Ich will ein Kind!«

»Aber das geht doch nicht, wegen des Betriebs. Den haben wir zusammen aufgebaut. Das war unser gemeinsamer Traum. Wir sind doch glücklich gewesen bisher, auch ohne Kinder.«

»Ja, wir haben ein glückliches Lebens zu zweit, das stimmt. Aber ich möchte ein Kind und kann mir nicht vorstellen, alt zu werden ohne Kinder. Kinder sind doch etwas Schönes!«

»Das musst gerade du sagen, mit deiner Kindheit! Und du weißt genau, ich kann mit Kindern nicht, und wenn ich bloß an die Gören meiner Kusinen denke … Nein danke!«

»Ich verstehe nicht, warum du mich so abblockst bei etwas, das mir wichtig ist!«

»Aber als wir vor zwölf Jahren geheiratet haben, da warst du doch völlig einverstanden, dass wir keine Kinder haben!«

»Aber damals war ich 25, jetzt bin ich 37! Man entwickelt sich im Leben!«

Georg ist ein Fußballfan. Das war er schon, lange bevor er Nina kennenlernte. Ein leidenschaftlicher Fußballer ist er auch heute noch, inzwischen sogar als ehrenamtlicher Trainer in der Jugendabteilung des Vereins. Nina wusste von seiner Fußballbegeisterung. Zu Beginn ihrer Beziehung hatte sie ihn danach gefragt, er hatte geantwortet: »Meine Priorität bist du!«

Nina arbeitet nachts im Krankenhaus, regelmäßig von 20 bis 8 Uhr. Georg ist ebenfalls berufstätig, er tut auch viel im Haus. Er kümmert sich, wenn sie tagsüber schläft und er da ist, um die drei Kinder. Der Älteste ist 15, die beiden Mädchen, Zwillinge, sind 11. Die Zwillinge nimmt er auch zum Fußball mit.

Freitags, am Abend bevor sie zur Arbeit geht, spielt sich zwischen Nina und Georg gelegentlich ein – bisweilen lautstarkes – Ritual ab, das beide nicht weiterbringt und sie stattdessen immer häufiger verärgert, verletzt und feindselig zurücklässt.

Nina, in halb vorwurfsvollem Ton: »Können wir morgen Nachmittag nicht etwas zusammen machen? Wir verbringen kaum noch gemeinsame Zeit!«

Was konkret sie gemeinsam machen will, sagt sie allerdings nicht. Vielleicht weiß sie es selber nicht so richtig. Sie verspürt nur den Impuls: Ich will mit ihm zusammen sein, mir fehlt etwas. Damit schiebt sie Trennungsgedanken, die gelegentlich in ihr aufsteigen, erst einmal beiseite.

Georg, genervt, defensiv: »Aber, das ist Samstagnachmittag, da bin ich beim Fußball. Was hast du gegen meinen Sport? Ich nehme auch die Mädchen mit, dann hast du deine Ruhe!«

Dass Nina Sehnsucht nach ihm hat und nach Zeit mit ihm, kommt bei Georg nicht an. Er nimmt nur einen Angriff wahr, auf sein Hobby, mit dem er sich identifiziert – also einen Angriff auf seine Identität und auf den Wiedergutmachungshandel (»ich nehme die Mädchen mit«), den er Nina als Ausgleich für seine Abwesenheit vorschlägt.

Sie findet: Wenn wir schon so verrückte Arbeitszeiten haben – und daran lässt sich nicht rütteln –, dann sollten wir wenigstens am Wochenende viel Zeit gemeinsam verbringen. Sich allein ausruhen ist das genaue Gegenteil von dem, was sie am Samstagnachmittag will.

Er findet: Ich tue schon so viel für die Familie, da kann man mir doch nicht mein Hobby nehmen. Zu Hause Kaffee trinken oder Familienunternehmungen machen ist das genaue Gegenteil von dem, was ich am Samstagnachmittag will.

Fragen – Warum?


Die drei Abendgespräche werfen eine Fülle von Fragen auf. Einige möchte ich benennen.

Warum schleicht sich Franz, der im beruflichen Leben erwachsen seinen Mann steht, wie ein kleiner schuldbewusster Junge in seine eigene Wohnung? Warum begrüßt ihn Gaby teils wie eine vorwurfsvolle Mutter, teils wie ein kleines Mädchen? Warum greift sie ihn an, obwohl sie sich offensichtlich nach ihm sehnt? Warum flieht er blitzschnell hinter eine Verteidigungsmauer aus Beschwichtigungen (»Ja ja«, »Ich weiß, ich weiß«), Entschuldigungen und Ausflüchten, obwohl er gute Gründe für sein spätes Kommen hat und sich über Anerkennung seines stressigen Jobs freuen würde? Warum fällt es Gaby und Franz, die jeder für sich und beide zusammen, so viel leisten, so schwer, sich dafür gegenseitig Wertschätzung oder gar Dank auszudrücken? Warum fordern sie wie selbstverständlich vom anderen Verständnis für die eigenen Bedürfnisse und Belastungen ein, ohne ihm dasselbe zu geben? Warum äußern sie das, was ihnen wichtig ist, nämlich ihre Bedürfnisse, aggressiv – im Angriff (aktiv aggressiv) oder im Rückzug (passiv aggressiv) –, also zielsicher auf eine Weise, die den Partner1 nicht öffnet, sondern verschließt? Warum können sie sich nicht zugestehen (jedenfalls nicht in diesem Moment), dass sie beide recht haben, dass die Wünsche eines jeden berechtigt sind? Warum stehen sich ihre Lösungsstrategien – miteinander reden, spätabends auch über Konflikte reden einerseits, Konflikte beiseite lassen und den Feierabend genießen andererseits – so unvereinbar gegenüber?

Wie kommt es, dass Susanne und Ingo eine so existenzielle Frage wie einen Kinderwunsch fast im Nebenher verhandeln? Wie kommt es, dass Ingo sich eine Partnerin ausgesucht hat, für die ein Kind wichtig ist? Wie kommt es, dass Susanne den Kinderwunsch, der in ihr schlummert, offensichtlich so lange überhören konnte? Zugleich: Wie kommt es, dass Ingo den Kinderwunsch, der in Susanne lebt, so lange übersehen hat? Wie kommt es, dass Susanne sich für einen Partner entschieden hat, für den Kinder keinen Platz haben neben dem Traum von der Verwirklichung in einem eigenen Betrieb? Wie kommt es, dass beide ihre Paarbeziehung als glücklich erleben, obwohl sie der festen Überzeugung sind: Der andere verweigert mir etwas Existenzielles und »weiß das ganz genau«? Und wie kommt es, dass sowohl Ingo als auch Susanne die innere Entwicklung des anderen in den letzten 12 Jahren im Hinblick auf das, was ihr oder ihm wichtig ist im Leben, verpassen, übersehen, abblocken, ignorieren konnten – wie auch immer?

Was hat Nina davon, dass sie sich einen fußballbesessenen Partner ausgewählt hat? Was meinte sie, als sie Georg vor Beginn ihrer festen Beziehung nach seiner Fußballbegeisterung fragte? Was hat sie gehört, als er sagte: »Du bist meine Priorität!«? Was hat er gemeint, als er diesen Satz sagte? Warum fordert sie gemeinsame Zeit gerade am Samstagnachmittag, wo im Fußball erfahrungsgemäß am meisten los ist, wo Trainings oder Spiele stattfinden? Fordert sie den gemeinsamen Samstag, weil sie ein schlechtes Gewissen hat, denn tagsüber, wenn sie schläft, braucht sie Rücksicht und steht als Mutter nur eingeschränkt zur Verfügung? Was an gemeinsamer Zeit – mit ihr als Partnerin, mit den Kindern als Familie – schlägt Georg als Ausgleich für den Samstagnachmittag (und gegebenenfalls auch für Spiele am Sonntag) vor? Tut er im Haushalt und für die Familie so viel, weil er ein schlechtes Gewissen hat wegen des Fußballs? Ist sie einverstanden, dass er die Mädchen zum Fußball mitnimmt? Nimmt er die Mädchen mit, damit sie nicht meckert und er auf dem Beziehungskonto ein Guthaben ansammeln kann?

Für alle drei – und viele andere – Paare stellt sich außerdem die Frage: Warum verhandeln sie über Beziehungskonflikte, die zumindest schwierig, wenn nicht unlösbar sind, ausgerechnet am Abend, wo sie normalerweise müde sind und eigentlich – allein oder gemeinsam – etwas Nettes unternehmen sollten? Jeder vernünftige Mensch kann doch vorhersagen, dass das kaum gut gehen wird.

Die Unterscheidung von allgemeiner und spezieller Diagnostik


Ob die oben geschilderten Paare den Weg in Paarberatung oder Paartherapie suchen werden, ist ungewiss. Viele Paare lösen ihre Konflikte selbst. Sie mobilisieren Energien, um mögliche Wege zu finden. Die Bewältigung der Krise mag eine Weile dauern, sie mag mit schmerzhaften Erfahrungen verbunden sein. Doch die gemeinsame Erfahrung, eine ernsthafte Krise allein, ohne Unterstützung von außen, überwunden zu haben, kann Zuneigung und Vertrauen vertiefen, die Paarbeziehung stärken und Wachstumskräfte freisetzen.

Andererseits lässt sich beobachten: Manche Paare kommen auch erst recht spät, bisweilen zu spät in die Beratung2. Zu lange haben...

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